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Leitsatz:
Zum Begriff „gefährliche Güter" und zur Frage der möglichen Selbstentzündung von Ladegut als Ursache eines Schiffsbrandes.
Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergerichts in Köln
vom 8. Februar 1980
3 U 171 /79
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Beklagte hatte die Reederei N. mit dem Schiffstransport von 355 t Pechkoks beauftragt. Fa. N. schaltete die Reederei R. als Unterfrachtführerin, diese ihrerseits den Schiffseigner O. ein, dessen MS M von der Umschlagsfirma K. beladen wurde. Auf der Fahrt geriet der Koks kurz über der Strau in Brand, so daß der gesamte Raum 1 gelöscht werden mußte.
Die Klägerin verlangt als Versicherin aus abgetretenem Recht Ersatz des aus dem Schiffsbrand entstandenen, von ihr erstatteten Schadens in Höhe von ca. 13400,DM mit der Begründung, daß der Brand auf dem zu warmen Zustand des verladenen Kokses beruhe.
Die Beklagte bestreitet die Möglichkeit einer Selbstentzündung des an sich schon schwer entflammbaren Pechkokses, der auch keinesfalls in zu warmem Zustand umgeschlagen worden sei.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde vom Schiffahrtsobergericht zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Zu Lasten der Beklagten kann nicht angenommen werden, es sei glühender Koks in das MS M geladen worden. Hierfür sind nach der Überzeugung des Senats in der erstinstanzlichen Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte hervorgetreten.
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Muß sich aber die von dem Sachverständigen M. als nicht ausschließbar bezeichnete Möglichkeit der Selbstentzündung des in warmen Zustande verladenen Pechkoks als Schadensursache verwirklicht haben, kann ein schadensursächliches Verschulden der Beklagten nicht festgestellt werden.
Ein Absender darf sich, ohne schuldhaft zu handeln, nicht damit begnügen, die Frachtgüter richtig zu bezeichnen, sondern er muß auch auf deren etwaige bedeutungsvolle Eigenschaften hinweisen, insbesondere, wenn diese geeignet sind, das Schiff oder andere Frachtgüter zu beschädigen (RGZ 93, 163; Vortisch-Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl., § 45, Anm. 1 b).
Das muß bei allen gefährlichen Gütern angenommen werden. Gefährlich sind Güter entweder wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit, z. B. entzündliche öder explosive Stoffe, oder deshalb, weil sie sich in einem Zustand oder in einer Verfassung befinden, durch die ihre Gefährlichkeit über das Maß erhöht wurde, das bei der Handhabung mit jedem Gut besteht. Auch kann die Art der Verwertung die Gefährlichkeit begründen (RGZ 20, 76). So sind z. B. Braunkohlenbriketts ihrer Gattung nach keine gefährlichen Güter, sie können aber bei ihrer Verladung in ein Binnenschiff sich in einem gefährlichen Zustand befinden, der ihre Selbstentzündung besorgen läßt (vgl. dazu Vortisch-Zschucke, a.a.0. Anm. 1e). Mit Pechkoks verhält es sich ähnlich. Pechkoks ist in kaltem Zustande ungefährlich, weil Pechkoks nach dem in 1. Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen S. keine mineralischen Begleitstoffe hat. Wird Pechkoks aber nicht genügend abgekühlt verladen, so können sich Gefahren ergeben.
Unter den hier gegebenen Umständen kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch einen unterbliebenen Hinweis auf mögliche Gefahren verletzt zu haben.
Nach ihrem Erfahrungsstand ging die Beklagte davon aus, daß die Möglichkeit einer Selbstentzündung von warm verladenen Pechkoks nicht bestand. So hat der Zeuge R., der Kokereileiter der Beklagten, bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung den Ablauf des Abkühlungsverfahren eingehend geschildert und seiner Meinung Ausdruck verliehen, daß „nichts passieren konnte". Auch die vom Schiffahrtsgericht vernommenen Betriebsassistenten der Beklagten haben in langjähriger Tätigkeit keinen Fall von Selbstentzündung des Pechkokses erlebt. Der Zeuge S. hat in 36jähriger Tätigkeit nicht einmal erlebt, daß Koks aus dem Bunker glühend in die Waggons gekommen ist. Dergleichen haben auch die Zeugen B., M., B. und A. ihren Aussagen zufolge nicht erlebt. Berücksichtigt man ferner, daß nach den Ausführungen des Sachverständigen S. die Verladung glühender Kohle ausgeschlossen werden kann und S. als Sachverständiger überhaupt eine Selbstentzündung von Pechkoks bei dem von der Beklagten eingehaltenen Verfahren als Brandursache ausgeschlossen hat, so kann man von den verantwortlichen Angestellten der Beklagten kein weitergehendes Wissen verlangen, das zu einer Belehrung des Schiffsführers hätte führen müssen, wenn man überhaupt das bisherige Verfahren beibehielt. Im Hinblick auf die jahrelange Praxis durfte man vielmehr annehmen, die Möglichkeit einer Selbstentzündung des Pechkokses sei so fernliegend, daß diese Möglichkeit als völlig unwahrscheinlich außer Betracht gelassen werden konnte. Die an die Beachtung der Sorgfaltspflicht zu stellenden Anforderungen würden überspannt, wollte man von dem oder den Verantwortlichen der Beklagten verlangen, die zunächst außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegende Möglichkeit einer Selbstentzündung ernsthaft in Betracht zu ziehen, solange keine Anhaltspunkte dafür aufgetreten waren, daß bei dem eingehaltenen Verfahren die Abkühlung des Pechkokses nicht ausreichend war, eine spätere Selbstentzündung auf dem Transport zum Verbraucher völlig auszuschließen.
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