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Urteil des Oberlandesgerichts – Rheinschiffahrtsobergericht – Köln
vom 19.01.1996
– 3 U 125/95 BSchRh –
Entscheidungsgründe:
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 18.04.1994 ein Anspruch auf Zahlung von 2.000,00 hfl zu. Bei der genannten Vereinbarung handelt es sich um einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB; denn die Parteien haben sich im Wege gegenseitigen Nachgebens hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Turnlohnforderung von 2.856,70 hfl auf einen Betrag von 2.000,00 hfl geeinigt.
Die Beklagte ist passivlegitimiert. Der Turnvertrag vom 07.09.1992 ist seitens des Schiffers S in ihrem Namen geschlossen worden. Das Schiff B ist auch in ihrem Briefkopf aufgeführt. Der Zeuge So hat die Vereinbarung vom 18.04.1994 als Vertreter der Beklagten getroffen, wie aus dem Schreiben vom 20.04.1994 hervorgeht. Dafür, daß die Beklagte dabei als Vertreterin einer angeblichen Eigentümerin Dr. H gehandelt hätte, ergibt sich aus dem gesamten vorprozessualen Schriftverkehr keinerlei Hinweis. Der Behauptung der Beklagten, der Zeuge S habe der Klägerin mitgeteilt, daß sie nicht Eigentümerin des „MS B sei, war nicht nachzugehen, da sie unsubstantiiert ist. Es fehlt jegliche Konkretisierung, wann dies gewesen sein soll. Im übrigen wäre ein solcher Hinweis nur dann rechtlich relevant, wenn er vor Abschluß der Vereinbarung vom 18.04.1994 erteilt worden wäre und die Beklagte über eine entsprechende Vollmacht der angeblichen Eigentümerin verfügt hätte. Ansonsten würde sie gemäß § 179 BGB haften.
Der Vergleich ist nicht unter dem Vorbehalt der Prüfung der Verjährung geschlossen worden. Aus dem vorprozessualen Schreiben der Beklagten vom 16.02.1995 ergibt sich nicht, daß der Zeuge S bei dem Telefonat am 18.04.1994 erklärt hätte, er wolle die Frage der Verjährung noch prüfen. Ein geheimer Vorbehalt wäre nach § 116 BGB unbeachtlich. Auch der Inhalt des Schreibens vom 20.04.1994, wonach die Beklagte die telefonische Vereinbarung stornieren wollte, spricht gegen einen Vertragsschluß unter aufschiebender Bedingung. Im übrigen trägt die Beklagte nunmehr auch selbst vor, die Parteien hätten die Frage der Verjährung überhaupt nicht angesprochen, der Zeuge S habe sich darüber keine Gedanken gemacht.
Der Vergleich ist auch nicht gemäß § 779 BGB unwirksam; denn von den Parteien ist nicht als feststehend zugrunde gelegt worden, daß die Turnlohnforderung nicht verjährt sei. Es bedarf keiner Entscheidung, ob „Sachverhalt" im Sinne von § 779 BGB nur Tatsachen sind und ein Rechtsirrtum der Parteien nur dann zur Unwirksamkeit des Vergleichs führt, wenn er Tatsachen mit umschließt (so die bisherige Rechtsprechung des BGH, BGHZ 25, 394 und NJW 61, 1460) oder ob zum Sachverhalt auch alle Verhältnisse rechtlicher Art zu rechnen sind (so die Literatur, vgl. Palandt-Thomas, BGB 54. Auflage, § 779 Rn. 15; Erman-Seiler, BGB 9. Auflage, § 779 Rn. 24; Münchener Kommentar-Pecher, BGB 2. Auflage, § 779 Rn. 40; Staudinger-Marburger, BGB 12. Auflage, § 779 Rn. 65) . Die Parteien haben sich hier nämlich nicht einmal in einem Rechtsirrtum befunden, also nicht die Unverjährtheit der Turnlohnforderung als feststehend zugrunde gelegt, weil sie sich unstreitig über die Verjährung bei dem Telefonat vom 18.04.1994 überhaupt keine Gedanken gemacht haben. Staudinger-Marburger (a.a.0. Rn. 64, 65) will zwar im Wege extensiver Auslegung auch diesen Fall von § 779 BGB erfaßt wissen. Dem kann nicht gefolgt werden. Ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage liegt nicht vor, wenn sich die Parteien über die Anwendung bestimmter Rechtsnormen und deren Rechtsfolgen keine Vorstellungen gemacht haben, weil sie nicht daran gedacht haben (so auch Münchener Kommentar¬Pecher und Erman-Seiler jeweils a.a.O.). Auch im Rahmen des § 119 BGB wird ein Inhaltsirrtum verneint, wenn sich der Erklärende über bestimmte Rechtsfolgen keine Gedanken gemacht hat (vgl. Palandt-Heinrichs BGB § 119 Rn. 16). Zu einer abweichenden Beurteilung bei § 779 BGB besteht keine Veranlassung.
Ferner hat die Beklagte ihre Erklärung nicht wirksam angefochten. Wie ausgeführt, liegt ein Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 BGB nicht vor. Die Beklagte ist auch nicht von der Klägerin arglistig getäuscht worden, § 123 BGB. Selbst wenn der Klägerin entgegen ihrer Darstellung bei dem Telefonat vom 18.04.1994 bewußt gewesen wäre, daß die Turnlohnforderung bereits verjährt war, hätte sie die Beklagte hierüber nicht nach Treu und Glauben aufklären müssen.
Nach alledem ist der Vergleich vom 18.04.1994 wirksam. Daraus folgt, daß sich die Beklagte nicht darauf berufen kann, die Turnlohnforderung sei bereits bei Abschluß des Vergleichs verjährt gewesen. (BGH WM 79, 205 ff; Münchner Kommentar-Pecher a.a.O. Rn 21; Staudinger-Maburger a-a-O. Rn 33). Für die Vergleichsforderung gilt dieselbe Verjährungsfrist wie für den ursprünglichen Anspruch (vgl. BGH a.a.O.), hier also die einjährige Verjährungsfrist gemäß § 117 BSchG (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Auflage, § 117 Rn 15). Diese begann gemäß § 117 II BSchG am 01.01.1995, war also bei Klageerhebung am 18.04.1995 noch nicht abgelaufen. Die Hauptforderung ist somit in Höhe von 2.000 hfl begründet.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 352, 353 HGB in Höhe von % % seit dem 19.04.1994 gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.