Banque de données de juriprudence

3 U 160/88 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 14.02.1989
Numéro de référence: 3 U 160/88
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Köln
Section: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Geltendmachung der Freizeichnung vom Verschulden im Dispachebestätigungsverfahren.

Urteil des Oberlandesgerichts in Köln — Schiffahrtsobergericht

vom 14. Februar 1989

3 U 160/88

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

In einem Dispachebestätigungsverfahren ging es um die Frage, ob und inwieweit der Widerspruch eines Beteiligten auf ein Verschulden der Gegenseite (§ 79 Abs. 2 BSchG) gestützt werden kann und welche Wirkung eine Freizeichnungsklausel der Konnossementsbedingungen in diesem Zusammenhang hat.
Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Schiffahrtsgerichts bestätigt, daß der Widerspruch nicht begründet ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Das Schiffahrtsgericht hat den Widerspruch der Klägerin mit Recht für unbeachtlich gehalten, weil ihr die Berufung auf das Verschulden der Gegenseite (§ 79 Abs. 2 BSchG) mit Rücksicht auf die Freizeichnungsklausel in den Konnossementsbedingungen versagt ist. Denn in § 18 Nr. 1 der Konossementsbedingungen ist die Haftung der Beklagten jedenfalls für einfaches nautisches Verschulden wirksam ausgeschlossen worden.
Der Beklagten kann, wie vom Schiffahrtsgericht bereits zutreffend festgestellt worden ist, nur einfaches nautisches Verschulden angelastet werden. Gegen die Beklagte spricht der Beweis des ersten Anscheins, weil sie bei Nebel die Fahrt fortgesetzt hatte, ohne seinerzeit im Besitz eines Radarschifferzeugnisses zu sein. Dieser Anscheinsbeweis begründet nur die Vermutung für ein schuldhaftes Verursachen des Unfalls durch die Beklagte, er vermag hingegen keinen Beweis für einen bestimmten Verschuldensgrad zu erbringen, etwa dahingehend, daß allein aufgrund des Anscheinsbeweises grobes Verschulden angenommen werden könnte.
Vorliegend ist aber noch zu berücksichtigen, daß die Beklagte — wie inzwischen unstreitig geworden ist — 14 Tage nach dem Unfall erfolgreich die Prüfung für das Radarschifferpatent absolviert hat. In Anbetracht dieses sehr kurzen Zeitabstandes zwischen dem Zeitpunkt des Unfalls und dem Datum des Erwerbs des Radarschifferzeugnisses ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die Beklagte auch zur Unfallzeit schon über einschlägige Kenntnisse in der Radarfahrt verfügt haben muß. Die Tatsache, daß die Beklagte im Nebel auf der falschen Rheinseite gefahren ist, widerlegt dies noch nicht und vermag ein grobes Verschulden noch nicht zu beweisen. Ein derartiges Fehlverhalten kommt zum einen nämlich auch bei Patentinhabern nicht selten vor. Zum andern hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, daß der Unfallgegner im Vergleichswege ein Mitverschulden in Höhe von 1/4 übernommen hat, so daß der Unfallhergang so eindeutig nicht gewesen sein kann.
Bei dem hiernach allein in Betracht kommenden einfachen Verschulden handelt es sich um ein solches nautischer Art. Das Fehlen des Besatzungsmitgliedes, das im Besitz eines Radarschifferzeugnisses ist, kann nicht, wie die Klägerin annehmen möchte, einer anfänglichen Fahruntüchtigkeit des Schiffes gleichgestellt werden. Denn es geht vorliegend nur um das Verhalten des Schiffsführers in einer besonderen nautischen Situation, nämlich um die konkrete Entscheidung darüber, ob die augenblickliche Wetterlage die Weiterfahrt zuläßt oder nicht. Es steht hingegen nicht in Frage, ob das Schiff überhaupt geeignet ist, die gewöhnlichen Gefahren der geplanten Reise zu bestehen und seine Frachtgüter unversehrt zu dem Ablieferungsort zu befördern (Fahruntüchtigkeit).
Soweit die Klägerin grundsätzlich die Freizeichnung für einfaches nautisches Verschulden in den Konnossementsbedingungen als unbilligen und damit unzulässigen Haftungsausschluß angreifen will, können die Berufungsangriffe ebenfalls keinen Erfolg haben. Da die Beteiligten die vertraglichen Regelungen als Kaufleute im Rahmen ihres Handelsgewerbes getroffen haben, ist für die Beurteilung zunächst auf § 24 AGBG abzustellen. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift finden zwar auch die Unwirksamkeitsregeln der §§ 10 und 11 dieses Gesetzes auf die Verträge unter Kaufleuten Anwendung, jedoch mit der Maßgabe, daß „auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessene Rücksicht zu nehmen" ist.
Die Freizeichnung für nautisches Verschulden ist eine solche branchentypische Regelung, die in der Binnenschiffahrt allseits gebilligt und anerkannt wird. Diese Haftungsfreizeichnung ist Grundlage der Berechnung der Versicherungsprämien und für die Frachttarifgestaltung. Es würde dem in § 24 Abs. 2 AGBG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, Branchen bei der Verwendung von AGBG nicht zu bevormunden und gegen ihren Willen „schützen" zu wollen, zuwiderlaufen, wollte man gleichwohl eine solche allgemein gebilligte Regelung unter den Schutz der §§ 10 und 11 AGBG fallen lassen. So entspricht es auch gefestigter Rechtsprechung, die Haftungsfreizeichnung jedenfalls für einfaches nautisches Verschulden anzuerkennen. Ob eine Haftungsfreizeichnung auch für grobes nautisches Verschulden wirksam wäre — für bestimmte Branchen hat der Bundesgerichtshof eine Freizeichnung von der Haftung sogar für grobes Verschulden anerkannt (vgl. NJW 86, 1435 und NJW 88, 1786) — kann offenbleiben, da der Beklagten nur einfaches Verschulden angelastet werden kann.
Gegen die Wirksamkeit der Klausel spricht auch nicht, daß der Haftungsausschluß teilweise zu weit gefaßt ist. Es liegen nämlich insoweit teilbare Bestimmungen vor, für die einzeln entschieden werden kann, ob sie haltbar sind oder nicht. Eine solche Behandlung verstößt nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Dieses Verbot greift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu zahlreiche Nachweise bei Palandt-Heinrichs, Vorb. 3 b. und d.v. § 8 AGBG) nur ein, wenn es sich um sprachlich einheitlich gefaßte Wendungen handelt, die zum Zwecke einer geltungserhaltenden Reduktion der Klausel zunächst logisch zergliedert und sprachlich neu gefaßt werden müßten. Kann aber der beanstandete Teil aus der Klausel einfach weggestrichen werden, so daß der Rest rein sprachlich noch verständlich und aus sich heraus sinnvoll bleibt, dann ist dieser Rest wirksam.
...
Soweit sich die Berufung für ihre Auffassung auf das überreichte Urteil des OLG Hamburg 6 U 54/87 stützen möchte, ist darauf hinzuweisen, daß es dort um einen Fall der anfänglichen Fahruntüchtigkeit ging (es lag ein Beladungsfehler vor). Die Entscheidung ist deshalb nicht einschlägig...“.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.1 (Sammlung Seite 1279); ZfB 1990, 1279