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Leitsatz:
Nach Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 32 a Abs. 4 Ziff. 1 BSchV soll durch die Gewährung von Abwrackprämien ein Anreiz zur Verringerung unwirtschaftlichen, technisch veralteten Schiffsraumes gegeben werden. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass diese Vorschrift die Existenz des Schiffes bei Inkrafttreten des
Gesetzes voraussetzt.
Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf
Urteil
vom 14. Mai 1971
Zum Tatbestand:
Der Kläger verlangte als Kleinbetrieb am 5. 2. 1969 eine Abwrackprämie und einen Zuschuss für ein 176 t großes, im Jahre 1907 hergestelltes und 1937 umgebautes Motorschiff, das im Jahre 1953 vom Kläger erworben, im Juni 1967 abgewrackt und am 28. 1. 1969 im Binnenschiffsregister gelöscht worden war.
Die beklagte WSD Duisburg lehnte den Antrag ab, weil das Schiff schon vor Inkrafttreten der Novelle zum Binnenschiffsverkehrsgesetz vom 28. 12. 1968 abgewrackt worden sei.
Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen. Darauf erhob der Kläger Klage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit dem Antrage, die Bescheide der WSD aufzuheben und die Beklagte für verpflichtet zu erklären, die Abwrackprämie und einen Zuschuss zur Abwrackprämie zu bewilligen. Ferner beantragte er, ihm für die Durchführung der Klage das Armenrecht zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung des Armenrechts zurückgewiesen. (Die Klage ist noch nicht entschieden.)
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag ist zurückzuweisen, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Nach § 32 a Abs. 1 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr (Binnenschifffahrtsverkehrsgesetz - BSchVG -) in der Bekanntmachung vom B. 1. 1969, BGBI 1 S. 65, wurde zur Behebung verkehrs- und volkswirtschaftlicher Schäden in der Binnenschifffahrt, insbesondere eines Überhangs an Schiffsraum, bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Duisburg ein Abwrackfonds gebildet, aus dem Prämien an Schifffahrttreibende gezahlt werden, die unwirtschaftliche Schiffe abwracken. Prämien werden nur für das Abwracken solcher Schiffe gewährt, die nach dem 1. 1. 1967 innerhalb einer vom Bundesminister für Verkehr durch Rechtsverordnung festgelegten Zeitraums, der mindestens 1 Jahr betragen muss, überwiegend zwischen deutschen Lade- und Löschplätzen zu Verkehrsleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 oder zu gleichartigen Leistungen im Sinne des § 65 des Hamburgischen Hafengesetzes vom 21. 12. 1954 verwendet worden sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger schon deshalb nicht, weil sein Schiff bereits Mitte Juni 1967 abgewrackt worden ist und daher nicht mindestens 1 Jahr lang nach dem 1. 1. 1967 Verkehrsleistungen erbracht hat.
In § 32a Abs. 4 Ziff. 1 BSchVG wurde der Bundesminister für Verkehr ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass es abweichend von Abs. 1 Satz 2 für die Gewährung von Prämien genügt, wenn das Schiff am 1. 1. 1967 in einem Binnenschiffsregister im Geltungsbereich dieses Gesetzes eingetragen war. Diese Vorschrift stellt jedoch keine echte Alternative hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen gegenüber § 32a Abs. 1 Satz 2 BSchVG dar. Jene Vorschrift will vielmehr lediglich demjenigen, der die Voraussetzungen des § 32a Abs. 1 BSchVG erfüllt, den Nachweis dieser Voraussetzungen erleichtern.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass man allein auf Grund des Wortlauts des § 32 a Abs. 4 Ziff. 1 BSchVG zu der Annahme gelangen könnte, dass diese Vorschrift den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitern wolle. Der Wortlaut allein ist jedoch für die Auslegung nicht entscheidend. Vielmehr sind Sinn und Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen. Diese ergeben sich aus dem ersten Satz des § 32 a BSchVG, der die Hintergründe der Abwrackaktion aufzeigt. Noch deutlicher wird das Ziel der Aktion, wenn man die Entstehungsgeschichte des § 32 a heranzieht. Die Abwrackaktion ist Teil des verkehrspolitischen Programms der damaligen Bundesregierung für die Jahre 1968 bis 1972, das Maßnahmen auf allen Sektoren des Verkehrs vorsah.
Um die Funktionsfähigkeit der Binnenschifffahrtsmärkte zu verbessern und den Markt zu bereinigen, sollte unwirtschaftlicher, d. h. technisch veralteter Schiffsraum ausgesondert werden. Es sollte verhindert werden, dass unwirtschaftlicher Schiffsraum weiterhin zu ruinösen Frachten angeboten wurde. Der Anreiz zur Verringerung des Schiffsraums sollte durch die Gewährung von Abwrackprämien gegeben werden.
Vgl. Bundestagsdrucksachen V/2494, insbesondere unter „Binnenverkehr" bzw. „Binnenschifffahrt"; vgl. auch die Anträge der Fraktion der CDU/CSU betreffend verkehrspolitische Vorschläge, Teil XI, in Bundestagsdrucksachen V/2524.
Wenn demnach Sinn und Zweck des Gesetzes ist, durch den Abbau des Kapazitätsüberhangs das Gleichgewicht zwischen dem angebotenen Schiffsraum und der zu erwartenden Nachfrage wieder herzustellen, kann es nicht zweifelhaft sein, dass durch Abs. 4 des § 32 a BSchVG die Existenz des Schiffes bei Inkrafttreten des Gesetzes voraussetzt.
Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Die Regelung des § 32 a Abs. 4 Ziff. 1 BSchVG war in dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf nicht enthalten; sie ist erst auf Vorschlag des Verkehrsausschusses eingefügt worden. Zur Begründung dieser Ergänzung heißt es im Bericht des Verkehrsausschusses - Bundesdrucksache V/3414 -:
„Die Ermächtigung des Bundesministers für Verkehr zum Erlass einer Rechtsverordnung im Rahmen der Abwrackvorschriften wurde neu gefasst und entsprechend Artikel 80 BG ausgestaltet. Im Interesse einer vereinfachten Handhabung kann bei Schiffen, die am Stichtag in einem deutschen Binnenschiffsregister eingetragen waren, auf den Nachweis des überwiegenden Einsatzes verzichtet werden."
Die Vorschrift des § 32 a Abs. 4 Ziff. 1 BSchVG ist somit dahin zu verstehen, dass der Bundesminister für Verkehr ermächtigt wurde, zu bestimmen, dass es für den Nachweis, der Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 2 für die Gewährung der Prämie genüge, wenn das Schiff am 1. 1. 1967 in einem Binnenschiffsregister im Geltungsbereich dieses Gesetzes eingetragen war. § 32a Abs. 4 Ziff. 1 enthält also eine Tatsachenvermutung .
Der Kläger kann sich für seine Auffassung nicht auf den Wortlaut des § 1 Ziff. 2 der Verordnung über die Gewährung von Abwrackprämien in der Binnenschifffahrt vom B. 1. 1969 berufen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Verordnungsgeber die ihm in § 32a Abs. 4 Ziff. 1 BSchVG erteilte Ermächtigung überschreiten und die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämie erweitern wollte. Es liegt daher nahe, die Prämienverordnung „ermächtigungskonform" auszulegen. Wenn aber § 1 Ziff. 2 Prämienverordnung in dem vom Kläger dargelegten Sinne verstanden werden müsste, dass nämlich die Eintragung eines Schiffes im Binnenschiffsregister zum 1. 1. 1967 den Prämienanspruch ohne Rücksicht auf die tatsächliche Existenz des Schiffes auslöst, wenn die Ersteintragung in einem Register mindestens 20 Jahre zurückliegt, wäre die Vorschrift nichtig, da sie durch die Ermächtigungsnorm nicht gedeckt wäre. Sie würde somit auch bei dieser Auslegung als Anspruchsnorm für den Kläger ausscheiden.
Soweit der Kläger die Bewilligung von Zuschüssen zu Abwrackprämien begehrt, bietet seine Klage ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2 Zuschussrichtlinien werden Zuschüsse u. a. nur unter der Voraussetzung gewährt, dass zugleich eine Abwrackprämie für dasselbe Objekt bewilligt wird. Der Zuschuss ist demnach von der Gewährung der Prämie abhängig. Da dem Kläger diese nicht zusteht, scheidet schon aus diesem Grunde die Bewilligung eines Zuschusses aus."