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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 21. Juni 1995
336 Z - 7/95
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 13. Mai 1994 - 34 C 2/94 BSch -)
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Schiffszusammenstoß auf dem Rhein. Dieser hat sich am 20.12.1992 unterhalb Worms etwa bei Strom-km 446,6-7 zwischen MS «L» (95 m lang; 9,5 m breit; 1.775 t; 800 PS) und TMS «Marja» (80 m lang; 9,25 m breit; 1.038 t; 811 PS) ereignet.
MS «L» fuhr an dem genannten Tag mit einer Ladung von 858 t Schrott zu Berg. Gegen 7 Uhr befand sich das Fahrzeug bei Rhein-km 447,5 etwa 30 m aus dem linksrheinischen Ufer. Wegen Nebels war das Radargerät eingeschaltet. Zur gleichen Zeit kam TMS «M» oberhalb der Wormser Eisenbahnbrücke (Rhein-km 445,5) im rechten Fahrwasserdrittel leer zu Tal. Auf diesem Schiff war das Radargerät nicht eingeschaltet, weil in diesem Bereich kein unsichtiges Wetter herrschte, außerdem an Bord sich kern Besatzimgsmitglied befunden hat, das Inhaber eines Radarschifferzeugnisses war. Nach dem Passieren der Brücke bemerkte man auf dem Talfahrer, daß es etwa 600-700 m unterhalb neblig wurde. Das gab der Führung des Schiffes Anlaß, die Fahrt zu reduzieren und mit verringerter Geschwindigkeit in den Nebel einzufahren. Kurz danach kollidierten MS «L» und TMS «M».
Die Klägerin ist Versicherer des TMS «M». Wegen des dem Eigentümer dieses Schiffes entstandenen Unfallschadens nimmt sie - aus übergangenem Recht - den Beklagten als Eigner und Schiffsführer des MS «L» in Anspruch. Sie wirft dem Beklagten vor, die Schiffskollision verschuldet zu haben. Er habe den Talfahrer schon auf 1.600 m auf dem Radarschirm ausgemacht, im Verlauf der weiteren Annäherung aber keine Schallzeichen gemäß § 6.32 Abs. 5 oder § 6.04 Abs. 4 RheinSchPV gegeben; ferner habe er nicht versucht, dem Talfahrer gemäß § 6.32 Abs. 5 RheinSchPV Fahrtrichtung, Standort und Begegnungskurs mitzuteilen.
Die Klägerin hat beantragt:
Den Beklagten zur Zahlung von 139.529,81 hfl. nebst Zinsen zu verurteilen, und zwar dinglich mit MS «L» sowie unbeschränkt persönlich haftend.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Nach seinem Vorbringen ist TMS «M» mit rechtsrheinischem Kurs in den Nebel eingefahren. Anschließend habe seine Führung die Orientierung verloren und sei nach linksrheinisch in der Kurs des MS «L» geraten, sodaß es dort zur Kollision gekommen sei.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Ansicht hat der Beklagte die Kollision nicht verschuldet, wogegen den Schiffsführer des Talfahrers ein Verschulden an dem Schiffszusammenstoß treffe. Nach dem Beweisergebnis stehe fest, daß MS «L» etwa am linken Fahrwasserrand zu Berg gefahren sei, während das TMS «M» nach dem blinden Hineinfahren des Fahrzeugs in den Nebel orientierungslos gewesen und infolgedessen nach Backbord in den Kurs des MS «L» geraten sei; dabei habe der Zeitraum vom Beginn des Drehens von TMS «M» bis zum Zusammenstoß höchstens eine Minute betragen. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten habe für den Bergfahrer lediglich noch die Möglichkeit bestanden, angesichts der drohenden Kollision über Funk zu versuchen, eine Kurskorrektur von TMS «M» zu erreichen; das habe die Führung des Bergfahrers auch versucht; sie sei aber zu TMS «M» nicht durchgekommen. Schallsignale hätten hingegen keine gezielte Kursänderung des Talfahrers erreichen können.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin wendet sich ohne Erfolg gegen das angefochtene Urteil. Entgegen ihrer Ansicht hat der Schiffsführer des TMS «M» die Kollision verschuldet. Hingegen trifft den Beklagten an dem Schiffszusammenstoß kein Verschulden.
1. Der Schiffszusammenstoß hat sich in einem Bereich ereignet, für den § 9.02 Nr. 1a) RheinSchPV die «Geregelte Begegnung» vorschreibt. In diesem Bereich müssen die Bergfahrer und die Talfahrer beim Begegnen ihren Kurs soweit nach Steuerbord richten, daß die Vorbeifahrt ohne Gefahr Backbord an Backbord stattfinden kann (§ 9.02 Nr. 2 RheinSchPV). Gegen diese Vorschrift hat hier der Talfahrer verstoßen. Nach den glaubhaften Bekundungen des an dem Unfall unbeteiligten Schiffsführers Pols vom MS «V» im Verklarungsverfahren, der mit seinem Fahrzeug etwa 1000 - 1100 m hinter MS «L» zu Berg gefahren ist und wegen des unsichtigen Wetters das Radargerät eingeschaltet hatte, verlief der Kurs dieses Schiffes in etwa am linken Fahrwasserrand, während das zu Tal fahrende TMS «M» sich zunächst rechtsrheinisch gehalten hat, dann aber mehr und mehr nach Backbord gekommen und zum Schluß mit dem zuletzt noch nach Steuerbord ausweichenden MS «L», und zwar deutlich linksrheinisch, zusammengestoßen ist; weiter hat der Zeuge angegeben, daß nach seiner Schätzung der Talfahrer sich etwa 200 m oberhalb des Bergfahrers befunden hat, als er begonnen habe auf den Kurs von MS «L» zuzudrehen, und danach bis zum Zusammenstoß höchstens eine Minute vergangen sei. Demnach ist davon auszugehen, daß der nach optischer Sicht fahrende Talfahrer nach der Einfahrt in den Nebel von seinem rechtsrheinischen Kurs nach Backbord abgekommen ist und dadurch die Kollision mit MS «L» verschuldet hat.
2. Die Klägerin hat im Berufungsrechtszug eingeräumt, daß TMS «M» nach dem Eintauchen des Schiffes in den Nebel orientierungslos geworden ist und - allerdings langsam - linksrheinisch geraten sei. Nach ihrer Ansicht trifft aber trotzdem den Talfahrer keine Schuld an dem Unfall, weil es « angesichts des plötzlich sichtbar werdenden Nebels » unverantwortlich gewesen wäre, unmittelbar vor der Nebelbank aufzudrehen, ohne zu wissen, ob sich Bergfahrt im Revier befindet; unverantwortlich wäre es auch gewesen, aus einer Fahrt mit 15 km/h zu Tal den Heckanker zu werfen oder TMS «M» ständig zu machen; in diesem Falle hätte die Gefahr bestanden, daß der Talfahrer «verfällt und möglicherweise mitten in der Fahrrinne unter Anker zu Hegen kommt»; deshalb wäre es allein richtig gewesen, die Fahrt aus dem Schiff zu nehmen, daß dessen Steuerungsfähigkeit erhalten bleibt, den Kurs rechtsrheinisch nach Möglichkeit beizubehalten und aufzudrehen, sobald klar ist, daß dies gefahrlos möglich ist; genau das habe der Schiffsführer des TMS «M» getan.
Hierzu ist zu bemerken: Nach den Angaben des Schiffsführers des TMS «M» im erklarungsverfahren hat er beim Durchfahren der Eisenbahnbrücke etwa bei Rhein-km 446,2 Nebel gesehen; dieser sei plötzlich da gewesen. Da sich die Brücke bei Rhein-km 445,5 befindet, war er mit seinem Fahrzeug noch etwa 700 m oberhalb des Nebels, als er diesen bemerkt hat, und zwar in einem Bereich, der nach den Aussagen der Zeugen S. (Wasser- und Schiffahrtsamt Mannheim) und Z. (Schiffsführer des MS «R») nebelträchtig ist. Eine solche Strecke hätte aber genügt, um mit TMS «M» zwischen der Brücke und dem Beginn des Nebels gefahrlos aufzudrehen oder ständig zu machen, zumal das Schiff nach den weiteren Angaben des Schiffsführers des TMS «M» auch mit einem Bugstrahlruder ausgerüstet ist. Daß TMS «M» nach der Lage im Revier ohne Schwierigkeiten noch oberhalb des Nebels hätte aufdrehen können, hat auch der bereits genannte Zeuge Z. bestätigt, der mit seinem Fahrzeug mit dem Talfahrer etwa 300 m oberhalb des Nebels begegnet ist. Überdies läßt sich weder den Bekundungen des Schiffsführers des TMS «M» noch denen des Eigentümers dieses Schiffes (der am Ruder des TMS «M» gestanden hat) im Verklarungsverfahren entnehmen, daß der Schiffsführer des TMS «M» die Fahrt seines Schifies nicht vor dem Nebel gefahrlos hätte unterbrechen können. Vielmehr fuhr dieser ohne Radarhilfe in den Nebel, dessen talwärtige Ausdehnung ihm unbekannt war, hinein, weil er annahm, daß es bald wieder heller werden würde oder, wie der Eigentümer dieses Schiffes bekundet hat, weil sie sehen wollten, wie weit der Nebel reicht. Im übrigen war das Verhalten des Schiffsführers des TMS «M» auch deshalb pflichtwidrig, weil er entgegen § 6.30 Nr. 1 RheinSchPV keinen Ausguck aufgestellt hat.
3. Richtig ist, daß der Beklagte vermittelst des Radargeräts eine Voraussicht von 1.600 m hatte und den Talfahrer dementsprechend frühzeitig wahrgenommen hat. Nicht zutreffend ist jedoch, daß er alsbald nach Erkennen des Talfahrers das Schallzeichen gemäß § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV (« einen kurzen Ton ») oder das Schallzeichen gemäß § 6.32 Nr. 5 Satz 1 RheinSchPV (« einen langen Ton ») hätte geben beziehungsweise die in dieser Vorschrift vorgeschriebene Sprechfunkdurchsage, insbesondere zum Standort, zum eigenen Kurs und zum Begegnungskurs, hätte machen müssen. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Standort oder der Kurs oder ein sonstigens Verhalten des Talfahrers eine Gefahrenlage verursachen konnte (vgl. § 6.32 Nr. 5 Satz 1 RheinSchPV).
Davon kann aber keine Rede sein, solange der Talfahrer seinen rechtsrheinischen Kurs beibehalten hat, der ihm übrigens bereits durch die im Unfallbereich geltende «Geregelte Begegnung» vorgegeben war. Auch konnte der Beklagte mangels jeder Sprechfunkdurchsage des Talfahrers nicht nur nicht wissen, daß dieser das Radargerät nicht eingeschaltet, damit keine Kenntnis von im Nebel entgegenkommenden Fahrzeugen hatte und trotzdem in den Nebel hineinfahren wollte. Vielmehr durfte er bis zur Erkennbarkeit des Kurswechsels des TMS «M» vertrauen, daß sich dessen Führung vorschriftsmäßig verhielt. Der Kurswechsel ist aber, wie ausgeführt (vgl. vorstehend unter 1.), höchstens eine Minute vor dem Zusammenstoß erfolgt, was übrigens auch den Angaben des Eigentümers des TMS «M» im Verklarungsverfahren zu entnehmen ist. Bei einer derart knappen Zeitspanne besteht aber kein hinreichender Anhalt dafür, daß noch durch Schallzeichen oder eine Sprechfunkdurchsage seitens des Bergfahrers die Kollision mit dem orientierungslos im Nebel herumirrenden Talfahrer hätte verhindert werden können. Zudem läßt sich nicht die Angabe von Schiffsführer Dehe im Verklarungsverfahren widerlegen, daß er sofort über Schiffsfunk den Talfahrer bei dessen Kursänderung angesprochen, jedoch keine Antwort erhalten hat.
4. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
a) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 13.05.1994 wird als unbegründet zurückgewiesen.
b) Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
c) Deren Festsetzung gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rhemschiffahrtsgericht Mainz.