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Leitsatz:
Ist die Entscheidungszuständigkeit der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt nicht gegeben, weil nicht die Entscheidung eines Rheinschiffahrtsgerichts angefochten wird und keine Zuwiderhandlung i. S. v. Art. 32, 34 Nr. 1 MA, sondern ein Vergehen i. S. v. § 12 Abs. 2 StGB (Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) gegeben ist, kann die Zuständigkeit der Berufungskammer auch nicht durch ausdrücklichen Antrag herbeigeführt werden.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 6.05.1994
314 S - 10/94
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Der Angeklagte ist Schiffsführer eines Motortankschiffs, das am 09.1 1.1991 etwa ah 22.00 Uhr in der Ortslage Engers bei Rhein-km 601 stillag. Gegen 23.00 Uhr kamen zwei Beamte der WSP an Bord.
Nach ihrer Ansicht ankerte das mit 600 t Methanol beladene Schiff entgegen den Bestimmungen des ADNR zu nahe am (rechten) Ufer. Sie forderten den Angeklagten auf, den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zum Ufer einzuhalten. Dadurch kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und den Beamten. Auf Grund einer Strafanzeige seitens der Wasserschutzpolizei erließ das Amtsgericht Neuwied gegen den Angeklagten am 03.12.1992 einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 50.00 DM wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB). Im Einspruchsverfahren hat der Verteidiger des Angeklagten die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Neuwied geltend gemacht und auf die Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts St. Goar gemäß § 2Abs. 3a BinSchVerfG hingewiesen. Danach hat die Staatsanwaltschaft Koblenz - nach Rücknahme ihres (ersten) an das Amtsgericht Neuwied gerichteten Strafbefehlsantrags - einen Strafbefehl des Schiffahrtsgerichts St. Goar erwirkt. Nach Einspruch des Angeklagten hat das Schiff¬fahrtsgericht ihn durch die angefochtene Entscheidung wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen ä 30 DM verurteilt; hingegen hat es einen Verstoß gegen § 113 StGB verneint.
Mit Schriftsatz vom 16.06.1993 hat der Verteidiger des Angeklagten gegen dieses Urteil „Rechtsmittel" eingelegt und erklärt, daß „das Rechtsmittel bezeichnet wird, sobald die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung vorliegt". In einem weiteren Schriftsatz vom 19.07.1993 hat er mitgeteilt, daß er „das Rechtsmittel als Berufung bezeichne". Auf schriftliche Anfragen des Gerichts vom 15.07. und 13.08.1993, ob mit dem Rechtsmittel eine Berufung bei der Berufungskammer der Zentralkommission durchgeführt werden soll, hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 26.08.1993 beantragt, „das Urteil dahin zu berichtigen, daß es sich mit ein Urteil des Rheinsehiffahrtsgerichts handelt." Ferner enthält der Schriftsatz den Antrag, „die Entscheidung der Berufungskammer der Zentralkommission herbeizuführen". Begründet hat er die Anträge damit, daß sich das Gericht in dem Urteil als Schiffahrtsgcricht bezeichnet habe, jedoch mit der Staatsanwaltschaft der Meinung sei, daß die Berufung an die Zentralkommission erfolgen kann.
Mit Beschluß vom 29.09.1993 hat das Rheinschiffahrtsgericht St. Goar den Berichtigungsantrag zurückgewiesen. Die Verhandlung, auf Grund deren das Urteil ergangen sei, habe in einer Binnenschifffahrtssache stattgefunden. Soweit sich der Verteidiger in seinem Berichtigungsantrag darauf bezogen habe, das Gericht habe bei ihm angefragt, ob das Rechtsmittel zur Berufungskammer der Zentralkommission eingelegt sein solle, beruhe dies darauf, daß er anläßlich eines Gesprächs mit dem Gericht von sich aus erklärt habe, er überlege sich, die Berufungskammer der Zentralkommission anzurufen.
Die Berufungskammer hat sich zur Annahme der Berufung des Beklagten für unzuständig erklärt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Im vorliegenden Fall handelt es sich zweifellos um das Urteil eines deutschen Schiffahrtsgerichts. Das folgt eindeutig aus dem Stratbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft, der offensichtlich auf den Vortrag des Verteidigers des Angeklagten im ersten Ein¬spruchsverfahren - an das „Schiffahrtsgericht" St. Goar gerichtet war, in Verbindung mit der Bezeichnung des „Schiffahrtsgerichts" St. Goar als erkennendes Gericht in dem Protokoll über die am 09.06.1993 durchgeführte Hauptverhandlung sowie der Benennung des erkennenden Gerichts als „Schiffahrtsgericht" im Urteilseingang.
Wird gegen ein solches Urteil, wie hier von dem Angeklagten, Berufung eingelegt, so ist die Berufungskammer zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel nicht zuständig. Vor ihr können zulässigerweise nur Entscheidungen der Rhcinschiffahrtsgerichte angefochten werden (Art. 34, 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte) - vgl. auch Urteil der Berufungskammer vom 02.09.1992, Akt.Z.: 265 B - 12/92 (veröf¬fentlicht in ZfB 1993 Nr. 4 S. 39). Daran kann der Antrag des Verteidigers des Angeklagten „die Entscheidung der Zuständigkeit der Berufungskammer der Rheinzentralkommission herbeizuführen" nichts ändern. Deren Entscheidungszuständigkeit wird ausschließlich durch die Vorschriften der Revidierten Rheinschiffahrtsakte bestimmt.
Im übrigen geht es in dem vorliegenden Strafverfahren nur um die Ahndung von Vergehen im Sinne von § 12 Abs. 2 StGB (Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte), die keine Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 32, 34 Nr. 1 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte sind. Diese allein fallen in den Zuständigkeitsbereich der Rheinschiffahrtsgerichte (vgl. Urt. der BK vom 07.12.1987, AktZ.: 204 S - 13/87 und 209 S - 15/87, ZfB 1989 S. 179 bzw. S. 89; vgl. auch Urt. der BK vom 28.10.1980, AktZ.: 121 S - 8/80. ZfB 1981, 168)....."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1994 - Nr.22 (Sammlung Seite 1501 f.), ZfB 1994, 1501 f.