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Leitsatz:
Der Schiffsführer eines Schubverbandes ist verpflichtet, selbst zu prüfen oder durch sein Personal prüfen zu lassen, ob der von der Reederei der Schubleichter angegebene Tiefgang mit der tatsächlichen Eintauchung und den durch den Wasserstand gegebenen Tiefgangsmöglichkeiten übereinstimmt.
Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergericht in Köln
vom 13. Juni 1986
3 U 183/83
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
An der Verladebrücke der Union-Kraftstoff lagen im Juni 1980 linksrheinisch das TMS O, ferner kurz unterhalb TMS O mit dem Tankleichter M auf Seite. Eignerin bzw. Ausrüsterin aller Schiffe war die Klägerin. Gegen 5.15 Uhr kam ein beladener Schubverband zu Berg, bestehend aus Schubboot T - Eignerin die Beklagte zu 2 - und dem der Beklagten zu 1 gehörenden H (an der Spitze) sowie H. Der vom Beklagten zu 3 geführte Verband verfiel und fuhr gegen TMS O und TSL M; ferner kollidierten H und TMS O.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten zu 1 bis 3 Ersatz des entstandenen Schadens in Höhe von etwa 54500,- DM mit der Begründung, daß die beiden Leichter zu tief abgeladen gewesen seien, nämlich auf 3,59 m bzw. 3,85 m, während die Sollsohle bei 3,59 m lag. Die Beklagten beantragen Klageabweisung. Die Beklagte zu 1 bestreitet eine zu tiefe Abladung. Ihr Sachbearbeiter Q. habe die Anweisung gegeben, die Leichter auf 3,40 m abzuladen. Sie habe auch nicht für einen Navigationsfehler der Besatzung einzustehen. Die Beklagten zu 2 und 3 behaupten, der Sachbearbeiter Q. habe eine zu geringe Abladetiefe von 3,40 m angegeben; auf diese Angabe habe sich der beklagte Schiffsführer verlassen dürfen. Die Beklagte zu 2, über deren Vermögen in den Niederlanden da Konkursverfahren eröffnet worden war, macht geltend, daß wegen des zwischenzeitlichen Verkaufs des Schubboots eine dingliche Haftung nicht mehr in Betracht komme. Außerdem sind die Beklagten zu 2 und 3 der Auffassung, daß der Schubbootführer mit der Stauung und Beladung der Leichter nichts zu tun habe. Angaben eines Angestellten des Leichtereigners über die tatsächliche Ladetiefe habe er nicht nachzuprüfen. Für eine zu tiefe Abladung sei allein der Leichtereigner verantwortlich. Schließlich habe MTS O und .Leichter M mitten im Fahrwasser gelegen. Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage dem Grund nach für gerechtfertigt erklärt. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat in einem Teilurteil die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen, das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 abgetrennt und die Berufung gegen den Beklagten zu 3 zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die Entscheidung über ein mögliches Mitverschulden der Klägerin dem Verfahren zur Höhe vor dem Rheinschiffahrtsgericht vorbehalten wird.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Der Beklagte zu 3) ist aus unerlaubter Handlung, §823 Abs. 1 BGB, der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Er hat schuldhaft die Grundberührung und das infolgedessen verursachte Verfallen des Schubverbandes herbeigeführt, was wiederum die - voraussehbare - Ursache für die Beschädigung der Schiffe der Klägerin gewesen ist. Wie der Beklagte zu 3) selbst ausdrücklich einräumt, lag die Ursache der Grundberührung in der zu tiefen Abladung der Leichter. In dem Antritt bzw. im Fortsetzen der Reisetrotz des Umstandes, daß die Abladung der Leichter angesichts des augenblicklichen Pegelstandes zu tief war, liegt eine nautische Fehlentscheidung, für die der Beklagte zu 3) als der verantwortliche Schiffsführer zu haften hat.
Es gehört zu den selbstverständlichen Pflichten des Schiffsführers, sich beim Dienstantritt vom Tiefgang des Schiffes und der Leichter zu überzeugen, um seine nautischen Entscheidungen sachgerecht treffen zu können. In diesem Zusammenhang berufen sich die Beklagten zu 2) und 3) zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.10. 19831) für ihre gegenteilige Meinung; in dieser Entscheidung (VersR 1984,76f.) war nur über die völlig anders gelagerte Problematik zu befinden, ob der Leichtereigner für nautisches Verschulden der Besatzung des Schubbootes einzustehen hat, wenn ein Dritter Eigner des Schubbootes ist. Demgegenüber kann es für die Frage, welche Umstände der Schiffsführer als der für die Führung des Verbandes Verantwortliche in seine nautischen Entscheidungen einzubeziehen hat, nicht darauf ankommen, welche Teile des Verbandes in wessen Eigentum stehen; das verbietet sich bereits aus der Natur der Sache und den praktischen Erfordernissen solcher jeweils an Ort und Stelle konkret zu treffenden Entscheidungen des Schiffsführers.
Der Beklagte zu 3) kann sich zu seiner Entlastung auch nicht darauf berufen, daß der Disponent der Beklagten zu 1) Qu. durchgegeben habe, die Leichter hätten nur einen Tiefgang von 3,40 m. Der Schiffsführer verstößt gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten, wenn er solche Angaben ohne Nachprüfung übernimmt und seinen nautischen Entscheidungen zugrundelegt. Erforderlich i.S.d. § 276 BGB ist nämlich dasjenige Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist; und wie das überzeugende Gutachten des erfahrenen Sachverständigen K. ergeben hat, gehört es zu den Aufgaben des Kapitäns, zu prüfen oder durch sein Personal prüfen zu lassen, ob der Tiefgang, der von der Reederei aufgegeben worden ist, mit der tatsächlichen Eintauchung und den durch den Wasserstand gegebenen Tiefgangsmöglichkeiten übereinstimmt.
Soweit der Beklagte zu 3) behauptet, TMS O habe mit TSL M zu weit im Fahrwasser gelegen, bleibt die Frage eines Mitverschuldens der Klägerin zu prüfen. Hierzu bedarf es noch einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Beweisaufnahme, da es auf die genaue Lage der Schiffe in der Fahrrinne ankommt. Bereits jetzt kann jedoch mit Sicherheit gesagt werden, daß ein eventuelles Mitverschulden der Klägerin jedenfalls nicht ein solches Ausmaß hat, daß etwa der Schadensersatzanspruch ganz ausgeschlossen wäre.
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Die Beklagte zu 1) hingegen haftet für die Schäden nicht, so daß auf deren Berufung das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen war.
Eine Haftung aus §§3, 4 BSchG in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung scheidet aus, da die Schubbootbesatzung nicht eine solche der Beklagten zu 1) bzw. von deren Leichtern gewesen ist. Dieser Gesichtspunkt wird von der Klägerin nach dem Erlaß der vorgenannten BGH-Entscheidung auch nicht mehr weiter verfolgt. Der Beklagten zu 1) kann auch nicht der Vorwurf einer unerlaubten Handlung nach § 823 BGB gemacht werden. Dabei kann offenbleiben, wie die Rechtslage wäre, wenn der Verladefirma - die nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten zu 1) rechtlich selbständig war - vom Leichtereigner eine Abladetiefe durchgegeben wird, die nach dem augenblicklichen oder zu erwartenden Wasserstand zu tief ist, so daß eine sichere Reise nicht gewährleistet ist. Denn eine solche Tiefe ist vom Sachbearbeiter Q. vorliegend nicht nach Rotterdam aufgegeben worden: Wie der Zeuge bei seiner Vernehmung im Parallelverfahren 5C28/82, - Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort -, mit deren Verwertung sich die Parteien einverstanden erklärt haben, glaubhaft bekundet hat, hat er 3,40 m als Abladetiefe vorgegeben. Der Senat sieht keine durchgreifenden Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Aussage, in welcher Beziehung im übrigen auch die Klägerin nichts vorträgt. Bei einer unstreitigen Sollsohle von 3,59 m war jedoch die vorgesehene Abladetiefe nicht zu beanstanden. Zu der Grundberührung ist es vielmehr gekommen, weil die tatsächliche Abladetiefe der Leichter, wie die Klägerin behauptet, 3,85 m bzw. 3,59 m betragen hat. Insoweit käme nur ein Verschulden bei der Überwachung - sei es der Tätigkeit der selbständigen Verladefirma sei es des Aufpackens des Schubverbandes - in Betracht. Zu einer derartigen Überwachung ist der Leichtereigner nach der Verkehrsauffassung der beteiligten Kreise nicht gehalten. Auch dies hat das Gutachten des Sachverständigen K. überzeugend ergeben. Auch ein besonnener und gewissenhafter Leichtereigner darf sich ohne weiteres darauf verlassen, daß der Schiffsführer die tatsächliche Abladetiefe und deren Verhältnis zum augenblicklichen Wasserstand nachprüft. Diese praxisgerechte Verteilung der Prüfungs- und Sorgfaltspflichten ist auch deshalb sachgerecht, weil der Schiffsführer als Verantwortlicher für navigatorische Entscheidungen diese Fakten ohnehin jederzeit prüfen bzw. im Auge behalten muß und da die entsprechenden Tatsachen auch ohne weiteres und zu jeder Zeit feststellbar sind. Hinzu kommt, daß der Schiffsführer von seiner Ausbildung, von seiner ständigen Tätigkeit und von seiner verantwortlichen Stellung aus gerade der Geeignete ist, eben diese Überwachung vorzunehmen. Für eine zusätzliche Tätigkeit der Reederei besteht darüberhinaus kein Bedarf.
...“.