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Leitsatz:
Zur Frage der Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte für Ersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung.
Urteil des Oberlandesgerichts – Rheinschiffahrtsobergerichts Köln
vom 6. Februar 1981
3 U 117/80
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Der Kläger befand sich am 30. Juni 1979 mit seinem Motorsportboot auf der Talfahrt rechtsrheinisch bei km 831,5, als ein Gegenstand in den Antrieb seines Bootes geriet, so daß die Maschine stehenblieb und das Boot manövrierunfähig wurde. Wie sich herausstellte, waren bereits im Januar 1979 die bei km 831,0, 831,25, 831,5 und 831,75 - einer starken Rechtskrümmung des Stromes - befestigten Radarbaken abgefahren worden. Die Beklagte hatte deshalb bei km 831,0, 831,25 und 831,75 rot-weiße Tonnen (Bojen) auslegen lassen, um damit hauptsächlich der Radarschiffahrt Anhaltspunkte für die Navigation zu geben. Die Radarbaken bestehen aus einem ca. 6 m langen und 150 mm starken Stahlrohr, das am Fuß mit einer auf ein Betonfundament geschraubten Platte versehen ist. Die Bake bricht im Falle der Anfahrung - infolge von Sollbruchstellen in den Schrauben - unbeschädigt ab und geht unter, da das Rohr mit Löchern zum Einströmen von Wasser versehen ist. Sie treibt in der Regel jedoch nicht ab, da 1 m über ihrem Fuß eine Kette angebracht und diese an ihrem anderen Ende mit dem Betonfundament verbunden ist.
Der Kläger behauptet, sein Boot, das er außerhalb des Tonnenstrichs gehalten habe, sei gegen die Radarbake bei km 831,5 geraten, wodurch ihm ein Schaden von etwa 4300,- DM entstanden sei. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Die Beklagte lehnt die Zahlung ab. Sie bestreitet eine Kollision des Bootes des Klägers mit der Radarbake und die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Die Klage blieb in beiden Instanzen – Rheinschiffahrts- und Rheinschiffahrtsobergericht - erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
I.
Zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, die auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Bundesrepublik Deutschland auf dem Rheinstrom gestützt werden, sind die Rheinschiffahrtsgerichte nach Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte zuständig.
Richtete sich die Haftung für Schäden, die auf einer schuldhaften Verletzung der der Bundesrepublik Deutschland auf dem Rheinstrom obliegenden Verkehrssicherungspflicht beruhen, nach den §§ 31, 89, 823 BGB, müßte die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte schon nach der bisherigen Rechtsprechung (BGH VersR 1956, 504; 1958,883; 1963, 551; 1964, 672; 1965, 336; 1967, 949; 1969, 44; BGHZ 37,69; 60,92) angenommen werden. Nach Ansicht des Senats lassen sich jedoch die Zweifel, daß Verletzungen der Verkehrssicherungspflicht auf dem Rheinstrom nicht dem bürgerlich-rechtlichen, sondern dem öffentlich-rechtlichen Handlungsbereich der Bundesrepublik Deutschland zuzuordnen sind, nicht übersehen.
Für die Abgrenzung von bürgerlich-rechtlichem und öffentlich-rechtlichem Handlungsbereich ist nicht die öffentlichrechtliche Natur der Aufgabe, das mit der Tätigkeit verfolgte öffentliche Interesse, die Rücksichtnahme auf Gemeinschaftsbelange maßgebend, vielmehr kommt es darauf an, ob aus den Gesamtumständen, insbesondere aus dem sachlichen und organisatorischen Zusammenhang der Tätigkeit mit der öffentlich-rechtlichen Zuständigkeit der juristischen Person und ihrer öffentlichen Aufgabe sich der Wille ergibt, die Handlung als Hoheitsträger amtlich oder unter Inanspruchnahme der auch Privatpersonen gegebenen Rechtsformen und Rechtsnormen vorzunehmen (BGHZ 17,317; 20,102; RGRKSteffen, 12. Aufl., Vor 89 Rdn. 14 f). Entscheidend ist die Zielsetzung des Handelns. In Zweifelsfällen, in denen es sich um eine Zielsetzung handelt, die sowohl von der öffentlichen Hand mit hoheitlichen Mitteln, als auch auf der Ebene des Privatrechts verfolgt werden kann, ist entscheidend, wie die öffentliche Hand die Bewältigung der Aufgabe organisiert hat (BGHZ 9,145; 27,278; 38,49; 60,54; RGRKa.a.O. Rdn. 16; Palandt, BGB, 40. Aufl. § 839 Anm. 2 c, aa.).
Der Bundesgerichtshof hat zwar in ständiger Rechtsprechung die Pflicht, für die Sicherheit der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze sowie der Wasserstraßen zu sorgen, als Ausfluß der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht dem bürgerlichrechtlichen Bereich zugeordnet (BGHZ 9,373; 14,83; 16,95; 20,57; 54,165; 60,54). Für den Bereich der Bundeswasserstraßen, hier den Rheinstrom, kann daran nicht festgehalten werden. Denn die Unterhaltung und der Betrieb der bundeseigenen Schiffahrtsanlagen sind nach § 7 Abs. 1 Bundeswasserstraßengesetz Hoheitsaufgaben des Bundes. Auch das Setzen und Betreiben von Schiffahrtszeichen, die für die Schiffahrt auf Bundeswasserstraßen gelten, gehört zu den Hoheitsaufgaben des Bundes (§ 34 Abs. 1 WaStrG). Eine Abgrenzung der Stromunterhaltung von der Verkehrssicherung ist nach Überzeugung des Senats nicht sinnvoll, weil die Maßnahmen der Stromunterhaltung mit denen der Verkehrssicherung in einem inneren Zusammenhang stehen, aufeinander abgestimmt voneinander abhängig sind (vgl. RGRKSteffen, a.a.0. Rdn. 28). Darauf weisen auch die von dem Bundesminister für Verkehr erlassenen Richtlinien vom 1. 10. 1974 für die Verkehrssicherung auf dem Rhein hin. Ihre Aufgaben nimmt die Bundesrepublik durch die Bundeswasserstraßenverwaltung wahr, die nach § 45 WaStrG zur Durchführung des Bundeswasserstraßengesetzes zuständig ist. Die Bundesrepublik bedient sich also besonderer Behörden für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Stromunterhaltung und Verkehrssicherung, der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen einen der nachgeordneten Wasser- und Schiffahrtsämter.
Unter diesen Umständen richtet sich die Haftung der Bundesrepublik für Schäden infolge einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht nach den §§ 31, 89,823 BGB, sondern nach § 839 BGB i.Vbg. mit Art. 34 GG, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. 1. 1980 - 3 U 117/79 - in anderem Zusammenhang ausgeführt hat. In dem Fall der auf dem Rheinstrom verunglückten Seefähre „TINA SKARLETT" hat der Bundesgerichtshof (BGH NJW 1966, 1511 = VerR 1966, 650) eine Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte verneint, weil die Klage auf eine Amtspflichtverletzung der Beamten der Schiffsuntersuchungskommission bei der Erteilung -der Fahrerlaubnis für dieses Schiff gestützt worden war. Dazu hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, es entspreche allgemeiner Rechtsüberzeugung, daß der Gerichtsbarkeit eines Staates das hoheitliche Handeln eines fremden Staates nicht unterworfen sei (RGZ 157,389; BGHZ 19,341 = NJW 1956, 546; BVerfGE 16,27 = NJW 1963, 1732). Wolle sich ein Staat in seiner hoheitlichen Betätigung der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates oder einer internationalen Institution unterwerfen, so bedürfe es hierfür einer ausdrücklichen Vereinbarung. Eine solche enthalte die Mannheimer Akte nicht. Kein Uferstaat habe sein hoheitliches Handeln durch Art. 34 Nr. II c der rev. Rheinschifffahrtsakte der Gerichtsbarkeit eines anderen Uferstaates unterworfen. Dem hat sich die Berufungskammer der Zentralkommission angeschlossen (ZfB 1975, 81).
Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Uferregierungen durch Art. 28 der Mannheimer Akte zur Stromunterhaltung und nach Art. 30 zur Beseitigung von Schiffahrtshindernissen verpflichtet haben, also Vereinbarungen über einen Zweig staatlicher Betätigung durch die Mannheimer Akte verbindlich getroffen haben. Unter diesen Umständen ist es naheliegend, eine Zuständigkeit der zur Beilegung von bestimmten Streitigkeiten geschaffenen Rheinschiffahrtsgerichten anzunehmen, wie das in der Vergangenheit stets angenommen worden ist, ohne daß insoweit begründete Zweifel hervorgetreten wären. Wie der Bundesgerichtshof (BGHZ 60,92) ausgeführt hat, hat diese Rechtsprechung, soweit sie vor der Revision der Mannheimer Akte in dem Straßburger Übereinkommen vom 20. November 1963 liegt, keine Veranlassung zu einer Abänderung der Mannheimer Akte gegeben, obwohl es nahe gelegen hätte, die Zuständigkeitsregelung in Art. 34 Nr. II c zu ändern, wenn man die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte bei Ansprüchen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hätte verneinen wollen.
Der Senat meinte deshalb, der rechtlichen Qualifikation der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht als Amtshaftungsanspruch keine ausschlaggebende Bedeutung für die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte beimessen zu müssen, weil sich die Zuständigkeit in diesem Sonderfall unmittelbar aus der Mannheimer Akte selbst ergibt.
II.
Mit Recht hat das Rheinschiffahrtsgericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Bediensteten der Bundeswasserstraßenverwaltung unter den hier gegebenen Umständen verneint.
...
Zu einer Suche nach der Bake bestand nach Ziff. 8 der Richtlinien für die Verkehrssicherung auf dem Rhein des Bundesministers für Verkehr vom 1. 10. 1974 kein begründeter Anlaß. Denn die Radarbake war mit einer Kette an ihrem Betonfundament befestigt und konnte im Falle einer Anfahrung nicht verlorengehen. Sie brach an den vorgesehenen Sollbruchstellen lediglich ab, wurde dann aber durch die Kette gehalten. Ein Verlust der Bake wurde hierdurch vermieden. Zur gelegenen Zeit konnte die Bake wieder aufgestellt werden.
Sicher bildete die Bake, wenn sie entgegen der Planung aufschwamm, ein Schiffahrtshindernis. Unter diesen Umständen mußte sie gekennzeichnet werden, wie das Ziff. 10 der Richtlinien für Schiffahrtshindernisse vorsieht. Eine sofortige Bergung sieht diese Richtlinie aber nicht vor. Sie war auch nicht erforderlich, weil nach der Kennzeichnung keine Gefahren mehr zu besorgen waren. Ihrer Pflicht zur Kennzeichnung der Radarbake hat die Beklagte genügt, indem drei Tonnen ausgelegt worden sind. Nach den Bekundungen des Zeugen L. im Verklarungsverfahren hat das Wasser- und Schiffahrtsamt Duisburg-Rhein bei km 831,0, km 831,25 sowie bei km 831,75 rot-weiße Tonnen auslegen lassen, um der Schiffahrt eine Navigationshilfe zu geben. Zugleich wurde damit auch die abgefahrene Bake ausreichend gekennzeichnet, wenn auch die rot-weißen Bojen jeweils 250 m oberhalb und unterhalb ausgelegt wurden. Denn die Bojen dienten zugleich auch der Kennzeichnung der Buhnenstreichlinie, die dem Uferverlauf folgt, also im Unfallrevier auch der Stromkrümmung. Diese zur Begrenzung des Fahrwassers und zur Leitung der Schiffahrt ausgelegten Bojen mußte der Kläger als Sportbootfahrer ebenso wie die gewerbliche Schiffahrt beachten. Wurden diese Zeichen näher als 5 m angehalten, bestand die Gefahr des Aufsetzens. Die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen empfehlen deshalb einen Abstand von der Streichlinie von 15 m (vgl. Bemm-Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung, S. 297). Hielt der Kläger diesen Abstand ein, konnte eine etwa aufschwimmende Bake nicht in den Propeller des Sportboots geraten, da die Boje nicht in die gesicherte Fahrrinne hineinragte. Beachtete der Kläger die durch die Stromkrümmung geprägte Buhnenstreichlinie, wie das seine Pflicht gewesen wäre, bestand für sein Fahrzeug keine Gefahr, auch wenn zwischen den Bojen ein Abstand von 500 m bestand.
...“