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Leitsatz:
Zur Verkehrssicherungspflicht der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, den Schiffsverkehr zu warnen, wenn eines der zur Kennzeichnung hochgradiger Gefahrenstellen ausgelegten Fahrwasserzeichen infolge Hochwassers oder anderer Ursachen unsichtbar geworden ist.
Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht - in Köln
vom 20. Februar 1987
3 U 274/85
(Schifffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Das auf der Mosel bei km 163,2 zu Berg fahrende MS H war gegen die dort ausgelegte rote Tonne gefahren und hatte dabei Schäden an der Schraube in Höhe von etwa 31450,- DM erlitten. Die sich auf Forderungsübergang stützende Klägerin verlangt Ersatz dieses Schadens, weil die Bediensteten der beklagten Wasser- und Schiffahrtsverwaltung den Schiffsführer des MS H nicht darauf hingeweisen hätten, daß die Tonne wegen der Wasserführung der Mosel umgekippt und daher nicht sichtbar gewesen sei, auch kein Radarecho mehr abgegeben habe. Die Tonne habe sich ferner nicht mehr an ihrem Liegeplatz befunden. Andere Schiffsführer seien gewahrschaut worden.
Die Beklagte hat unter der Erhebung einer Widerklage auf Zahlung von etwa 1700,- DM vorgetragen, daß der Schiffsführer infolge Unaufmerksamkeit allein die Schuld am Unfall trage, zumal er die gleichfalls umgekippten schwarzen Tonnen ohne Schwierigkeiten passiert habe. Er habe aus nautischen Gründen nicht in die Nähe der roten Tonne kommen dürfen. Wegen der hohen Wasserstände sei mit dem Verlust der Tonne zu rechnen gewesen.
Das Schiffahrtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Widerklage antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten wurde hinsichtlich der Widerklage zurückgewiesen, im übrigen wurde ihr in vollem Umfang stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Bediensteten der Beklagten haben sich gegenüber der Besatzung des MS H keiner Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG schuldig gemacht. Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, daß die Bediensteten der Beklagten eine nach der Situation gebotene Wahrschau des MS H schuldhaft unterlassen haben. Mit dem Schiffahrtsgericht ist davon auszugehen, daß die Beklagte im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht auf der Mosel grundsätzlich gehalten ist, den Schiffsverkehr zu warnen, wenn eines der zur Kennzeichnung hochgradiger Gefahrenstellen ausgelegten Fahrwasserzeichen nicht mehr sichtbar ist. Denn einerseits wird dann die Möglichkeit, die Gefahrenstelle zu meiden, eingeschränkt und andererseits besteht die Gefahr, daß die Tonne angefahren wird.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich jedoch ergeben, daß der Einfluß von Hochwasser auf die Sichtbarkeit von Fahrwasserzeichen im Radarbild unterschiedlich ist. Der sachverständige Zeuge H., der technischer Angestellter des Seezeichenversuchsfeldes Koblenz ist, hat dargelegt, daß bei Hochwasser eine umgekippte Tonne zunächst im Radarbild nicht mehr erkennbar ist. Das ändere sich aber, so hat H. weiter ausgeführt, wenn sich das wachsende Wasser an der Tonne anstaut, hinter der Tonne eine Mulde bildet und dann hinter der Tonne wieder zusammefließt. Hierzu hat der Zeuge auch Fotos in der mündlichen Verhandlung vorgelegt, die diesen Vorgang deutlich wiedergeben. Der Zeuge hat nach seinen Angaben durch Versuche unter gleichen Bedingungen, wie sie zur Zeit des Unfall herrschten, insbesondere bei gleichem Wasserstand, mit einem vergleichbaren Decca-Radargerät und von einem vergleichbaren Fahrzeug aus festgestellt, daß die die geschilderte Wasserbewegung verursachende umgekippte Tonne im Radarbild auf 200 m Abstand gut sichtbar gewesen sei.
Aus den überzeugenden Bekundungen des sachverständigen Zeugen H. in Verbindung mit zu den Akten gereichten Privatgutachten des Zeugen, das allerdings nur Parteivortrag darstellt, jedoch die von dem Zeugen bezogenen Versuche dokumentiert, sowie den neuen Fotos entnimmt der Senat, daß für die Beklagte zunächst die Notwendigkeit bestanden haben mag, die Schiffahrt zu wahrschauen, als durch das Hochwasser Tonnen umkippten. Zur Unfallzeit bestand aber wegen des inzwischen eingetretenen erhöhten Wasserstandes, der die umgekippten Tonnen im Radarbild wieder sichtbar werden ließ, keine weitere Notwendigkeit mehr zu Hinweisen an die Schiffahrt. Insoweit folgt der Senat dem ausdrücklichen Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz. Unter diesen Umständen kann aus der Tatsache, daß andere Fahrzeuge gewahrschaut worden sind, ein Hinweis aber an MS H unterblieben ist, keine Pflichtverletzung der Bediensteten der Beklagten gegenüber der Besatzung des MS H gefolgtert werden. Vielmehr muß nach Lage der Sache angenommen werden, daß in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt keine Wahrschau mehr erforderlich war, weil die umgekippten Tonnen für die Besatzung des MS H wieder sichtbar geworden waren. Der Senat verkennt nicht, daß die Zeugen 1., die beide zur Unfallzeit als Schiffsführer im Steuerstuhl des MS H gewesen sind, im Radarbild kein Echo der dann von ihrem Schiff angefahrenen Tonne festgestellt haben wollen. Ihren Aussagen entnimmt der Senat jedoch nicht, daß tatsächlich die Tonne nicht sichtbar gewesen ist....
Ebenso läßt sich nicht ausschließen, daß beide Zeugen ihre Aufmerksamkeit mehr der Brücke bei Thörnich gewidmet und deshalb der bei Mosel-km 163,200 ausliegenden roten Tonne keine besondere Aufmerksamkeit zugewandt haben, als diese Tonne bei einem Abstand von 200 m sichtbar wurde. Hierfür spricht, daß die Zeugen 1. streckenkundig waren, mindestens Schiffsführer 1. den durch die Tonne markierten vorspringenden Grund kannte und sich beiden Zeugen eine Gefahrenlage hätte aufdrängen müssen, wenn die dort ausgelegte Tonne nicht sichtbar gewesen wäre. Davon aber haben diese Zeugen bei ihrer Vernehmung vor dem Senat nicht gesprochen. Nach ihren Aussagen haben beide Zeugen keine Tonne gesehen und auch keine Tonne vermißt. Diese Umstände sprechen dafür, daß sie das Unfallrevier nicht mit der gebotenen Sorgfalt im Radarbild überprüft haben. Sie wären sonst auch nicht an den Rand des Fahrwassers geraten, wo die Tonne lag. Sie haben nach ihren Bekundungen bereits die Echos der Brücke von Thörnich auf dem Radarschirm gesehen. Sie können deshalb durchaus die Vorstellung gehabt haben, es genüge, die Brücke anzuhalten, um gefahrlos weiterfahren und dann die Brücke passieren zu können. Dabei können sie das Echo der Tonne bei Mosel-km 163,200 übersehen haben. Unter den obwaltenden Umständen ist eine Amtspflichtverletzung zum Nachteil der Besatzung des MS H nicht feststellbar.
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Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.2 (Sammlung Seite 1220); ZfB 1988, 1220