Banque de données de juriprudence

288 C - 23/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 15.06.1994
Numéro de référence: 288 C - 23/93
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

15. Juni 1994

288 C - 23/93

(ergangen auf Berufung gegen das streitige Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg vom 4. Mai 1992 - NR 2/89 - )

Tatbestand und Verfahren:

Am 10. September 1988 ereignete sich laut Protokoll der Gendarmerie Fluviale Gambsheim und der Wasserschutzpolizei gegen 6.30 Uhr auf dem Rhein in der Nähe der Banc du Diable (Teufelsbank) genannten Passage bei Stromkilometer 349 und 10 Meter vom linken Ufer entfernt ein Zusammenstoß zwischen dem Fahrgastschiff "GS" unter Führung von „S“ , der bei der Versicherung "G" versichert ist und zu Tal fuhr, und dem zu Berg fahrenden einstrahligen Schubverband bestehend aus MS "„El“  „W“ " und dem Leichter "„W“  14". Der von "L" gesteuerte Verband hatte eine Länge von 95,30 m bezüglich Motorschiff und 76,50 m bezüglich Leichter und eine Breite von 11 m und 11,40 m.

Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte dicker Nebel. Die Schiffsführer fuhren unter Radar, derjenige der "GS" wurde von „D“  bedient. Sie hatten sich auf eine Vorbeifahrt Backbord/Backbord verständigt.

Die Schäden an der "GS"  beliefen sich laut kontradiktorischer Feststellung durch die Gutachter „Sa“  für den Eigentümer des Passagierschiffes und "Le" und "Fr" für die „W“  auf die Summe von 146.697,34 Franken, die direkt von der SA „GA“  an die Reparaturwerft beglichen wurde.

Mit Klageschrift vom 9. Oktober 1989 verklagte die genannte Gesellschaft, infolge Abtretung der Rechte ihres Versicherungsnehmers „S“  an sie, die Gesellschaft Reinhard „W“ ,"L" und „P“ , letzteren in seiner Eigenschaft als Generalvertreter für Versicherungen, zur Erstattung des obigen Betrages so wie zur Zahlung der Kosten und gemäß Artikel 700 neue ZPO von 20.000 Franken.

Zur Untermauerung ihres Antrags führt die Gesellschaft „GA“  aus, dass das linke Rheinufer, dort, wo die "Teufelsbank" anfängt, einen leichten Absatz bildet, durch den der Kapitän Lasch gezwungen war, nach Backbord zu schwenken. Bei diesem Manöver hat er jedoch die Stärke der Strömung nicht ausreichend berücksichtigt, so dass der Verband zu weit drehte und der Leichter "„W“  14" mit seinem Backbordende gegen die backbordseitige  Außenhaut der "GS" stieß und diese von 22 m bis 32 m vom Ende her gerechnet auf eine Länge von 10 m eindrückte, wobei das Schiff eine Länge über alles von 75,60 m auf eine Breite von 9,92 m aufweist.

Laut Klägerin hat der Kapitän der „W“  zudem den Fehler begangen, der "GS", die als Talfahrer Vorfahrt hatte,  nicht ausreichend Platz zu lassen. Entgegen den Angaben im Protokoll der Gendarmerie erfolgte der Zusammenstoß übrigens nicht bei km 349 sondern, wie aus den örtlichen Gegebenheiten und den verschiedenen Zeugenaussagen zu schließen ist, in der Nähe des Flusskilometers 348,8. Diese Stelle stellt eine Fahrenge dar, auf Grund derer der Kapitän "L" vor dem Begegnen hätte anhalten müssen.

Gestützt auf die derart beschriebenen Fehler steht fest, dass der Betroffene die vollständige Verantwortung trägt.

Die Gesellschaft „W“, „L“ und „P“  haben der Klage mit Antrag vom 21. Februar 1990 widersprochen und  „C“, „S“  und  „D“  ihrerseits auf Anschließung verklagt. Infolge eines Irrtums wurden letztere jedoch über diese Streitverkündung nicht unterrichtet, so dass sie derzeit nicht im Verfahren auftreten

Die Beklagten bestreiten die Behauptungen der Klägerin und sagen ihrerseits, dass sich der Zusammenstoß effektiv auf der Höhe des Flusskilometers 349 ereignet habe, so wie von Kapitän „S“  übrigens im Protokoll der Gendarmerie bestätigt, und dass somit das behauptete Abdrehen des Schubverbandes für das Ereignis irrelevant ist, und dass der Motor der "„W“ " im Übrigen stark genug sei, um gegen die Strömung anzukommen. Außerdem gebe es an dieser Stelle keinerlei Fahrenge.

Sie behaupten, dass im Gegenteil die "GS" sicherlich wegen ihrer geringen Geschwindigkeit von der Strömung mitgerissen worden sei und mit ihrem hinteren Backbordteil gegen die vordere Backbordseite des Leichters gestoßen sei, wie mehrere Zeugenaussagen belegen, während der Verband in Erwartung des Begegnens in unmittelbarer Nähe des linken Ufers auf der Höhe des Lauterburger Hafens still lag. Sie führen das Anfahren ebenfalls auf mangelnde Manövrierfähigkeit der "GS" zurück, die ihrer Meinung nach nicht mehr den Sicherheitsvorschriften der Rheinschiffsuntersuchungskommission entsprach.

Die Beklagten haben folglich beantragt, dass die Klage zurück gewiesen wird, dass die Gesellschaft „GA“  gemäß Artikel 700 neue ZPO zur Zahlung des Betrages von 25.000 Francs mit gesetzlichen Zinsen ab der Vorladung so wie der Verfahrenskosten unter Zubilligung von Artikel 699 neue ZPO verurteilt wird. Hilfsweise haben sie im Falle der Verurteilung gefordert, dass der Vollzug ausgesetzt wird, gegebenenfalls gegen Sicherheitsleistung, und auch die Zubilligung weitestgehender Zahlungserleichterungen. Als Widerkläger fordern sie von der Gesellschaft „GA“, Strasbourg „C“  „S“  und Guy „D“  als Ersatz für die Beschädigungen des Leichters gemeinschaftlich den Gegenwert des Betrages von 9.648 DM in Francs zum Tageskurs mit Zinsen und die Unkosten zu zahlen. Sie verlangen die vorläufige Vollstreckbarkeit der zu erwartenden Verurteilung, notfalls gegen Sicherheitsleistung.

Mit Urteil vom 10. Dezember 1990 hat der Erstrichter, der der Auffassung war, dass es angesichts der vorliegenden Thesen und ganz gleich "ob sich der Zusammenstoß nun an dieser oder jener Stelle ereignet habe" wichtig sei, festzustellen, welches der Schiffe angesichts der Strömungsverhältnisse des Flusses effektiv gegen das andere getrieben sei. Demzufolge hat er ein Gutachten angeordnet und damit H. Berg „B“ und unter Berücksichtigung aller Angaben in der Akte, insbesondere der Stoßstellen und der Stoßwirkungen möglich war, zu untersuchen, welches der beiden Schiffe gegen das andere getrieben sein könnte; kontradiktorisch alle zur Lösung des Streitfalles zweckdienlichen Untersuchungen vorzunehmen.“

Der Gutachter legte einen auf den 22. Mai 1991 datierten Bericht vor, in dem er im Wesentlichen die These der Beklagten bestätigt. Auf dem beigefügten Lageplan hat er "genau die Stelle angegeben, wo der Verband "„W“ " auf die Begegnung mit der "GS" wartete“. Er war der Meinung, dass der Verband, "da die Wartezeit eine Weile dauerte, sich in einer relativ stabilen Lage habe befinden müssen, und zwar parallel zum linken Ufer, längs der Trennmole zwischen Rhein und Hafen Lauterburg, mit der Spitze des Verbandes bei Flusskilometer 349,07, d.h., etwa hundert Meter unterhalb der am weitesten flussab von der Banc de l’Au liegenden roten Tonne. Bezug nehmend auch auf die Zeugenaussage des H. „D“ , der zu folge der rückwärtige Schiffsteil der "GS" nach Passieren der roten Tone zu stark nach Backbord gekommen war, so wie auf die von "Le" an der unteren Schiffswand des Leichters „W“  festgestellten Schrammspuren, ist seine Schlussfolgerung, dass es die "GS" war, die gegen den besagten Leichter getrieben ist.

Die Klägerin hat dieses Gutachten heftig kritisiert und von ihrem eigenen Berater, H. „Sa“ , eine "gutachtliche Feststellung" vom 30. April 1991 beigebracht. Dieser ist auf Grund der verschiedenen festgestellten Fakten und der örtlichen Gegebenheiten der Meinung gewesen, dass der Kapitän des Verbandes "„W“ " einen "nautischen Fehler begangen hat, indem er seinen in die Fahrenge zwischen den Flusskilometern 350 und 348 eingefahrenen Verband stoppte, wohl wissend, dass er ihn somit, ohne Fahrt, den Wirkungen der Strömung aussetzte, die auf der Höhe des Lauterburger Hafens durch besonders starken Rückfluss und Wellengang gekennzeichnet ist, und mit Sicherheit eine Gefahr für die Fahrgäste und die Besatzung der als entgegen kommend gemeldeten "GS" herauf beschwor. In einer nicht datierten Erwiderung hat der Sachverständige Berg sämtliche Kritikpunkte und Behauptungen von H. „Sa“  zurück gewiesen und seine Schlussfolgerungen in Gänze aufrecht erhalten.

Bei diesem Stand wurde die Sache, nachdem sie von der Terminliste gestrichen worden war, am 3. Juni 1991 erneut darauf gesetzt. Sie wurde am darauf folgenden 9. Dezember verhandelt. Unter Berücksichtigung der widersprüchlichen Thesen der Herren „B“ und „Sa“  und weil der Sachverständige Berg nicht auf die Bedeutung der Bestimmungen von Artikel 6.07 der Polizeiverordnung für den Eintritt des Zusammenstoßes eingegangen war, wurde von dem Gericht durch Urteil vom 4. Mai 1992 ein Obergutachten angeordnet und H. „E“ mit der selben Aufgabenstellung wie in dem Urteil vom 10. Dezember 1990 damit beauftragt.

In diesem Urteil vom 4. Mai 1992 wird die klagende Partei aufgefordert, die Gesellschaft Nordstern als den Versicherer von „W“ und die beklagte Partei zu ersuchen, genaue Angaben zu der Person von H. „P“  zu machen, der laut Vermerk auf dem Rubrum des Urteils verstorben ist, und gegebenenfalls die Vorladung der zu verklagenden Parteien vorzunehmen.

Gegen dieses Urteil wurde von den Beklagten Berufung eingelegt. Sie bestreiten die Notwendigkeit eines Obergutachtens und führen an, dass der Sachverständige "B"sich unter Berücksichtigung der sowohl in seinem Bericht wie auch in der Ergänzung von H. „Sa“  gemachten "Feststellung" zu sämtlichen möglicher Weise strittigen und von der Klägerin verfochtenen Punkten geäußert habe. Zudem kritisieren sie das Urteil, indem sie die Auffassung vertreten, dass die Streitverkündung an die Nordstern nicht zweckdienlich ist, dass das Gericht sie nicht unter Bezugnahme auf Artikel 332 neue ZPO habe zwingend vorschreiben können und dass obendrein die Klage gegen die Versicherungsgesellschaft verjährt sei.

Sie beantragen die Rücküberweisung der Sache an den 1. Richter in Anwendung von Artikel 24 Abs. 3 der Geschäftsordnung und, auf die vorliegende Berufungsinstanz bezogen, die gemeinschaftliche Verurteilung der Gesellschaft „Ga“, „C“  und der H. „S“  und „D“  zur Zahlung von 25.000 Francs an sie zusätzlich MWSt und gesetzliche Zinsen ab Vorladungsdatum so wie zur Übernahme sämtlicher Kosten. Sie haben für die Verhandlung eine dokumentierte von ihrem Sachverständigen "Le" erstellte Untersuchung, datiert auf den 12.November 1992, vorgelegt.

Die Klägerin verlangte in ihrem Antrag vom 7. September 1992 unter Wiederholung obiger Argumente die Abweisung der Berufung und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung von 20.000 Francs ohne Steuern für selbst zu zahlende Verfahrenskosten (Artikel 700 neue ZPO).


Begründung

Zulässigkeit der Berufung

Nach französischem Recht, Artikel 272 neue ZPO, kann gegen ein Urteil, das ein Gutachten anordnet, unabhängig von dem Urteil in der Sache, nur mit Genehmigung des ersten ersten Präsidenten des Berufungsgerichts Berufung eingelegt werden.

Diese restriktive Verfahrensvorschrift findet jedoch im vorliegenden Fall keine Anwendung, denn im Gegensatz zu Artikel 38 Mannheimer Akte, die im Fall einer Berufung vor dem innerstaatlichen nächst höheren Gericht die Befolgung der im Lande gültigen Gesetzgebung vorschreibt, enthält Artikel 37, in dem das Berufungsrecht vor der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt geregelt wird, abgesehen von der Beschränkung durch den Streitwert, keinerlei restriktive Berufungsregelung.

Dieser strengen Textauslegung ließe sich, da es sich um ein internationales Vertragswerk handelt, keine zusätzliche, im nationalen Recht vorgesehene Bedingung hinzufügen, denn der Vertrag würde Vorrang haben.

Eine Berufung gegen ein Urteil oder eine Entscheidung eines Rheinschifffahrtsgerichts ist also dann möglich, wenn die Bedingung von Artikel 37 der Akte erfüllt ist, was in diesem Fall gegeben ist.

Die Zentralkommission hat übrigens bereits in einem ähnlich gelagerten Fall so geurteilt  "„C/H“ " (Urteil vom 13. Mai 1894 in Walter S. 32);

Die Berufung gegen das weiter oben aufgeführte Urteil, dessen Ordnungsmäßigkeit übrigens nicht bestritten wird, ist demzufolge zulässig.

Zur Sache

Angesichts der weiter oben ausgeführten Sachverhalte war der Erstrichter zu Recht der Auffassung, dass er nicht in der Lage war, sich hinsichtlich der genauen Umstände des Unfalls ein überzeugendes Bild zu machen, und hat ein weiteres Gutachten angeordnet.

Der Sachverständige Berg hat in seinem Bericht die Behauptungen der Klägerin hinsichtlich der Existenz einer Fahrenge, in die der Verband „W“  hinein gefahren sein soll, und der Übereinstimmung der von ihm angegebenen Position des Verbandes und der festgestellten Schrammspuren mit dem Verlauf des Ufers und auch nicht hinsichtlich der Auswirkung, die die laufende Schiffsschraube auf Grund ihrer Anbringung auf die Ausrichtung des Leichters eventuell durch die Wellenbewegungen am hinteren Teil des Motorschiffs haben konnte, nicht ausgeräumt.

Zu allen diesen Punkten muss im Rahmen eines neuen Gutachtens dokumentiert Stellung genommen werden.

Infolgedessen ist das Urteil, gegen das Berufung eingelegt wurde, zu bestätigen und die Sache an die erste Instanz zurück zu verweisen, damit das angeordnete Gutachten ausgeführt werden und das Verfahren gegebenenfalls abgeschlossen werden kann.  

Die übrigen Forderungen, Begehren und Anträge stehen unter Vorbehalt.

Die unterlegene Partei trägt die Kosten.

AUS DIESEN GRÜNDEN

erklärt die Berufungskammer:

Die Berufung ist in der Form zulässig, aber unbegründet und wird abgewiesen;

Die Sache wird an die erste Instanz zurück verwiesen;

Die Berufungskläger werden gemeinschaftlich zur Zahlung der Kosten des vorliegenden Verfahrens verurteilt;

Sie behält sich die Entscheidung über die übrigen Forderungen, Begehren und Anträge bis zur Endentscheidung vor.