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3 U 123/95 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 19.04.1996
Numéro de référence: 3 U 123/95 BSch
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Köln
Section: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Nach der Lebenserfahrung gibt es keinen zwingenden Schluß des Inhalts, daß für einen Wassereinbruch während der Liegezeit eines Schiffs im Hafen notwendigerweise der Hafengrund verantwortlich ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Schiffsrumpf Risse oder Eindellungen vorhanden sind, die zuvor nicht festgestellt wurden. Liegt aber ein feststehender Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmt Ursache oder einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, nicht vor, können die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins nicht herangezogen werden.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 19.04.1996

3 U 123/95 BSch

Zum Tatbestand:

Die Klägerin, Versicherer des MS „B", macht aus übergegangenem Recht gegen die Beklagte, Betreiberin des Stadthafens R, Schadensersatzansprüche geltend. MS „B" war in dem Hafen beladen worden. Als der Schiffsführer am 5.12.1990 ablegen wollte, stellte er fest, daß Wasser in Höhe von ca. 40 cm im Schiff stand. Es lag fest auf dem Hafengrund und war nicht zu manövrieren. Nachdem das Schiff teilweise geleichtert und das Wasser abgepumpt worden war, verließ es den Hafen. Einige Tage später wurde in D die Ursache für den Wassereinbruch gesucht und eine provisorische Abdichtung an der gefundenen Schadenstelle vorgenommen.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Statt der offiziellen Wassertiefe von 2,70 bis 3,00 m habe die tatsächliche Wassertiefe nur 2,30 betragen. Die Beklagte habe nahezu 2 Jahre vor diesem Vorfall nicht mehr die Wassertiefe überprüft. Bei der Beladung habe der Tiefgang von MS „B" 2,58 m betragen.
Die Beklagte behauptet, die notwendige Wassertiefe sei in dem Hafen vorhanden gewesen. Der höchstmögliche Tiefgang von MS „B" betrage nur 2,16 m. Im Hafen seien regelmäßig Peilungen durchgeführt und etwaige Untiefen ausgebaggert worden. Die letzte Überprüfung habe im Mai 1990 stattfunden. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Nach dem unstreitigen Sachverhalt und dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß die Beklagte die ihr als Betreiberin des Stadthafens obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Die Beweislast hierfür liegt bei der Klägerin. Die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins können nicht zu ihren Gunsten herangezogen werden. Voraussetzung hierfür ist nämlich ein feststehender Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Geschehensablauf hinweist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß in die Räume von MS „B" während der Liegezeit im Hafen der Beklagten Wasser eingedrungen ist. Streitig ist indes die Ursache hierfür. Nach der Lebenserfahrung gibt es keinen zwingenden Schluß des Inhalts, daß für einen Wassereinbruch während der Liegezeit eines Schiffes im Hafen notwendigerweise der Hafenuntergrund verantwortlich ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Schiffsrumpf Risse oder Eindellungen vorhanden sind, die zuvor nicht festgestellt wurden. Das Vorhandensein eines solchen Lecks im engeren Sinne steht indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Der Schiffsführer von MS „B" hat gegenüber dem Experten, der kurz nach dem Vorfall (5.12.1990) an Bord war, ein defektes Ballastventil als Ursache angegeben. Der sachverständige Zeuge P hat zwar bekundet, eine Einbeulung wahrgenommen zu haben. Er hat das Schiff aber erst einige Zeit nach dem Vorfall, nämlich am 3.1.1991, in Antwerpen gesehen. Der Zeuge K, der das Schiff auf die Ursachen für die Undichtigkeit untersucht hat, vermochte sich nicht an einen Riss oder eine Einbeulung zu erinnern.
Er hat nur festgestellt, daß eine Niete beschädigt war und er die fragliche Stelle abgedichtet hat. Nach alledem stehen die Voraussetzungen für eine Anwendung der Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins nicht fest. Es ist vielmehr ebensogut denkbar, daß eine Niete im Schiffsboden schon vorher schadhaft war und es erst durch den Beladevorgang und den dadurch bedingten höheren Wasserdruck zum Eindringen des Wassers kam.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, daß die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Sie hat zwar als Betreiberin des Hafens für einen gefahrlosen Zustand zu sorgen. Dem ist sie indes nachgekommen. Der Zeuge T hat bekundet, daß die Wassertiefe einmal im Jahr überprüft wird. Dies reicht nach Auffassung des Senats, da es sich um ein stehendes Gewässer handelt, aus. Vor dem Vorfall ist eine Kontrolle im Sommer 1990 vorgenommen worden. Überdies ist der Hafen im Mai 1990 auf eine Tiefe von 3,20 m ausgebaggert worden. Der mit den Ausbaggerungsarbeiten betraute Bauunternehmer hat Messungen vorgenommen. Die mit der Berufungserwiderung vorgelegten Messprotokolle sind von der Klägerin nicht angegriffen worden.

Die Behauptung der Klägerin, infolge von Baggerarbeiten entstünden Untiefen, bedarf keiner Sachaufklärung. Für die konkreten örtlichen Verhältnisse läßt sich hieraus nichts herleiten. Auch die Überprüfung der Ladetauglichkeit des Schiffes besagt nichts. Die Niete kann bereits lose gewesen sein, der Wassereinbruch infolge des Abladens erfolgt sein....." 

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1996 - Nr.12 (Sammlung Seite 1614 f.); ZfB 1996, 1614 f.