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3 U 126/03 BSch - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 03.02.2004
Numéro de référence: 3 U 126/03 BSch
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Köln
Section: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Nach Beendigung von Lade- und Löscharbeiten muss mit dem Losmachen des Schiffes abgewartet werden, bis die Hafenarbeiter sicher an Land sind.

2) Ein erfahrener Hafenarbeiter muss sich beim Verlassen des Schiffes nach Beendigung eines Lade- oder Löschvorgangs davon vergewissern, dass dies für ihn mit Blick auf möglicherweise schon begonnene oder bevorstehende Manöver des Schiffes ohne Gefahr möglich ist.

Urteil des Oberlandesgerichts Rheinschiffahrtsobergericht Köln

vom 03.02.2004

3 U 126/03 BSch

Zum Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten als verantwortlichen Schiffsführer von MS C auf Schadensersatz aus einem Unfall in Anspruch, den er am 20.02.2001 durch einen Sturz von einer Leiter an der Kaimauer des Hafens der Fa. B. AG in Leverkusen erlitten hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 11.08.2003 5 C 12/03 BSch - (Bi. 61 ff. d.A.) Bezug genommen. Das Rheinschifffahrtsgericht hat den Beklagten unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.06.2001 verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Hälfte sämtlicher materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe den Unfall verschuldet, indem er die Heckleine habe loswerfen lassen; infolgedessen habe sich das Schiff und die Leiter bewegt, wodurch der Kläger von der Leiter gestürzt sei.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Er macht geltend, die Aussage des Zeugen D. vor dem Rheinschifffahrtsgericht stehe im Widerspruch zu seinen Angaben vor der Polizei. Ihnen könne nicht der Vorzug gegeben werden vor derjenigen des Zeugen K., der eine Bewegung des Schiffes verneint habe. Jedenfalls hätte zur
Kausalität des Sturzes für die vom Kläger geschilderten Folgen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.

Der Kläger tritt den Ausführungen des Beklagten entgegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Recht eine Haftung des Beklagten für den Unfall vom 20.02.2001 unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers bejaht. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und der Anhörung der Parteien persönlich in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2003 ist der Senat davon überzeugt, dass der Beklagte den Sturz des Klägers schuldhaft verursacht hat, indem er mit dem Ablegemanöver begann, bevor dieser die Leiter verlassen hatte. Nach den eigenen Angaben des Beklagten vor dem Senat hat er nach Beendigung der Löscharbeiten die hintere Leine losgemacht, ist zum Steuerhaus gegangen und hat den Motor angestellt. Auch wenn der Beklagte die Schraube noch nicht hinzugenommen hatte, muss es durch das heckseitige Lösen des Schiffes und die an der Unfallstelle herrschende Strömung zu einer - wenn auch nur geringfügigen - Bewegung des Schiffes gekommen sein, die die Lage der Leiter verändert hat. Die Bewegung der Leiter ist von dem Zeugen D. glaubhaft bestätigt worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Bekundungen des Zeugen D. vor dem Rheinschifffahrtsgericht und der Polizei nicht widersprüchlich. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Leiter sowohl geruckelt hat, als der Zeuge den - durch den Sturz des Klägers verursachten - „Rums" hörte, als auch noch unmittelbar danach, als der Zeuge 2 Meter an den Kai herantrat und nach unten blickte. Offenbar hat sich die Leiter nicht nur ganz kurz bewegt; denn der Zeuge hat weiter ausgesagt, er sei die halbe Strecke hinuntergestiegen, als sich die Leiter beruhigt habe. Der Zeuge O. hat bekundet, die Leiter sei schwer und hänge gerade herunter, normalerweise habe sie kein Spiel. Bereits bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte er angegeben, die Leiter sei in sich sehr schwer, so dass sie sich ohne Krafteinwirkung nicht von allein bewege. Dies erscheint nach den vom Beklagten überreichten Lichtbildern einer gleichartigen Leiter auch plausibel. Die Eisenketten, an denen die Leiter oben am Kai aufgehängt ist, sind nach Angaben des Beklagten mehr als armdick. Die hölzernen Seitenholme der Leiter sind nach Schätzung des Klägers 40 cm, nach derjenigen des Beklagten 50 - 60 cm dick. Dazwischen befinden sich Eisensprossen. Der Kläger hat das Gewicht der Leiter auf mindestens 1 Tonne geschätzt. Der Senat geht hiernach davon aus, dass sich die Leiter allein infolge der Einwirkung des Schiffs bewegt haben kann. Der Zeuge D. hat auch ausgesagt, er habe nach dem Sturz des Klägers gesehen, wie sich das Schiff langsam ca. einen halben Meter von der Kaimauer weg bewegt habe. Der Beklagte hat zwar eine Bewegung des Schiffes in Abrede gestellt und behauptet, das Schiff sei durch die Strömung weiterhin gegen die Kaimauer gedrückt und ständig gehalten worden. Dadurch, dass unstreitig zumindest die Heckleine gelöst worden ist - der Kläger will beim Hochsteigen der Leiter gesehen haben, dass der Matrose auch vorne die Seile los machte -, erlangte das Schiff jedenfalls einen gewissen Bewegungsspielraum mit der Folge, dass die Lage der Leiter, die zuvor durch den Schiffsrumpf fest an die Kaimauer gedrückt wurde, verändert wurde. Insofern erscheint dem Senat die von dem Kläger und dem Zeugen D. gegebene Erklärung, die Leiter sei offenbar beim Löschen des Schiffes infolge des Druckes gegen die Kaimauer mit emporgehoben worden und dann nach dem Lösen des Schiffes etwa einen Meter tief an ihren Ketten hinuntergesackt, plausibel. Es ist auch denkbar, dass die zwischen dem Schiffsrumpf und der Kaimauer eingeklemmte Leiter durch die Schiffsbewegung einen Drehimpuls um ihre Längsachse erhalten hat mit der Folge, dass sie ruckelte. Dafür mag sprechen, dass der Kläger seinen Bekundungen zufolge durch die Leiterbewegung rechts an der Hüfte einen Schlag bekommen hat und dann abgestürzt ist. Andererseits will er dabei auch Geräusche wie von rutschenden Ketten gehört haben, was für ein Absacken der Leiter spricht. Wie sich die Leiter konkret bewegt hat, kann aber offen bleiben. Der Senat hat jedenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Anhörung der Parteien die Überzeugung gewonnen, dass die Leiter durch das Schiff derart bewegt worden ist, dass der Kläger seinen Halt verlor und abstürzte. Ein Absturz des Klägers ohne eine Bewegung der Leiter erscheint dem Senat ausgeschlossen. Der Kläger war ein erfahrener Hafenarbeiter. Seinen Angaben zufolge war er schon seit etwa 10 Jahren in den dortigen Hafenanlagen bei Bayer Leverkusen beschäftigt. Er benutzte ständig die streitgegenständliche oder ähnliche Leitern und war mit deren Handhabung vertraut, wie auch der Zeuge O. bestätigt hat. Unter diesen Umständen ist es völlig unwahrscheinlich, dass er ohne eine Bewegung der Leiter abgestürzt wäre. Vielmehr kann ihm abgenommen werden, dass er, als er gerade einen Fuß aufs Land gesetzt hatte, durch eine Bewegung der Leiter einen Schlag bekommen und hinunter auf das Gangbord gefallen ist.

Der Beklagte hat den Sturz des Klägers auch zu vertreten. Er durfte mit dem Ablegemanöver noch nicht beginnen, ehe der Kläger die Leiter verlassen hatte und wieder an Land war. Der Beklagte musste nach Beendigung der Löscharbeiten damit rechnen, dass der Kläger das Schiff über die Leiter verlassen werde, auch ohne dass der Kläger ihm zuvor Bescheid sagte, was unstreitig nicht geschehen ist. Der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass dies nicht in jedem Fall üblich ist, die Arbeiter vielmehr einfach von Bord gehen. Der Beklagte hätte sich vergewissern müssen, dass der Kläger bereits an Land war, ehe er die Leinen los machte und den Motor anließ. Dass die während der Löscharbeiten fest gegen die Kaimauer gedrückte Leiter infolge des Ablegemanövers bewegt werden könnte, war nach der Lebenserfahrung nicht ganz unwahrscheinlich. Für den Beklagten als erfahrenen Schiffsführer hätte einsichtig sein müssen, wie stark die von dem Schiff ausgehenden physikalischen Kräfte waren und sich auf die Lage der an Eisenketten frei hängenden Leiter auswirken konnten. Um jede Gefährdung des Klägers auszuschließen, hätte er daher mit dem Losmachen des Schiffes abwarten müssen, bis der Kläger die Leiter verlassen hatte. Er hat sich jedoch nach Abschluss der Löscharbeiten nicht um den Verbleib des Klägers gekümmert, sondern sofort die Heckleine losgeworfen und den Kläger erst bemerkt, als dieser schon im oberen Bereich der Leiter an den gelben Haltestäben war. Dies gereicht ihm zum Verschulden.

Eine höhere als die vom Rheinschifffahrtsgericht angesetzte Mitverschuldensquote von 50 % kommt zu Lasten des Klägers nicht in Betracht. Dass er dem Beklagten nicht Bescheid gesagt hat, bevor er das Schiff verließ, kann ihm nicht angelastet werden; denn üblicherweise gehen die Hafenarbeiter nach Beendigung ihrer Arbeiten einfach von Bord, ohne sich abzumelden. Zudem war der Kläger seinen Bekundungen zufolge davon ausgegangen, dass der Beklagte ihn beim Verlassen des Schiffes gesehen hatte. Dem Kläger kann nur entgegengehalten werden, dass er die Leiter bestiegen hat, obwohl der Beklagte bereits das Ablegemanöver eingeleitet hatte, und sich so in eine gefährliche Situation gebracht hat; denn mit einer Lageveränderung der Leiter durch eine Bewegung des Schiffes musste er als erfahrener Hafenarbeiter rechnen, mag er auch beim Hinaufklettern nicht gesehen haben, ob die Leiter angehoben war oder straff an den Ketten hing. Unter diesen Umständen ist dem Kläger nur leichte Fahrlässigkeit anzulasten. Sein Verschulden kann nicht schwerer bewertet werden als dasjenige des Beklagten. Eine für den Beklagten günstigere Schadensquotierung kommt daher nicht in Betracht.

Was die Schadenshöhe anbetrifft, kann entgegen der Auffassung des Beklagten nicht beanstandet werden, dass das Rheinschifffahrtsgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds hat das Rheinschifffahrtsgericht nur die unstreitigen Verletzungen nebst stationärer und ambulanter Behandlung berücksichtigt. Die Fraktur des Oberschenkels und des Fersenbeines waren unstreitig. Nach dem fachchirurgischen Bericht des Klinikums Leverkusen vom 06.09.2002 wurden die Brüche zunächst im Rahmen des stationären Aufenthalts versorgt, sodann wurde ambulant weiter behandelt und später wurden - wiederum stationär - die Drähte und Bolzen entfernt. Da es sich insofern um den üblichen Verlauf einer Behandlung von Knochenbrüchen handelt, bestand kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln und zusätzlich ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die angeblich weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers hat das Rheinschifffahrtsgericht ausdrücklich nicht bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgelds berücksichtigt. Angesichts der erheblichen Verletzungen, die der Kläger durch den Sturz erlitten hat, und der Behandlungsdauer von mehr als einem Jahr mit vier Operationen erscheint auf der Grundlage eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers ein Betrag von 10.000,- € als angemessen. Damit sind die bis jetzt entstandenen Verletzungen und körperlichen Beeinträchtigungen im Rahmen der bisherigen Heilbehandlung abgegolten.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat auch zu Recht der Feststellungsklage im erkannten Umfang stattgegeben. Sie bezieht sich auf die materiellen Schäden, die der Kläger durch den Unfall erlitten hat, insbesondere mögliche Erwerbsschäden. Des weiteren ist wegen der Schwere der Verletzungen, insbesondere was den Fersenbeintrümmerbruch anbetrifft, nicht auszuschließen, dass der Kläger künftig auch weitere immaterielle Schäden durch notwendig werdende Behandlungsmaßnahmen erleiden wird und ein Dauerschaden mit schmerzhaften Beeinträchtigungen verbleibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Von der Zulassung der Revision sieht der Senat ab, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2004 - Nr.04 (Sammlung Seite 1916 f.); ZfB 2004, 1916 f.