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Leitsatz:
Zur Verkehrssicherungspflicht der Verkehrsverwaltung auf der Mosel kurz nach der Eröffnung der Moselschiffahrt.
Urteil des Oberlandesgerichts – Schiffahrfsobergerichts Köln
vom 13. Januar 1967
3 U 214/66
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Das bei der Klägerin versicherte, mit Eisen beladene MS V (460 t gro)) rakte am 24. 6. 1964 auf der Talfahrt bei Mosel-km 56,8, wo noch Bagger- und Meißelschiffe am Ausbau der Fahrrinne arbeiteten. Die Klägerin verlangt Erstattung des durch das Raken an „Vrede III entstandenen Schadens mit der Behauptung, dal; die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe.
Die Beklagte bestreitet ein Verschulden. Die Voraussetzungen für die Eröffnung des Schiffsverkehrs auf der Mosel seit dem 1. 6. 1964 seien durch Peilung der benötigten Solltiefe festgestellt worden. In der Zeit seit Erledigung dieser Arbeiten bis zum Unfall hätten sich die Verhältnisse im Strombett nicht so ändern können, daß eine Grundberührung möglich gewesen wäre.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte sieht der Senat darin, daß die Beklagte am 1. Juni 1964 auf der Mosel den Verkehr eröffnet hat, obwohl dieser Verkehr an der hier maßgeblichen Stelle bei km 56,8 für die durchgehende Schiffahrt noch mit einem erheblichen Risiko verbunden war. Denn die Mosel war an dieser Stelle noch eine Großbaustelle. Nur eine behelfsmäßige Fahrrinne war befahrbar. Darüber hinaus ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz, daß mit Hindernissen im Bereich der Baustelle gerechnet werden mußte. Traten aber in der provisorischen Fahrrinne, insbesondere in der Nähe der Bagger- und Meißelschiffe Hindernisse auf, so konnte von einer gefahrlosen Schiffahrt keine Rede sein. Dafür hat aber gerade die Beklagte einzustehen, wenn sie den Verkehr auf der Mosel eröffnete. Durch den Einsatz von Streckenberatern konnte sie zwar die Gefahr für die Schifffahrt mindern, ihre Haftung für gleichwohl entstehende Schäden aber nicht ausschließen. Welche Gründe im übrigen die Beklagte veranlaßt haben mögen, den Verkehr vor Fertigstellung der Fahrrinne zu eröffnen, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne jede Bedeutung.
Die von der Beklagten in der Berufungsinstanz vertretene Ansicht, sie habe im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren alles getan, um eine gefahrlose Schiffahrt auf der Mosel zu gewährleisten, reicht zum Ausschluß ihrer Haftung nicht aus. Auch wenn die Fahrrinne in Höhe der hier in Rede stehenden Baustelle jedesmal nach den Arbeiten mit Peilrahmen und Echolot nachgemessen und durch sonstige Maßnahmen sorgfältig überprüft wurde, wurde hierdurch nicht jedes vermeidbare Risiko für die Schiffahrt ausgeschlossen, da ständig neue Hindernisse durch die Bauarbeiten auftreten konnten, die bis zu ihrer alsbaldigen Beseitigung schon Gefahren heraufbeschworen. Solange ein derartiges Risiko vorhanden war, durfte die Beklagte den Verkehr nicht eröffnen.
Die Auffassung der Beklagten, die Schiffsführung von MS V habe durch die Benutzung der Mosel in dem damaligen Zustande ein eigenes Risiko auf sich genommen, geht fehl. Denn durch die Eröffnung der Mosel als Wasserstraße hat die Beklagte zu erkennen gegeben, daß keine Gefahr für die Schiffahrt durch die Benutzung dieser Wasserstraße bestehe.
Der Grund des Rakens ist nach dem Beweis des ersten Anscheins darin zu sehen, daß das noch nicht fertiggestellte Fahrwasser ein Hindernis aufwies, wobei gleichgültig ist, ob es sich um Geröll, Fels oder Geschiebe handelte. Denn V lag mit einer Abladung von 2,22 m noch unter der Grenze von 2,30 m, die die Beklagte in ihrer Bekanntmachung Nr. 32/1964 vom 4. 6. 1964 für die Fahrt oberhalb von Cochem angegeben hatte und hielt mit 3 bis 4 km/h auch eine Geschwindigkeit ein, die nach den örtlichen Verhältnissen nicht zu schnell war. Daß V auf einem Gegenstand gerakt hätte, dessen Vorhandensein im Fahrwasser die Beklagte nicht zu vertreten hat, also kurz vorher verlorene Frachtstücke, Anker oder ähnliche Sachen, ist nach der gesamten Sachlage so fernliegend, daß eine solche Annahme aus dem Kreis der Erwägungen ausgeschlossen werden kann, zumal der Verkehr auf der Mosel erst am 1. Juni 1964 eröffnet worden war und die Beklagte nicht einmal behauptet, daß ihr Verlustmeldungen für den hier in Rede stehenden. Teil des Reviers erstattet worden seien, oder daß sie derartige Gegenstände in der Mosel bei späteren Untersuchungen festgestellt habe.
Ein Mitverschulden der Schiffsführung von MS V, das sich die Klägerin entgegenhalten lassen müßte, liegt nicht vor. Sollte das Hindernis, auf dem V gerakt hat, durch die Bagger- oder Meißelschiffe herbeigeführt worden sein, kann das der Schiffsführung von V nicht angelastet werden. Auch trifft sie nicht der Vorwurf, sich diesen Schiffen zu weit genähert zu haben. Denn es brauchte nicht damit gerechnet zu werden, daß sich in der Fahrrinne, die von dem Streckenberater angegeben wurde, Hindernisse befänden. Auch wenn die Arbeitsschiffe V den Weg freimachten, durfte sich die Schiffsführung darauf verlassen, diese Strecken des Reviers gefahrlos passieren zu können. Wenn durch notwendige Arbeiten jener Schiffe Gefahren für die durchgehende Schiffahrt geschaffen wurden, hätte die Beklagte die Strecke ganz oder zeitweise sperren müssen."