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Leitsätze:
1) Nach taiwanesischem Zivilrecht ist die grundsätzliche Haftung des Frachtführers (§ 634 TZG) für Beschädigung und Verlust von Geld, Schmuck und anderen Wertsachen ausgeschlossen, wenn dem Frachtführer nicht vor Übergabe des Gutes der Wert und die Art des Gutes mitgeteilt werden (§ 639 Abs. 1 TZG). Als Wertsachen - von hohem Wert und kleinem Volumen - sind nach der taiwanesischen Rechtsprechung auch Computerbauteile einzustufen.
2) Die Angabe des Warenwerts in Verzollungsunterlagen, die dem Frachtführer überlassen werden, wird von der taiwanesischen Rechtsprechung nicht als ausreichende Deklaration einer Wertsache ggü. dem Frachtführer anerkannt.
3) Der ohne Wertdeklaration und unabhängig vom Verschulden bestehende Haftungsausschluss für Wertsachen nach taiwanesischem Recht verstößt nicht gegen den deutschen ordre Public.
4) Unterliegt der Frachtvertrag taiwanesischem Recht, so kann sich der in Deutschland für eine Teilstrecke eingesetzte ausführende (Unter)Frachtführer bei einem inländischen Sendungsverlust auch gegenüber deliktischen Haftungsansprüchen entsprechend § 434 Abs. 1, 437 Abs. 2 HGB auf einen wirksamen Haftungsausschluss nach § 639 Abs. 1 TZG berufen.
Urteil
des OLG Köln
vom 16.01.2007
Tatbestand:
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen des Verlustes zweier von der Beklagten für die Fa. I. T. Technology in Taiwan an die Fa. F. Computer GmbH in C. transportierten Sendungen.
Die Klägerin ist Transportversicherungsassekuradeur der Firma F. Computer, die Ende September 2000 von der Firma I. T. Computermodule bezog. Streitgegenständlich sind insoweit zwei Sendungen, nämlich die mit der AWBNr. 972, die nach dem Vortrag der Klägerin 1000 SDRAM-Module 128 MB zu einem Gesamtpreis von 90.655,00 US-$ enthielt und die mit der AWB-Nr. 990, die ebenfalls nach dem Vortrag der Klägerin 321 SDRAM-Module 64 MB und 1000 SDRAM-Module 128 MB zu einem Gesamtpreis von 101.214,80 US-$ enthielt.
Auf den Frachtbriefen war vermerkt, dass der Inhalt der Sendungen aus "Computer Parts" bestand, auf den Frachtbriefen war unter "special Instructions" jeweils "value box" vermerkt.
Beide Pakete wurden bei der Beklagten zu 1) in Taiwan eingeliefert und sodann mit dem Flugzeug nach Deutschland transportiert, wo der weitere Transport der Beklagten zu 2) oblag. Letztmals gescannt wurden die Pakete beim Abgang vom Flughafen Köln (Outbound Scan). Danach gerieten die Pakete unter im Einzelnen ungeklärten Umständen nach Übernahme durch die Beklagte zu 2) in Verlust. Die Einfuhrverzollung nach Deutschland wurde seitens der Beklagten vorgenommen.
Die Klägerin regulierte gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden mit insgesamt 217.853,37 € und ließ sich sowohl von der Fa. I. T. als auch von ihrer Versicherungsnehmerin alle Ansprüche aus dem Schadensfall gegen die Beklagten abtreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Köln vom 19.8.2004 Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Einholung einer Rechtsauskunft durch das N.-Q.- Institut der Klage vollumfänglich stattgegeben. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) sei gemäß Art. 28 Abs.4 EGBGB das taiwanische Zivilgesetzbuch (TZG) anwendbar. Gemäß § 634 TZG hafte der Frachtführer verschuldensunabhängig für einen Verlust des Transportguts. § 639 TZG, nach dem die Haftung des Frachtführers entfalle, wenn Geld, Wertpapiere, Schmuck oder andere derartige Wertsachen eingeliefert würden und nicht zuvor der Wert und die Art des Transportguts deklariert worden sei, sei entgegen der in der Rechtsauskunft vertretenen Auffassung unanwendbar, denn bei den in Verlust geratenen Speichermodulen handele es sich jeweils für sich genommen um normale Industrieprodukte, die nur allein aufgrund ihrer Anzahl einen gewissen Wert darstellten.
Die Beklagte zu 2) hafte neben der Beklagten zu 1) gemäß § 637 TZG bzw. 437 HGB. Es sei von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten auszugehen, denn diese hege selbst den Verdacht, dass ein Mitarbeiter die Sendungen entwendet habe. Außerdem sei ihr ein grobes Organisationsverschulden vorzuwerfen, weil sie auf wirksame Ausgangskontrollen verzichte und so einen Diebstahl durch ihre Fahrer überhaupt erst ermögliche, da den Fahrern nicht nachgewiesen werden könne, dass sie die Pakete überhaupt übernommen haben.
Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass es sich bei den abhanden gekommenen Modulen nicht um wertvolle Güter i.S.d. § 639 Abs.1 TZG gehandelt habe. Mangels eigener Sachkunde des taiwanischen Rechts habe das Landgericht hier auch nicht ohne weiteres von dem in der Rechtsauskunft mitgeteilten Verständnis der Vorschrift abweichen dürfen. Das Landgericht habe zudem nicht beachtet, dass zwischen der Beklagten zu 1) und der Absenderin ein Beförderungsausschluss für Waren mit einem höheren Wert als 50.000,-- US-$ sowie eine Haftungsbeschränkung auf 100 US-$ vereinbart worden sei. Diese sei auch nicht gemäß § 649 TZG unwirksam oder als Haftungsbeschränkung auszulegen. Die Beklagte zu 2) hafte nach taiwanischem Recht ebenfalls nicht. Auch nach deutschem Recht käme eine Haftung der Beklagten zu 2) nicht in Betracht, weil die Beklagte der Klägerin gemäß § 437 Abs.1 HGB alle Rechte aus dem Frachtvertrag zwischen der Absenderin und der Beklagten zu 1) und damit auch den Beförderungsausschluss und die Haftungsbeschränkung auf 100 US-$ entgegenhalten könne. Der Inhalt bleibe weiterhin bestritten, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem Anscheinsbeweis sei wegen fehlender Lieferscheine nicht anwendbar.
Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 19.8.2004 (86 O 28/01) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Beklagten sei der Wert der Waren mitgeteilt worden, denn zur Verzollung bedürfe es einer Handelsrechnung. Im Ergebnis zu Recht habe das Landgericht auch angenommen, dass maßgeblich das taiwanische Recht sei, ein Haftungsausschluss wegen der Art der Waren aber nicht in Betracht komme, denn es handele sich bei den Computerbauteilen um normale Industrieprodukte. Ein Beförderungsausschluss sei jedenfalls wirksam nicht vereinbart worden, denn über die streitgegenständlichen Pakete seien durch die Annahme der Sendungen durch die Beklagte zu 1) jedenfalls Frachtverträge zustande gekommen. Auch auf eine Haftungsbeschränkung auf 100 US-$ könnten sich die Beklagten nicht berufen, denn der Schaden beruhe auf grobem Verschulden. Bei der Haftung der Beklagten zu 2) sei zu berücksichtigen, dass der Frachtvertrag zwischen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) zwingend deutschem Recht unterliege, da Übernahme- und Ablieferungsort in Deutschland gelegen seien. Die Klägerin könne gemäß § 421 HGB Schadensersatzansprüche wegen des Verlustes der streitgegenständlichen Pakete direkt gegen die Beklagte zu 2) geltend machen, woran auch § 437 HGB nichts ändere. Jedenfalls aber hafte die Beklagte zu 2) nach § 823 BGB.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Schriftstücke Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Rechtsgutachtens nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 30.8.2005. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des N.-Q.-Instituts vom 27.6.2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
II.
Die formell einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht weder gegen die Beklagte zu 1) (A) noch gegen die Beklagte zu 2) (B) ein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf den Verlust der Sendungen AWB-Nr. 972 und 990 zu.
A. Der Klägerin steht zunächst kein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) zu.
Ein Anspruch nach Art.18 Abs.1 WA 1955 scheidet bereits deshalb aus, weil Taiwan nicht zu den Vertragsstaaten des Warschauer Abkommens gehört, so dass gemäß Art.1 Abs.2 WA die Regelungen des WA 1955 keine Anwendung finden können. Die Anwendung der Regelungen des Warschauer Abkommens ist auch nicht vertraglich aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) vereinbart.
Maßgeblich im Verhältnis zur Beklagten zu 1) ist gemäß Art.28 Abs.1 EGBGB das taiwanische Zivilrecht, denn der Frachtvertrag zwischen der Fa. I. T. und der Beklagten zu 1) weist die engsten Bindungen zu Taiwan auf. Er wurde zwischen zwei in Taiwan ansässigen Firmen geschlossen. Das Gut wurde sodann in Taiwan von der Beklagten zu 1) übernommen und verladen.
Ein Anspruch gemäß § 634 des Taiwanischen Zivilgesetzes (TZG) besteht aber nicht, denn die Haftung der Beklagten zu 1) ist nach § 639 Abs.1 TZG ausgeschlossen, da es sich bei den nach dem Vortrag der Klägerin zur Beförderung gegebenen Computermodulen um Kostbarkeiten i.S.d. genannten Vorschrift handelt.
Gemäß § 639 Abs.1 TZG ist die Haftung für die Beschädigung und den Verlust von Geld, Schmuck und anderen Wertsachen ausgeschlossen, wenn dem Frachtführer nicht vor Übernahme des Gutes der Wert und die Art des Gutes mitgeteilt wird. Nach den überzeugenden Gutachten des N.-Q.-Institut vom 10.2.2004 und 27.6.2006 sind unter "Wertsachen" i.S.d. § 639 Abs.1 TZG solche Gegenstände zu verstehen, die bei hohem Wert ein kleines Volumen aufweisen. In der Taiwanischen Rechtsprechung werden auch Computer- Teile als Wertsachen angesehen, wenn sie diese Voraussetzung erfüllen, etwa bei relativ kleinen Computerbauteilen (Arbeitsspeicher) mit einem Wert von 39,25 US-$ / Stück. Ebenfalls wurde bei Computerbauteilen mit einem Gewicht zwischen 18,6 g und 175 g und einem Wert von 40,-- € bis 44 € / Stück angenommen, dass es sich um wertvolle Güter i.S.d. § 639 Abs.1 TZG handele.
Bei den hier streitgegenständlichen Computerbauteilen handelte es sich um Arbeitsspeichermodule mit kleinem Volumen und einem Gewicht von deutlich unter 30 g / Stück bei Werten zwischen 43,80 US-$ und 90,50 US-$ / Stück. Damit sind auch die streitgegenständlichen Computerteile als Wertsachen i.S.d. § 639 Abs.1 TZG anzusehen mit der Folge, dass die Haftung der Beklagten zu 1) ausgeschlossen ist.
Daran ändert auch die Übergabe der Verzollungsunterlagen, zu denen auch die Handelsrechnungen gehörten, nichts. Zwar tritt der Haftungsausschluss nach § 639 TZG nicht ein, wenn dem Frachtführer die Art und der Wert der Waren vor Übergabe mitgeteilt wird. Nach dem auch insoweit überzeugenden Gutachten ist es hierfür aber nicht ausreichend, wenn lediglich die Verzollungsunterlagen übergeben werden. Nach der taiwanischen Rechtsprechung liefe nämlich die Vorschrift leer, wenn die Übergabe der Exportbelege, aus denen sich zwangsläufig auch der Wert des Gutes ergibt, als Wertdeklaration i.S.d. § 639 Abs.1 TZG angesehen würde.
Auf die Frage, ob die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltenen Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschlüsse nach taiwanischem Recht wirksam vereinbart wurden, kommt es demnach nicht an.
Dafür, dass nach taiwanischem Recht neben der - hier ausgeschlossenen - vertraglichen Haftung auch eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1) gegeben sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte.
Die Verneinung eines Schadensersatzanspruches gegen die Beklagte zu 1) widerspricht auch nicht wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) mit der Folge, dass gemäß Art. 6 EGBGB die Anwendung des § 639 TZG nicht ausgeschlossen ist. Denn die Versagung eines Schadensersatzanspruchs, die nach § 639 TZG für alle Formen der Fahrlässigkeit gilt, führt nicht zu einem offensichtlich unerträglichen Ergebnis i.S.d. Art. 6 EGBGB. Auch dem deutschem Frachtrecht sind Haftungsbeschränkungen nicht fremd; Haftungsausschlüsse können in Frachtverträgen wirksam vereinbart werden. § 435 HGB ordnet eine Nichtanwendbarkeit der Haftungsbeschränkungen und im Frachtvertrag vereinbarten Haftungsausschlüsse nur für den Fall an, dass der Schaden auf einer Handlung beruht, die leichtfertig und in dem Bewusstsein eines wahrscheinlichen Schadenseintritts begangen wird. Von einer Leichtfertigkeit i.S.d. Vorschrift kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine ganz besonders gravierende grobe Fahrlässigkeit vorliegt (vgl. Koller, Transportrecht, 5.A., 2005, § 435, Rdnr.6). Damit beschränkt auch das deutsche Recht die zwingende Unwirksamkeit der vereinbarten Haftungsausschlüsse auf einen kleinen, dem (zumindest bedingten) Vorsatz bereits sehr nahen Bereich der außerordentlich groben Fahrlässigkeit. Ein auch für alle Formen der groben Fahrlässigkeit geltender Haftungsausschluss steht daher zu dem deutschen Recht nicht in einem so erheblichen Widerspruch, dass eine Anwendbarkeit zu schlechterdings untragbaren Ergebnissen führen würde.
B. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu.
Eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 2), die im Verhältnis zur Absenderin der streitgegenständlichen Sendung als ausführender Frachtführer für die Beförderung der Sendungen innerhalb Deutschlands zuständig war, scheidet selbst bei Anwendbarkeit deutschen Rechts deshalb aus, weil der ausführende Frachtführer nach § 437 Abs.1 HGB in gleicher Weise wie der Frachtführer haftet. Die in § 437 Abs.1 HGB normierte Haftung des Unterfrachtführers stellt sich als gesetzlicher Schuldbeitritt dar (vgl. Koller, Transportrecht, 5.A., 2004, § 437 HGB, Rdnr.4). Entfällt eine vertragliche Haftung des Hauptfrachtführers - wie hier - gänzlich, kommt damit eine Haftung des ausführenden Frachtführers nicht in Betracht.
Soweit die Klägerin einwendet, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin folge aus § 421 HGB i.V.m. dem zwischen den Beklagten geschlossenen Frachtvertrag, geht dies unbeschadet der Frage, ob insoweit deutsches Frachtrecht überhaupt Anwendung findet, fehl. Es ist schon zweifelhaft, ob § 421 Abs.1 HGB dem Empfänger eines Gutes auch eine Aktivlegitimation hinsichtlich der Ansprüche aus dem Vertrag zwischen dem Frachtführer und dem Unterfrachtführer vermittelt. Selbst man dies aber zugunsten der Klägerin annähme, scheitert eine Haftung im Streitfall jedenfalls daran, dass der Beklagten zu 1) wegen des - nach den obigen Erwägungen durchgreifenden - Haftungsausschlusses gemäß § 639 Abs.1 TZG gar kein Schaden entstanden ist, denn die Beklagte zu 1) ist ihrerseits weder gegenüber der Absenderin, der Fa. I. T., noch gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Empfängerin des Gutes schadensersatzpflichtig.
Auch eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 823 Abs.1 BGB besteht nicht. Zwar ist gemäß Art. 40 Abs.1 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung das deutsche Deliktsrecht anwendbar, denn eine Haftung der Beklagten zu 2) könnte sich insoweit nur wegen einer Handlung ergeben, die innerhalb des Geltungsbereichs deutschen Rechts erfolgt ist, nachdem die Sendungen im Gewahrsam der Beklagten zu 2), die für den Weitertransport der Sendungen vom Flughafen Köln zur Versicherungsnehmerin der Klägerin nach C. zuständig war, in Verlust geraten sind. 32 Eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) kommt einzig unter dem Aspekt der Verletzung einer Verpflichtung zur sorgfältigen Verwahrung der in Obhut genommenen Sendungen in Betracht (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14.6.1982, II ZR 127/82, VersR 1982, 902; Wagner in Müko, BGB, 4.A., 2004, § 823 BGB, Rdnr.240).
Im Streitfall ist es bereits zweifelhaft, ob eine solche Pflichtverletzung angenommen werden kann. Ein Diebstahl durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 2) lässt sich nach deren unwidersprochen gebliebenem Vortrag nicht positiv beweisen. Es ist demgemäß im Ergebnis unklar, wie es konkret zu dem Verlust der Sendungen gekommen ist. Unter diesen Umständen könnte die unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2) allein in einer mangelhaften Organisation des Transportablaufs begründet sein, etwa dann, wenn die Ein- und Ausgangskontrollen oder die Überwachung der Umschlaglager mangelhaft gewesen wären. Hierfür bestehen jedoch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Ob es bei der deliktischen Haftung unter diesen Umständen gerechtfertigt ist, eine Obliegenheit der Beklagten zu 2) im Rahmen der sog. sekundären Darlegungslast anzunehmen, zu dem Transportverlauf, den eingerichteten Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen näher vorzutragen, kann im Ergebnis offen bleiben.
Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) aus § 823 Abs.1 BGB bzw. § 831 BGB scheidet nämlich im Ergebnis jedenfalls deshalb aus, weil die Beklagte zu 2) der Klägerin gemäß §§ 434 Abs.1, 437 Abs.2 HGB den im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) wirksamen Haftungsausschluss nach dem in diesem Verhältnis maßgeblichen taiwanischen § 639 Abs.1 TZG entgegenhalten kann. Nach § 434 Abs.1 HGB gelten die frachtrechtlichen Haftungsbefreiungen und -beschränkungen auch für außervertragliche Ansprüche des Absenders oder Empfängers gegen den Frachtführer. Diese Einwendungen gelten nach § 437 Abs.2 HGB auch für das Verhältnis zwischen dem Absender oder Empfänger und dem Unterfrachtführer.
Eine Anwendung des § 434 Abs.1 HGB scheidet auch nicht im Hinblick auf § 435 HGB deswegen aus, weil der Schaden durch die Beklagte zu 2) leichtfertig im Bewusstsein einer hohen Schadenswahrscheinlichkeit verursacht wurde. Nachdem die konkrete Ursache des Schadens nicht aufgeklärt ist, könnte ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2) ohnehin nur begründet werden, wenn man auf die für § 435 HGB von der Rechtsprechung entwickelten, auf die vertraglichen Ansprüche zugeschnittenen Grundsätze der sekundären Darlegungslast zurückgreift, nach der eine widerlegbare Vermutung für qualifiziertes Verschulden des Frachtführers besteht, wenn die zum Schaden führenden Umstände aufgrund einer Verletzung der prozessualen Aufklärungspflicht des Frachtführers im Dunkeln bleiben (vgl. hierzu Koller, Transportrecht, 5.Auflage 2004, § 435 HGB, Rdnr. 21 m.w.N.).
Sinn und Zweck des § 434 HGB besteht darin, den Frachtführer davor zu schützen, weitergehend zu haften, als dies nach den vertraglichen Regelungen und den diesbezüglichen Vorschriften der Fall wäre (vgl. Koller, a.a.O. § 434, Rdnr.7). Es ist daher im Regelfall auch gerechtfertigt, eine Anwendbarkeit des § 434 HGB zu verneinen, wenn dem Frachtführer ein qualifiziertes Verschulden zur Last fällt. Denn dann gelten die gesetzlichen Haftungsbefreiungen und - Beschränkungen gemäß § 435 HGB ohnehin nicht, so dass der Sinn und Zweck des § 434 HGB, nämlich der gewollte Gleichlauf zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung, eine Anwendung des § 434 HGB nicht verlangt. Die Nichtanwendbarkeit des § 434 HGB bei Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens stellt damit eine bloße Selbstverständlichkeit für die Fälle dar, in denen etwa ein wirksamer Vertrag nicht geschlossen wurde.
Im Streitfall ist dies aber anders zu beurteilen. Denn die vertragliche Haftung des Hauptfrachtführers ist - insoweit kann auf die oben unter A) dargelegten Erwägungen Bezug genommen werden - nach dem maßgeblichen taiwanischen Recht unabhängig von dem Verschuldensgrad wegen der Art des zur Versendung gebrachten Gutes ausgeschlossen. Es ist daher unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 437 Abs.2 HGB gerechtfertigt, die außervertragliche Haftung auch des Unterfrachtführers insoweit zu begrenzen, denn ansonsten würde die Klägerin allein deshalb privilegiert, weil der Hauptfrachtführer einen weiteren Frachtführer in die Erfüllung seiner Transportverpflichtung eingeschaltet hat und ausgerechnet in dessen Obhutszeit ein Verlust eingetreten ist. Eine Rechtfertigung für eine solche Besserstellung des Absenders bzw. Empfängers ist nicht ersichtlich und widerspricht auch dem Haftungsmodell des HGB, das grundsätzlich von einer akzessorischen Haftung des Unterfrachtführers ausgeht. Eine Haftung des Unterfrachtführers ist regelmäßig nur dann gegeben, wenn der Schaden in seiner Obhutszeit eintritt und für den gedachten Fall, dass unter den gleichen Umständen ein Schaden in der Obhutszeit des Hauptfrachtführers eingetreten wäre, dessen Haftung bestünde.
Es kann daher im Ergebnis auch offen bleiben, ob ein deliktischer Anspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht bereits deshalb ausscheidet, weil in Anwendung des Art. EGBGB im Streitfall taiwanisches Deliktsrechts zur Anwendung kommen muss, wobei nach den Feststellungen des Sachverständigen einiges dafür spricht, dass eine Haftung dann bereits dem Grunde nach nicht in Betracht käme.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
40 Die Revision wird im Hinblick auf die Klageabweisung gegen die Beklagte zu 2) zugelassen, denn soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen wurde, weil auch bezüglich einer möglichen deliktischen Haftung der Beklagten zu 2) gemäß §§ 434, 437 HGB der primär gegenüber der Beklagten zu 1) wirkende Haftungsausschluss des § 639 TZG eingreift, kommt der Rechtssache eine über den zur Entscheidung stehenden Fall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung zu.
Im Übrigen besteht ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, nicht. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1) weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Streitwert: 43 217.853,37 €