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Leitsatz:
Haftung eines Hafenbetriebes für Schiffsund Ladungsschäden eines an einem Hafenliegeplatz festgemachten Schiffes, auf das sich aus einem am Ufer befindlichen Wasserrohr, erhebliche Wassermassen ergießen, ohne daß der Schiffsführer aufgrund geeigneter Hinweise der Hafenverwaltung bei der Wahl des Liegeplatzes die Möglichkeit einer plötzlichen Wassereinleitung hätte in Betracht ziehen können oder müssen.
Urteil des Schiffahrtsobergerichts in Köln
vom 20. November 1988
3 U 88/87
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Revision der Beklagten gern. Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 13. Juni 1988 - II ZR 356/87 - nicht angenommen.
Zum Tatbestand:
An einem Freitag im August 1985 traf das mit 850t Kali beladene und bei dem Kläger versicherte MS B in dem von der Beklagten betriebenen Hafen K. ein, wo dem Schiffer mitgeteilt wurde, daß die Löschung am Montag beginnen werde. Nachdem der Schiffer sein Schiff an einer Spundwand des Hafens befestigt hatte, verließ die Besatzung am Abend das Schiff, um Verwandtenbesuch zu machen. Am nächsten Tage ergossen sich aus einem über dem Schiff am Ufer befindlichen Auslaufrohr (Durchmesser: ca. 1,80 m) des Pumpwerkes eines Mühlenbaches erhebliche Wassermassen auf den mittleren Laderaum und drückten die Aluminiumluke nach unten. Dadurch drang Wasser in den Laderaum, beschädigte den größten Teil der Ladung und die Habe des Schiffers in den anderen Räumen sowie die Decksküche. Die Pumpen hatten sich wegen Erreichens einer bestimmten Wasserhöhe des Baches automatisch eingeschaltet.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung des auf ihn übergegangenen Schadensanspruches von mehr als 62000,- DM mit der Begründung, daß die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Dem Führer des Schiffes sei auf die Frage, wo das Schiff anlegen könne, vom Verlademeister erklärt worden, er möge sich so weit wie möglich nach vorn an die Kaimauer legen.
Die Beklagte behauptet, daß sich der Schiffer überhaupt nicht ordnungsgemäß bei der Hafenverwaltung gemeldet habe. Es sei ihm anzulasten, daß das Fahrzeug ohne Bordwache zurückgelassen worden sei, zumal es mit Chlorkalium, einem gefährlichen Ladegut der Kategorie III c ADNR, beladen gewesen sei. Ein Hinweisschild sei nicht erforderlich gewesen, da der Schiffsführer habe erkennen können, daß aus einem solchen Rohr Wasser austreten könne. Die Schadenshöhe werde nicht anerkannt; Wasser sei in die anderen Laderäume und die Wohnungen nur eingedrungen, weil die Schottwände nicht dicht bzw. die Kleppen nicht geschlossen gewesen seien. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten nicht angenommen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Die Beklagte unterhält den Hafen K. und ist daher verpflichtet, die Hafenanlagen und Einrichtungen des Hafens so zu gestalten, daß von ihne keine - durch den Einsatz zumutbarer Mittel - vermeidbaren Gefahren für die Hafenbenutzer ausgehen (vgl. zur Verkehrssicherungspflicht auch OLG Karlsruhe VersR 72, 345). Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte verstoßen, indem sie einen Liegeplatz für Schiffe im unmittelbaren Bereich des Wassereinlaufs errichtete, einen Dalben mit Haken zum Festmachen direkt neben dem Wasserrohr aufstellen ließ und so insbesondere in den Zeiträumen, in denen keine Einleitung von Wasser durch das Rohr in den Hafen stattfand, zu einer Irreführung der Benutzer beitrug. Diese konnten nämlich dazu veranlaßt werden, ihr Schiff unterhalb des Einleitungsrohres festzumachen, in der Annahme, der gewählte Liegeplatz sei sicher. Tatsächlich gingen aber von dem Einleitungsrohr - aufgrund der mit dem Rohr verbundenen automatischen Pumpsteuerung - Gefahren aus, -die sich in einer plötzlichen Wassereinleitung äußerten, wenn das Wasser des L. Mühlenbaches einen bestimmten Pegelstand erreichte. Die Beklagte, die diese Zusammenhänge kannte und wußte, daß es zu ganz erheblichen Wasserergüssen aus dem Einleitungsrohr kommen konnte, hätte daher verhindern müsen, daß sich Schiffe an der Stelle unterhalb des Wassereinleitungsrohres hinlegen konnten. Sie hätte dies durch geeignete - zumutbare - Maßnahmen auch erreichen können, z. B. durch die Entfernung von Festmachmöglichkeiten (Polier, Dalben mit Haken), oder durch Anbringung eines Gitters im Einleitungsbereich des Rohres oder durch Verwendung eines Einleitungsstutzens oder durch Kennzeichnung der Stelle mit einem Liegeverbot. Schon die Aufstellung eines entsprechenden Verkehrszeichens (Liegeverbot) wäre geeignet gewesen, normale Hafenbenutzer davon abzuhalten, ihr Schiff in dem gesperrten Bereich festzumachen. Die Annahme der Beklagten, der Schiffsführer von MS „Berlemar" hätte ein entsprechendes Liegeverbot nicht beachtet, ist lediglich eine Vermutung, die sich nicht auf beweisbare Tatsachen gründet.
...
Soweit die Beklagte ein Mitverschulden des Schiffers von MS B daraus herleitet, daß auch dieser das Einleitungsrohr habe erkennen können und deshalb sein Schiff nicht unterhalb des Wassereinlaufs habe ablegen dürfen, hat das Schiffahrtsgericht bereits zutreffend dargelegt, daß der Schiffsführer nicht mit Gefahren der aufgetretenen Art habe rechnen müssen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.6 (Sammlung Seite 1241); ZfB 1988, 1241