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3 U 199/80 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 23.03.1981
Numéro de référence: 3 U 199/80
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Köln
Section: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zum Umfang der behördlichen Verpflichtung, nach Schiffahrtshindernissen in der Wasserstraße, z. B. nach abgefahrenen Radarbaken, zu suchen.

Urteil des Oberlandesgerichts – Rheinschiffahrtsobergerichts Köln

vom 27. März 1981

3 U 199/80

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Eine ursprünglich am Buhnenkopf bei Rheinkm 776,8 befestigte Radarbake war, wie Bedienstete der beklagten Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes am 12. Februar 1979 erstmals festgestellt und die sie bis zum 21. Februar 1979 vergeblich wiederzufinden versucht hatten, abgefahren worden. Das bei der Klägerin versicherte, mit Stammholz beladene MS F geriet am 10. Juli 1979 auf der Bergfahrt bei Rheinkm 777,2 - etwa 20 bis 30 m aus den linksrheinischen Kribben - auf die der Beklagten gehörende, auf Grund liegende Radarbake. Dabei wurden die Flügel des Propellers von MS F beschädigt, die Außenhaut an der Achterpick im Tunnelbereich durchgedrückt und ein Stück Beplattung vom Mittelruder abgerissen.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht Ersatz des erstatteten Schadens von ca. 22280,- DM.
Die Beklagte hat eine Verletzung ihrer Pflichten bestritten, da sie nach Maßgabe der vom Bundesverkehrsminister erlassenen „Richtlinien für die Verkehrssicherung auf dem Rhein" vom 1. Oktober 1974 nach der Radarbake am 12., 13. und 21. Februar 1974 mit dem Boot „ERFT" und mit Hilfe eines Echographen - vergeblich - habe suchen lassen.
Rheinschiffahrts- und Rheinschiffahrtsobergericht haben die Klage abgewiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:
„...

                                                                    I.

Nach § 14 Abs. 2 BSchVerfG sind Rheinschiffahrtssachen nur die in den Art. 34 und 34 bis der revidierten Rheinschifffahrtsakten bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Straf- sowie Bußgeldsachen, die sich auf Vorgänge auf dem Rhein abwärts von der deutsch-schweizerischen Grenze bei Basel beziehen.
In den genannten Artikeln der revidierten Rheinschiffahrtsakte ist die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte im einzelnen geregelt. Sie enthalten keine Bestimmung, aus der sich die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergibt.
...

......... hat die Rechtsprechung schon seit vielen Jahren die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, insbesondere durch die für den deutschen Teil des Rheins unterhaltspflichtige Bundesrepublik bejaht (BGHZ 60, 92, 95, 96, 97, 98 m.w.N.).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zugleich eine Amtspflichtverletzung darstellt und damit eine Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG begründet.
Klagen gegen die Bundesrepublik, die auf eine Amtspflichtverletzung gestützt sind, sind keine Rheinschiffahrtssachen. Für solche Rechtsstreitigkeiten ist die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nicht gegeben (BGHZ 45, 237; BGH VersR 1980, 1025).
Für den vorliegenden Fall kommt es deshalb darauf an, ob die der Beklagten hier vorgeworfene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht - die Richtigkeit des Klagevortrags unterstellt - einen Amtshaftungsanspruch begründet. Auszugehen ist von dem Wesen und der rechtlichen Zuordnung der Verkehrssicherungspflicht.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Quelle der Verkehrssicherungspflicht nicht das Rechtsverhältnis, das durch Begründung des Eigentums oder des öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses entsteht, sondern der davon rechtlich unabhängige Tatbestand, daß nach den gegebenen Verhältnissen von der Sache eine besondere Gefahr für Dritte ausgeht.

Die Haftung für Schäden, die aus dieser objektiven Gefahrenlage erwachsen können, bedarf einer rechtlichen Normierung in der Form eines gesetzlichen Schuldverhältnisses.
Mangels einer gesetzlichen Regelung entspricht es allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen, den Grundgedanken des § 836 BGB, der letztlich einen besonderen Einzelfall der Verkehrssicherungspflicht regelt, auf alle Fälle gleicher Art analog anzuwenden.
Da somit die Haftungsgrundlage nicht das privatrechtliche oder öffentliche Sachherrschaftsverhältnis, sondern die Tatsache der vom Gegenstand ausgehenden Gefährdung Dritter bildet, macht es für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied, ob eine Privatperson als Gründstücksbesitzer oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft - hier der Staat - für einen Schaden aus der Vernachlässigung ihrer Verkehrssicherungspflicht einzustehen hat. Es handelt sich in jedem Fall um eine deliktische, also privatrechtliche Haftung (BGHZ 9, 373, 386, 387).
Ob nun die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zugleich eine Amtspflichtverletzung darstellt, hängt davon ab, wie die Pflicht zur Sicherung des Verkehrs für den in Rede stehenden Bereich ausgestaltet ist.
Nach § 7 Abs. 1 WaStrG sind die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen und der Betrieb der bundeseigenen Schifffahrtsanlagen Hoheitsaufgaben des Bundes.
Zur Unterhaltung der Binnenwasserstraßen gehört gem. § 8 Abs. 1 WaStrG die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserablauf und die Erhaltung der Schiffbarkeit.
Angesichts dieser gesetzlichen Bestimmungen liegt die Annahme nahe, daß die Beklagte bei der Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht auf den Bundeswasserstraßen hoheitsrechtlich tätig ist. Nun braucht aber die öffentliche Hand eine ihr obliegende Hoheitsaufgabe nicht mit den Mitteln der Obrigkeitsverwaltung (durch Anwendung von Befehlen, Zwangs- und Machtmitteln) zu erfüllen, sondern kann sie auch im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung (durch Ausübung von Schutz und Fürsorge) bewältigen (BGH NJW 1962, 796). Zum Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung gehören in aller Regel die Aufgaben auf dem Gebiet der Daseinsfürsorge. Auch die Verkehrssicherungspflicht wird der schlichten Hoheitsverwaltung zugeordnet (Palandt Thomas, 40. Aufl., zu § 839 BGB, Anm. 2 c, aa). Im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung kann die öffentliche Hand aber wählen, ob sie der ihr obliegenden Aufgabe als Fiskus, also privatrechtlich, oder als Träger öffentlicher Gewalt, also hoheitsrechtlich, genügen will. Soll die in Rede stehende Aufgabe in der letztgenannten Form erfüllt werden, dann bedarf es dazu einer der Allgemeinheit gegenüber kundgegebenen ausdrücklichen Erklärung und einer entsprechenden Gestaltung der Verwaltung im Rahmen der Organisationsgewalt der zuständigen Organe. Verlangt wird ein Organisationsakt, aus dem sich ergibt, daß die betreffende Verwaltungstätigkeit hoheitlich ausgestaltet ist (BGHZ 9, 373, 387, 388; BGH VersR 1961, 653, 654; BGH VersR 1980, 1025, 1026).
Unbestreitbar hat die Beklagte die Bewältigung. ihrer Verkehrssicherungspflicht auf den Bundeswasserstraßen in besonderer Weise organisiert. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist eigens dafür zuständigen Behörden übertragen worden. Es handelt sich dabei um die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen und die Wasser- und Schiffahrtsämter. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte ebenfalls geregelt. Zumindest besteht eine entsprechende Regelung für den Rheinstrom. Insoweit gelten die vom Bundesminister für Verkehr erlassenen Richtlinien für die Verkehrssicherung auf dem Rhein vom 1. Oktober 1974. Diese bestimmen im einzelnen, welche Maßnahmen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zu treffen sind. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben sind die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen und die Wasser- und Schiffahrtsämter befugt, allgemeine Anordnungen zu treffen und im Einzelfall Weisungen zu erteilen. Dazu gehört die Befugnis zum Erlaß strompolizeilicher und schiffahrtspolizeilicher Verfügungen bzw. Anordnungen (Ziffer 9 Nr. 3, Ziffer 10 Nr. 6, Ziffer 14 der genannten Richtlinien). Die gesetzliche Grundlage bieten dafür die Vorschriften der §§ 24 und 28 WaStrG. Danach können u. a. strompolizeiliche Maßnahmen gegen die Person gerichtet werden, die ein Schiffahrtshindernis geschaffen hat, durch das die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf einer Bundeswasserstraße beeinträchtigt wird (§§ 25, 28, 30 WaStrG). Daß es sich dabei um den Einsatz staatlicher Machtmittel im Zusammenhang mit der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht handelt, kann nicht zweifelhaft sein.
Wenn aber die Beklagte ihre Pflicht zur Sicherung des Verkehrs auf den Bundeswasserstraßen schon in der geschilderten Weise organisiert hat und sich zur Erfüllung derselben sogar staatlicher Machtmittel gegenüber Dritten bedienen kann, drängt sich die Feststellung auf, daß die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten für die Bundeswasserstraßen hoheitlich ausgestaltet ist. An dieser Feststellung sieht sich der Senat jedoch wegen der anderweitigen Auffassung des Bundesgerichtshofes gehindert. Nach dessen Rechtsprechung fehlt für diese Annahme - und zwar auch in Ansehung der Vorschriften des Bundeswasserstraßengesetzes -, nach wie vor der dazu erforderliche Organisationsakt (BGH VersR 1980, 1025, 1026). Dies ist indessen schwerlich nachvollziehbar, zumal der Bundesgerichtshof nicht dargetan hat, wie der von ihm vermißte Organisationsakt eigentlich noch beschaffen sein müßte, um annehmen zu können, daß die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht für die Bundeswasserstraßen hoheitlich ausgestaltet hat. Nicht ohne Grund ist deshalb auch schon in der Literatur die von der Rechtsprechung erhobene Forderung, daß die Annahme einer hoheitlichen Tätigkeit einen entsprechenden, der Allgemeinheit bekannt gemachten Organisationsakt voraussetze, als mißverstandenes kommunales Anstaltsrecht bezeichnet worden, das ganz unpraktikabel sei (von Münch-Salzwedel, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Bd. 1969, S. 481). Im Hinblick auf die gegenteilige Meinung des Bundesgerichtshofes sieht der erkennende Senat aber letztlich keine Möglichkeit, von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Erfolg abzuweichen.
Anders wäre es nur dann, wenn es sich bei der hier in Rede stehenden Tätigkeit der Beklagten nicht nur um eine Maßnahme zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht, sondern zugleich um eine solche der Verkehrsregelung handeln würde, die stets hoheitlichen Charakter hat (BGH VersR 1980, 1025, 1026). Das ist indessen nicht der Fall. Denn die Beseitigung eines auf der Stromsohle liegenden Hindernisses dient nicht der Regelung des Schiffsverkehrs.
Aus Vorstehendem folgt, daß für die vorliegende Klage nur § 823 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, so daß der Rechtsstreit auch vor den Rheinschiffahrtsgerichten verfolgt werden kann.

                                                                                      
                                                                        II.

In der Sache ist die Klage unbegründet.
Der Unfall von MS F ist nicht auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zurückzuführen. Vielmehr haben die Beklagte bzw. die ihr nachgeordneten Behörden ihren diesbezüglichen Pflichten genügt. Wie die vom Rheinschiffahrtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, sind bei der Suche nach der abgefahrenen Radarbake die vom Bundesminister für Verkehr erlassenen Richtlinien vom 1. Oktober 1974 im wesentlichen eingehalten worden. Danach ist nach einem Schiffahrtshindernis in der Wasserstraße in der Weise zu suchen, daß die Suche auf eine Fläche von 200 m unterhalb bis 200 m oberhalb und auf je 50 m nach beiden Seiten der vermuteten Liegestelle des Hindernisses auszudehnen ist. Bleibt dies ohne Erfolg, ist die Suche zweimal zu wiederholen.
Hier ist am 12. Februar 1979 zunächst im Bereich der früheren Befestigungsstelle der Radarbake mit Haken nach dieser gesucht worden. Da sie nicht gefunden werden konnte, wurde die Suche am nächsten Tag mit dem Boot E und unter Einsatz eines Echographen fortgesetzt. Dabei ist nach den schon mehrfach erwähnten Richtlinien des Bundesministers für Verkehr vom 1. Oktober 1974 verfahren worden. Da auch diese Suchaktion erfolglos blieb, ist sie in derselben Weise nochmals am 21. Februar 1979 wiederholt worden, wobei sogar bis 300 m unterhalb des ursprünglichen Standortes der Bake gesucht wurde.
...
Die von der Beklagtenseite durchgeführten Maßnahmen reichten entgegen der Meinung der Klägerin zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht aus.
Wenn ein in den Rheinstrom gelangter Gegenstand nicht innerhalb des nach den Richtlinien vom 1. Oktober 1974 abzusuchenden Bereichs aufzufinden ist, muß davon ausgegangen werden, daß er durch die Strömung oder auf andere Weise weiter vertrieben wurde, wobei dann auch in aller Regel nicht abzuschätzen ist, wohin und wie weit er sich verlagert haben könnte, weil insoweit vielfältige Möglichkeiten bestehen. Daß unter diesen Umständen weitere Suchaktionen, selbst wenn sie auf einen weit größeren Strombereich erstreckt würden, nahezu aussichtslos sind, bedarf keiner weiteren Erörterung. Eine nicht erfolgversprechende Suchaktion kann aber weder verlangt werden, noch ist sie zumutbar, weil der damit verbundene Personal-, Material- und Kostenaufwand - gemessen an der Erfolgschance - ganz unverhältnismäßig hoch wäre.
Schließlich kann auch keine Rede davon sein, daß das bei den Suchaktionen eingesetzte Personal zumindest teilweise für eine solche Aufgabe nicht geeignet gewesen sei. Die entsprechende Behauptung der Klägerin ist unzutreffend.
...“