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294 Z - 17/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Rheinschiffahrtsgericht)
Date du jugement: 08.12.1993
Numéro de référence: 294 Z - 17/93
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Rheinschiffahrtsgericht

Leitsätze:

1) Hat sich ein Staat der Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nach Art. 34 Nr. II c MA durch schlüssiges Verhalten unterworfen, ist - auch nach hoheitlicher Tätigkeit - in einem Widerruf der Unterwerfung im Berufungsverfahren ein unzulässiges venire contra factum proprium zu sehen. 

2) Die in einer verspäteten Klageerwiderung enthaltenen Verteidigungsmittel können nach § 296 Abs. 1 ZPO zugelassen werden, wenn die Erledigung des Rechtsstreits dadurch nicht verzögert wird.

3) Eine angeblich fehlerhafte Vernehmung ist gemäß § 295 Abs. 1 ZPO geheilt, wenn weder die Anordnung der Vernehmung noch die Vernehmung selbst in erster Instanz gerügt worden ist.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 08.12.1993

294 Z - 17/93

(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)

Zum Tatbestand:

 

Der Kläger ist Eigentümer des MS „Azolla". Er nimmt die Beklagte zu 1 als Eignerin des Eimerkettenschwimmbaggers „Siegfried" und den Beklagten zu 2 als Schiffsführer dieses Fahrzeugs wegen eines Unfalls auf Schadensersatz in Anspruch, den MS „Azolla" am 13.8.1990 gegen 12.15 Uhr bei Rhein-km 361,7 erlitten hat. MS „Azolla" fuhr beladen auf dem Oberrhein zu Berg. Am Ruder stand der Lotse S. Nach Durchfahren des linksrheinischen Landbogens der - inzwischen durch einen Neubau ersetzten - Eisenbahnbrücke Maxau (Rhein-km 362) passierte das Schiff unmittelbar den Bagger „Siegfried". Dieser lag Kopf zu Berg etwa 160 m aus dem rechten Ufer. Von seiner Steuerbordseite führte zum linken Ufer eine Befestigungskette (Seitenankerkette Steuerbord). Beim Befahren dieses Bereiches erlitt MS „Azolla" Schäden an der Ruderanlage und an der Schraube.

Der Kläger hat behauptet, daß die Ankerkette des Baggers nicht hinreichend gefiert und deshalb samt der Ankerboje in die Schraube seines Fahrzeugs geraten sei. Die Beklagten haben vorgetragen, daß die Steuerbordseitenankerkette des Baggers zum Unfallzeitpunkt ohne Spannung auf der Stromsohle gelegen habe und von dem Bergfahrer nicht erfaßt worden sei; vielmehr habe sich dieser zu nahe am linken Ufer gehalten, dort die Ankertonne (Döpper) angezogen, so daß sich der Tonnendraht um dessen Schraube und deren Welle gewickelt habe.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

„I. Entgegen der von der Beklagten in ihrer schriftlichen Berufungserwiderung geäußerten Ansicht ist im Streitfall die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte gegeben.

1. Nach Art. 34 Nr. II c der Revidierten Rheinschiffahrtsakte sind die Rheinschifffahrtsgerichte in Zivilsachen „kompetent" zur Entscheidung über Klagen „wegen der Beschädigungen, welche Schiffer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden andern verursacht haben". Diese Vorschrift hat die Berufungskammer dahin ausgelegt, daß die darin genannten Schiffahrtsphasen nur beispielhaft gemeint sind; die Vorschrift begründet die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte für alle Schadensfälle, die sich bei der Verwendung eines Schiffes auf dem Rhein oder in den am Strom liegenden Häfen ereignen (Urt. v. 15.2.1969, ZfB 1969, 168 - MS „St. Gerard" Urt. v. 16.12.1974 - 29 Z - 5/74, ZfB 1975, 81 - MS „VTG 114"). Verneint hat sie die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte hingegen, wenn ein Schiff beim Benutzen dieser Gewässer dadurch einen Schaden erlitten hat oder haben soll, daß derjenige, dem die Verkehrssicherungspflicht für die Gewässer jeweils obliegt, schuldhaft gegen diese Pflicht verstoßen hat oder haben soll; in derartigen Fällen handle es sich nicht um Beschädigungen, die ein Schiffer andern zugefügt hat (so zuletzt Urt. v. 17.6.1993 - 285 Z - 11/93).

2. Hier geht es um einen Schaden, den das MS „Azolla" des Klägers beim Passieren des Eimerkettenschwimmbaggers „Siegfried" der Beklagten zu 1 erlitten haben soll, weil der Beklagte zu 2 es schuldhaft unterlassen habe, die Steuerbordseitenankerkette des von ihm geführten Baggers hinreichend zu fieren, so daß sie, wie der Kläger weiter behauptet hat, samt der Ankerboje in die Schraube des MS „Azolla" geraten sei. Die vorliegende Klage betrifft demnach einen Schaden, den ein Schiffer beim Einsatz seines Schwimmbaggers auf dem Rhein andern verursacht haben soll.

3. Nun hat es sich allerdings bei diesem Einsatz um eine hoheitliche Staatstätigkeit gehandelt. Das ergibt sich aus § 7 Abs. 1 des deutschen Bundeswasserstraßengesetztes, wonach die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen, wie beispielsweise die Ausführung von Arbeiten an einem Baggerfeld mit einem Schwimmbagger, Hoheitsaufgaben des Bundes sind, wobei die Qualifikation als hoheitliche oder nichthoheitliche Staatstätigkeit grundsätzlich nach nationalem Recht vorzunehmen ist (vgl. Beschl. des deutschen BVerfG v. 30.4.1963 - 2 BVM 1/62, NJW 1963, 1732, 1735). Ferner ist nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts anerkannt, daß ein Staat, jedenfalls soweit es um die Ausübung hoheitlicher Tätigkeit geht, von der Jurisdiktion anderer Staaten oder internationaler Gerichte, wie der entscheidenden Berufungskammer, befreit ist. Indessen kann sich ein Staat, weil seine Immunität verzichtbar ist, aber freiwillig der Jurisdiktion eines anderen Staates oder eines internationalen Gerichts, und zwar auch durch schlüssiges Verhalten, unterwerfen (vgl. Urt. der Berufungskammer v. 2.9.1992 - 262 Z - 11/92, VersR 1993, 727 und ZfB 1993 Nr. 4, 37 Koos/ Walter Turk). Das ist hier dadurch geschehen, daß die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren stets nur Einwendungen sachlicher Art erhoben und die Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Rheinschiffahrtsgerichts nicht gerügt haben, was um so näher gelegen hätte, als § 282 Abs. 3 der deutschen ZPO bestimmt, daß der Beklagte Einwendungen, welche die Zuständigkiet der Klage betreffen, vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen hat. Haben sich aber die Beklagten durch schlüssiges Verhalten der Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte unterworfen, so ist in einem Widerruf der Unterwerfung in dem Berufungsverfahren ein unzulässiges venire contra factum prorium zu sehen (vgl. Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht 2. Aufl. S. 470). Offen kann danach, wie schon in dem vorerwähnten Urteil der Berufungskammer v. 2.9.1992 - 262 Z - 11/92, bleiben, ob eine Unterwerfung unter die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte sich in Fällen der vorliegenden Art auch unmittelbar aus der Revidierten Rheinschiffahrtsakte selbst entnehmen läßt. Immerhin spricht Art. 34 Nr. II c der Akte von einem Schiffer schlechthin und unterscheidet nicht auch danach, ob dieser eine privat- oder öffentlichrechtliche Tätigkiet ausübt.

II. Die Berufungskammer hält die Angriffe des Klägers gegen das angefochtene Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts nicht für durchgreifend.

1. Was die Verfahrensrügen des Klägers angeht, ist folgendes zu bemerken:
a) Die Beklagten haben die schriftliche Klageerwiderung nicht innerhalb der ihnen vom Rheinschiffahrtsgericht gesetzten Frist (8.7.1991) eingereicht, sondern erst verspätet am 20.8.1991. Die darin enthaltenen Verteidigungsmittel konnte das Rheinschifffahrtsgericht deshalb nach § 296 Abs. 1 ZPO nur zulassen, wenn nach seiner freien Überzeugung ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögerte oder wenn die Beklagten die Verzögerung genügend entschuldigten. Hier liegt nach dem Inhalt der Akten auf der Hand, daß die verspätete Einreichung der schriftlichen Klageerwiderung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögerte. So konnte nicht nur der frühe erste Termin vom 22.8.1991 durchgeführt, von den Parteien zur Sache verhandelt, der Beklagte zu 2 informatorisch gehört, sondern auch bereits ein Beweisbeschluß erlassen werden. Es war daher nicht verfahrensfehlerhaft, daß das Rheinschiffahrtsgericht den Inhalt der schriftlichen Klageerwiderung seitens der Beklagten nicht als verspätet zurückgewiesen hat. 
b) Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Vernehmung des Beklagten zu 2 über den Hergang des Schiffsunfalls am 10.12.1991 gemäß § 448 ZPO angeordnet. Weder diese Anordnung noch der Vernehmung selbst im Termin vom 16.1.1992 hat der Kläger widersprochen; auch hat er die Unzulässigkeit der Vernehmung bei der nächsten mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Damit ist die nunmehr von dem Kläger behauptete fehlerhafte Anwendung des § 448 ZPO durch das Rheinschiffahrtsgericht gemäß § 295 Abs. 1 ZPO geheilt. Infolgedessen ist die angeblich fehlerhafte Vernehmung des Beklagten zu 2 als von Anfang an gültig zu behandeln. 
c).... 
d)....

2. Die Berufungskammer stimmt mit dem Rheinschiffahrtsgericht überein, daß der Kläger nicht hat beweisen können, daß der Beklagte zu 2 die Steuerbordseitenkette des von ihm geführten Schwimmbaggers nicht hinreichend abgefiert gehabt habe und es dadurch zu den geltendgemachten Schäden an MS „Azolla" gekommen sei. 
a) Aus der von den Beklagten dem Rheinschiffahrtsgericht übergebenen, vom Wasser- und Schiffahrtsamt Mannheim im Maßstab 1:2000 gefertigten „Situationsdarstellung" des Unfallbereichs ist, soweit deren Inhalt unstreitig ist, zu entnehmen: die Strombreite betrug 260 m; etwa in der Mitte des Stromes befand sich ein von Strom-km 361,5 bis 361,93 reichender Grund (Baggerfeld) von unterschiedlicher Breite; auf Höhe der Unfallstelle (361,7) war dieser etwas mehr als 60 m breit; die Fahrrinne verlief linksrheinisch zwischen dem Grund und dem linken Ufer mit einer Breite von etwa 90 m; der Steuerbordseitenanker lag etwa 10 m aus dem linken Ufer; an ihm war mit einem 20 m langen Draht die Ankerboje (Döpper) befestigt. 
b) Das Rheinschiffahrtsgericht hat zu dem Schiffsunfall den Kläger, den Beklagten zu 2, den Lotsen S. von MS „Azolla" und den Matrosenmotorenwart F. des Schwimmbaggers „Siegfried" gehört. Von ihnen konnte keiner aus eigener Wahrnehmung über den eigentlichen Unfallhergang berichten, da sich dieser unter der Wasseroberfläche zugetragen hat.... Der Kläger hat angegeben, mit MS „Azolla" an der Unfallstelle etwa in der Mitte des 80 bis 90 m breiten Fahrwassers gefahren zu sein bei einem seitlichen Abstand von etwa 30 m zu dem Bagger und von etwa 40 bis 50 m zum linken Ufer. Ähnlich hat sich der Lotse S. geäußert, der selbst MS „Azolla" gesteuert hat und deshalb entgegen der Ansicht des Klägers nicht als neutraler Zeuge angesehen werden kann.
Folgt man diesen Angaben, so könnte eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Vortrag des Klägers sprechen, MS „Azolla" habe in Fahrwassermitte die Steuerbordseitenankerkette des Baggers aufgefischt, von der sich sodann ein Teil um dessen Schraube gewickelt habe.

Demgegenüber hat der Beklagte zu 2 von der Wasserschutzpolizei erklärt, MS „Azolla" sei zum Unfallzeitpunkt in gleicher Höhe im Abstand von etwa 80 m gefahren, also nahe am linken Ufer. Ähnlich hat er vor dem Rheinschiffahrtsrichter bekundet, MS „Azolla" sei dort gefahren, wo am linken Ufer die Seitenverankerung des Baggers mit der gelben Tonne im Wasser gelegen habe. Ferner will er gesehen haben, wie die Tonne direkt am Heck im Schraubenwasser des MS „Azolla" gewesen sei; offensichtlich habe der Tonnendraht irgendwie am Heck des MS „Azolla" fest geschienen und das Schiff habe mit diesem Draht den Anker zu Berg gezogen. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat der Beklagte zu 2 allerdings seine Entfernungsangabe relativiert, nämlich daß MS „Azolla" „näher am Ufer war, als bei mir". In diese Richtung geht auch die Bekundung des Zeugen F. („Siegfried") vor dem Rheinschiffahrtsrichter, er schätze, daß MS „Azolla" vielleicht 20 bis 30 m vom linksrheinischen Ufer entfernt gewesen sei, genau könne er das aber nicht sagen. Damit könnte es nach den Aussagen der Besatzung des Schwimmbaggers „Siegfried" nicht ausgeschlossen sein, daß MS „Azolla" beim Passieren des Baggers den Festhaltedraht der Ankertonne eingefangen hat, zumal der Bergfahrer nach den Angaben des Lotsen S. „unheimlich schnell" war, so daß er vor dem Passieren noch die Maschine gedrosselt habe, damit der Sog nicht zu stark würde.

Bei den vorstehend wiedergegebenen - einander widersprechenden - Angaben des Klägers und des Lotsen S. einerseits sowie des Beklagten zu 2 und des Zeugen F. andererseits zum Kurs des MS „Azolla" läßt sich nicht feststellen, ob dieses Fahrzeug etwa in der Mitte der Fahrrinne oder im Bereich der Tonne des Steuerbordseitenankers des Baggers „Siegfried" zu Berg gekommen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers kann zu diesem Punkt auch nichts Entscheidendes beitragen, daß der Beklagte zu 2 vor der Wasserschutzpolizei erklärt hat, er habe während der Baggerarbeiten bemerkt, daß die Steuerbordseitenankerkette plötzlich durchgerauscht und MS „Azolla" in die Schraube geraten sei. Denn hiervon abweichend hat der Beklagte zu 2 vor dem Rheinschiffahrtsrichter bekundet, der Baggervorgang sowie das Ziehen des Baggers in Richtung linkes Ufer sei bereits beendet gewesen, als die Seitenankerkette durch das Mitziehen des Ankers durch MS „Azolla" rack geworden und worauf er erst durch einen Krach von der Kette aufmerksam geworden sei. Hierzu hat der Zeuge F. bestätigt, daß zum Zeitpunkt des Unfalls „Siegfried" die Baggerarbeiten unterbrochen hatte, „da die Mittagszeit war"; auch der Kläger selbst hat gegenüber dem Rheinschiffahrtsrichter davon gesprochen, daß zum Unfallzeitpunkt nicht gebaggert worden ist und er „glaube, daß es zu dem Unfall gekommen ist, weil von Seiten des Baggers vergessen worden ist, die Kette vollständig zu fieren". Im übrigen haben der Kläger und der Lotse S. aus eigener Wahrnehmung nur bestätigen können, daß der Tonnendraht in die Schraube des MS „Azolla" geraten, danach abgerissen und bei der Fortsetzung der Fahrt des Schiffes bis zur Schleuse Iffezheim laufend gegen die Bordwand geschlagen ist; demgegenüber beruht ihre Angabe, „sie" hätten zunächst die Steuerbordseitenankerkette des Baggers in die Schraube bekommen, nur auf Vermutungen infolge eines von ihnen gehörten „Knalls". Bei allem vermag die Berufungskammer nicht festzustellen, wie der Unfallhergang tatsächlich verlaufen ist, was zu Lasten des für seine Unfallschilderung beweispflichtigen Klägers geht. Schon deshalb kann seine Klage keinen Erfolg haben. Auch braucht danach auf den von den Beklagten - ebenfalls erstmals in ihrer Berufungserwiderungsschrift - vorgebrachten Einwand nicht eingegangen zu werden, daß in jedem Falle eine Haftung des Beklagten zu 2 nach § 839 Abs. 1 des deutschen BGB in Verbindung mit Art. 34 des deutschen Grundgesetzes nicht in Betracht komme...."


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1994 - Nr.4 (Sammlung Seite 1463 ff.); ZfB 1994, 1463 ff.