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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 25. Februar 1994
279 C - 6/93
Tatbestand:
Die CFN, im folgenden CFNR genannt, hat im Auftrag der schweizerischen Gesellschaft BP, Sitz in Zürich, Kraftstoff der Raffinerie Herrlisheim (Niederrhein) auf dem Wasserwege zum Hafen Basel befördert.
Die CFNR ließ den Transport durch einen Verband, bestehend aus dem Schubschiff „C“ unter Führung des Kapitäns „D“, mit den zwei Leichtern CFNR 525 und 520 vor sich und dem Leichter Navis 526 hinter sich im Bergverkehr ausführen.
Im Hafen Hüningen (Oberrhein) wurden die beiden CFNR-Leichter von dem Kapitän „D“ festgemacht und er setzte den Transport nach Basel mit dem Leichter Navis fort, in der Absicht, die drei Leichter einzeln zu befördern.
Gegen 0.45 Uhr in der Nacht vom 12. Auf den 13. Juni verließ der eine der beiden mit Benzin beladenen Leichter, der CFNR 520, der am Kairand mit drei Stahltrossen festgemacht war, die jedoch rissen, als das Schubschiff „C“ den Leichter CFNR 525 bugsierte, der sich außerhalb befand, seinen Liegeplatz, wurde von der Strömung erfasst und stieß gegen die Brücke von Palmrain in Hüningen.
Von der Wasserschutzpolizei Neubreisach wurde ein Unfallprotokoll aufgenommen.
Danach wurde der Leichter bis Basel geschleppt, aber da in dem mit Benzin beladenen Leichter ein Loch festgestellt worden war, wurde nach einer vierstündigen Unterbrechung des Schiffsverkehrs die Fortsetzung der Fahrt zum Hafen Birsfeld durch die Commission d’Enquêtes Navales (Schiffsuntersuchungskommission) untersagt, was ein Umpumpen des Brennstoffs in den Leichter NAVIS 526 erforderlich machte.
Gemäß Bestimmungen Artikel 78 Gesetz vom 15. Juni 1895 wurde Herr „G“, Sachverständiger aus Basel, beauftragt, eine gemeinsame Havariedispache zu erstellen.
Laut des durch die IVR gebilligten Sachverständigenberichts vom 9. Dezember 1986 wurden 38.776,50 Schweizer Franken zu Lasten der Reederei und 92.618,50 Schweizer Franken zu Lasten der Ladung errechnet.
Da in dieser Dispache unter Posten 16 ein Vorbehalt hinsichtlich der Kostenfestsetzung für die durch die Beschädigung des Brückenpfeilers in Palmrain entstandene Entschädigung gemacht worden war, wurde in einer weiteren Dispache vom 11. Juli 1990, die am 13. Juli 1990 von der IVR gebilligt wurde, der auf die Ladung umzulegende Anteil auf 143.793,20 Schweizer Franken festgelegt.
Da die Gesellschaft BP bei der „N“, im folgenden „N“ genannt, versichert ist, wurde von dieser an Stelle der BP ein Betrag von 92.618,50 Schweizer Franken als anteilige Erstattung für die verursachten Schäden gezahlt, die Summe also, die von dem Sachverständigen in seiner ersten Dispache zu Lasten der Gesellschaft BP errechnet worden war.
Verfahren:
Mit einer am 2. Juni 1988 in der Kanzlei des Tribunal d’Instance (Amtsgericht) Strassburg, das als Rheinschifffahrtsgericht handelte, vorgelegten Klageschrift, wurde von „N“ unter Berufung auf den Umstand, dass die Klage nicht verjährt sei, da sich die Beklagte CFNR einverstanden erklärt hatte, die Verjährungsfrist, abweichend von den Artikeln 117 und 118 Gesetz vom 15. Juni 1895, bis zum 15. Juni zu verschieben, gestützt auf Artikel 79 und 58 Rheingesetzgebung vom 15. Juni 1895, Regressklage erhoben.
Diese Regressklage stützte sich auf die Überlegung, dass ein vermutetes Verschulden in sofern vorliegt, als gesetzlich festgelegt ist, dass der Spediteur für den von dem Ladegut durch Verlust oder Wertminderung erlittenen Schaden vom Zeitpunkt des Empfangs der Ware bis zu deren Auslieferung verantwortlich ist, es sei denn, er kann nachweisen, dass der Verlust oder die Wertminderung auf Umstände zurückzuführen sind, die sich der Sorgfalt eines gewissenhaften Spediteurs entziehen.
Somit bestand „N“ darauf, dass es der CVNR obliege, zu beweisen, dass das Reißen der Festmachvorrichtungen auf äußere Einwirkung zurückzuführen gewesen sei, dass jedoch dieser Beweis nicht erbracht worden sei, obzwar der Kapitän „D“, versucht habe, den Polizisten gegenüber seine Unschuld zu beteuern, indem er sich darauf berief, dass im Augenblick des Manövers der Bergfahrer „E“ Wellenschlag verursacht habe, der zum Reißen der Festmachvorrichtungen geführt habe, der Kapitän und Eigentümer der „E“ jedoch glaubhaft versichern konnte, dass er mit gedrosselter Geschwindigkeit fuhr, was durch den Umstand bestärkt wurde, dass zwei weitere Schiffe, MS „V“ und MS „J“, ebenfalls am Kai festgemacht waren und nicht ins Schlingern gerieten. „N“ führte zudem eine anonyme Zeugenaussage aus dem Protokoll an, der zufolge der vordere Teil des Leichters vermittels Spill festgemacht war, dessen Sperrvorrichtung sich unerwartet geöffnet habe.
Aus diesen Gründen verlangte „N“, die CFNR zur Zahlung des Gegenwertes von 92.618,50 Schweizer Franken in Französischen Franken einschließlich gesetzlicher Zinsen ab dem Datum der Dispache, dem 9. Dezember 1986, an die „N“ so wie, gestützt auf Artikel 700 Neue Zivilprozessordnung, zur Zahlung einer Entschädigung von 15.000 Französische Francs für Kosten und Auslagen zu verurteilen. Im Übrigen beantragte die „N“, das zu verkündende Urteil für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung zu erklären.
Die CFNR war mit Hinterlegung eines Schriftsatzes in der Kanzlei des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg am 27. Juni 1988 dem Verfahren beigetreten und hat am 2. November 1988 ihren Antrag eingereicht, in dem sie das Gericht auffordert, sich für nicht zuständig zu erklären, die „N“ anzuweisen, sich an ein zuständiges Gericht zu wenden, und sie zur Zahlung von 15.000 Französische Francs plus gesetzliche Zinsen ab Ladungsdatum so wie sämtlicher Kosten und Auslagen in Anwendung von Artikel 699 Neue ZPO zu Gunsten der Anwälte GARNON und KEMPF zu verurteilen.
Das Argument der Nichtzuständigkeit wurde mit der Überlegung begründet, dass die Klage auf Entschädigungsleistung im Zusammenhang mit der Erfüllung des Beförderungsvertrags gesehen werden müsse und folglich die Kammer für Handelsangelegenheiten des Tribunal de Grande Instance (entspr. Landgericht) Strassburg für die Entscheiden in dieser Sache angerufen werden müsse.
„N“ forderte das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg durch Antrag, der am 21. November da selbst eingereicht wurde, auf, die Klage der CFNR auf Nichtzuständigkeit abzuweisen und hilfsweise und in Anwendung von Artikel 96 Neue ZPO das Verfahren an das Tribunal de Grande Instance, Kammer für Handelsangelegenheiten, zu verweisen.
Das Gericht erklärte sich in seinem Urteil vom 27. Februar 1989 gemäß Artikel 34 und 34a Mannheimer Akte vom 17. Oktober 1868, in seiner abgeänderten Fassung des Strassburger Übereinkommens vom 20. November 1963, für zuständig, räumte jedoch ein, dass die durch die Große Havarie verursachten Kosten in diesem Fall Dritte beträfen und die Einrede gegen Artikel 34a nicht betroffen sei.
Am 13. März 1989 legte die CFNR Berufung ein und focht hilfsweise das Urteil vom 27. Februar 1989 an, forderte das Gericht auf, dieses Urteil aufzuheben, den Kläger mit seinem Antrag, die alleinige Zuständigkeit des Tribunal de Grande Instance, Kammer für Handelsangelegenheiten, Strassburg zu erklären, und wiederum hilfsweise den Streitfall an das Tribunal de Grande Instance, Kammer für Handelsangelegenheiten, Strassburg zu verweisen, „N“ gemäß Artikel 700 Neue ZPO zur Zahlung von 10.000 F so wie zur Übernahme sämtlicher Kosten und Auslagen zu verurteilen, abzuweisen.
„N“ reichte am 2. Mai 1989 in der Kanzlei des Berufungsgerichts C seinen Antrag ein und forderte das Gericht darin auf, das ergangene Urteil zu bestätigen und CFNR gemäß Artikel 700 Neue ZPO zur Zahlung von 10.000 F an sie und zur Übernahme sämtlicher Kosten und auslagen zu verurteilen.
Das Berufungsgericht C hat in seinem Urteil vom 3. Juli 1989 das ergangene Urteil bestätigt und CFNR verurteilt, der „N“ gemäß Artikel 700 Neue ZPO 3.000 F zu zahlen und die Kosten des Berufungsverfahrens zu übernehmen und hat die Sache an den Erstrichter zurück verwiesen.
Das Gericht schließt Artikel 80 Neue ZPO, kraft dessen eine Entscheidung, mit der sich der Richter zu der Zuständigkeit äußert, ohne in der Streitsache selber zu entscheiden, lediglich durch einen Widerspruch mit Hilfe der Bestimmungen von Artikel 37 Mannheimer Akte und der Artikel 3 und 4 des Gesetzes vom 21. April 1832, abgeändert durch die späteren Gesetze vom 25. Juli 1923, 19. März 1934 und 15. Juni 1966 angefochten werden kann, in denen es heißt, dass Rechtsmittel gegen Urteile der Rheinschifffahrtsgerichts und Berufung entweder an die Zentralkommission oder gegebenenfalls an das Berufungsgericht zu verweisen sind, aus. Diese besonderen Bestimmungen machen keinen Unterschied danach, ob das Rheinschifffahrtsgericht in der Sache entschieden hat oder ausschließlich über die Zuständigkeit.
Laut ergangenem Urteil ist die Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts durch Artikel 34, 2 (c) und 34a Mannheimer Akte gegeben. Zwar wird im deutschen Wortlaut dieser Bestimmungen abgehoben auf Schäden, die vom Schiffer gegenüber Dritten verursacht werden: „wegen der Beschädigung, welche Schiffer (...) anderen verursacht haben“, der französische Wortlaut enthält eine solche Einschränkung aber nicht, und somit kann die CFNR sich nicht rechtswirksam darauf berufen, dass in Artikel 34, 2 (c) der Akte Schäden gegenüber Parteien eines Beförderungsvertrages ausgenommen seien. Das Urteil bezieht sich auf die Doktrin von Garnon und die von letzterem zitierte Rechtsprechung, mit der er untermauert, dass ein dem Schiffer vorgeworfenes nautisches Fehlverhalten ungeachtet vertraglicher Bindungen zur Begründung der Zuständigkeit der Rheingerichte ausreicht. Das Gericht weist auf Artikel 34a Mannheimer Akte, veränderte Fassung Strassburger Übereinkommen vom 20. November 1963, hin und zieht daraus den Schluss, dass auch bei Vorliegen eines Vertrages zwischen den beiden Streitparteien das Rheinschifffahrtsgericht zuständig ist und eine Nichtzuständigkeit lediglich hinsichtlich der Wiedergutmachung der von beförderten Personen oder Waren erlittenen Beschädigungen besteht. Das Gericht stellt fest, dass, da keine Beschädigung der Ladung vorliegt, die von „N“ erhobene Klage auf Erstattung der ihrem Kunden angelasteten Kosten nicht die Bestimmungen von Artikel 34a des Übereinkommens erfüllt und, da sie als Begründung den Vorwurf des nautischen Verschuldens des Schiffers anführt, in die Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts fällt.
In ihrem materiellen Hauptantrag vor dem Rheinschifffahrtsgericht vom 18. April 1990 hat die CFNR folgendes vorgetragen:
Die Schadenersatzklage nach Artikel 59 BSG entbehrt einer Begründung, da ein Rheinspediteur zwar rechtlich auf Grund von Artikel 58 BSG für Beschädigung der beförderten Ware haftet, sich jedoch durch den Nachweis, dass der Verlust oder die Wertminderung durch Umstände verursacht wurde, die mit seiner Sorgfalt als gewissenhafter Spediteur nicht zu vermeiden waren, entlasten kann, und im vorliegenden Fall die CFNR die für den entsprechenden Transport erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, indem der Kapitän die beiden Leichter jeweils mit einem Anker und den Leichter CFNR 525 über die Backbordseite des Leichters CFNR 520, der seinerseits noch längs des Hafenkais Hüningen festgemacht war, mit drei 26 m/m Trossen an Land verankert hatte. Wenn bei der Vorbeifahrt eines Motorschiffes die Haltetrossen gerissen sind, kann das nicht der CFNR angelastet werden, da diese die nautischen Festmachregeln eingehalten hat.
Hilfsweise ist es laut Artikel 27 des Konnossements verboten, die Rechte des Spediteurs zu übertragen oder in diese einzutreten, so dass „N“, indem sie in Ausübung der Rechte des Spediteurs klagt, nicht legitimiert ist.
In Artikel 19 des Konnossements heißt es, dass in allen Fällen oder nach dem zuvor Gesagten die Haftung der Reederei formell nicht ausgeschlossen ist, dass diese nur für eigenes Verschulden und für vorsätzliche Schädigung durch das in ihrem Auftrag arbeitende Personal haftet. Da keine vorsätzliche Schädigung durch den Kapitän oder Verschulden des Personals vorliegt ist eine Haftung der CFNR in jedem Fall ausgeschlossen.
Mit Antrag vom 3. September 1990 machte „N“ folgendes geltend:
Für den von CFNR durchgeführten Transport gab es kein CFNR-Konnossement.
Als einziges Dokument gab es ein Auftragsfernschreiben an CFNR von der schweizer Gesellschaft NAG Basel, die im Auftrag der SCHWEIZERISCHEN BP handelte. Dieses enthielt eine Klausel bezüglich der territorialen Zuständigkeit der Gerichte von Basel-Stadt und für das Weitere einen Verweis auf das Konnossement der Reederei. Wahrscheinlich handelt es sich um die Reederei NAVIS SCHIFFFAHRT.
Die allgemeinen Bedingungen der CFNR wurden der SCHWEIZERISCHE BP vor zehn Jahren von Nmitgeteilt, aber der Wortlaut der Konditionen ist so klein geschrieben, dass man ihn nur mit einer Lupe entziffern kann.
- Außer diesem Auftragsfernschreiben gab es nur noch die vom Kapitän am 11. Juni 1986 unterschriebene Ladeanordnung Nr. 310.
- Der dritte Absatz von Artikel 103 Handelsgesetzbuch ist eine zwingende Vorschrift, und jede Bestimmung, die das Gesetz vom 15. Juni 1895 (BSG) über Rechte und Pflichten von Eigentümern, Kapitänen und Besatzung von Rheinschiffen beschneidet oder aufhebt, wie übrigens die allgemeinen Bedingungen der CFNR, die Artikel 103 Handelsgesetzbuch entgegen stehen, ist nichtig.
- In Artikel 27 der allgemeinen Bedingungen ist festgesetzt, dass die sich aus dem Beförderungsvertrag ergebenden Rechte ohne die förmliche Zustimmung der Reederei weder abtretbar noch übertragbar sind, was nicht ausschließt, dass der rechtmäßig in die Rechte seines Versicherten eingetretene Versicherer das Recht hat zu handeln. Die Klage von „N“ geht nicht auf den eigentlichen Beförderungsvertrag zurück sondern auf den Versicherungsvertrag.
- Die Artikel 19 und 20 der allgemeinen Bedingungen, die Rechtsmittel gegen den Spediteur CFNR im Falle der Beschädigung der Ladung ausschließen, sind nicht anwendbar, da die Ware keinerlei Schaden genommen hat.
- Die große Havarie, die Gegenstand der Bestimmungen von Artikel 24 der allgemeinen CFNR-Bedingungen ist, verweist auf die Rheinbestimmungen Antwerpern-Rotterdamm 1956 und hilfsweise auf die gesetzlichen Vorschriften. Laut Vorschrift 3 ist im Falle des Verschuldens einer der betroffenen Parteien gemeinschaftliche Havarie erlaubt, es sei denn, gegen diese Partei ist auf Grund dieses Verschuldens unter Berufung auf die gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen Rechtsmittel eingelegt worden.
- Kapitän „D“ kann sich nicht mit dem Vorwand entlasten, die zu Berg fahrende „E“ habe Wellenschlag verursacht und dadurch seien die drei Befestigungtrossen des Leichters „CFNR 520“ gerissen, denn der Kapitän und Eigentümer der „E“ habe erklärt, er sei im Gegenteil mit stark gedrosselter Geschwindigkeit gefahren, was dadurch bewiesen ist, dass zwei weitere ebenfalls im Hafen festgemachte Fahrzeuge, die MS „V“ und die MS „J“ nicht im geringsten ins Wackeln geraten sind.
- Die Leichter „CFNR 525“ und „CFNR 520“ waren nicht verankert. Im Übrigen war der Leichter „CFNR 525“ nicht mehr an der Backbordseite des Leichters „CFNR 520“ festgemacht, da dieser zum Zeitpunkt des Unfalls gerade zum Hafen Basel geschoben wurde und somit ist es der CFNR nicht gelungen, ein Drittverschulden nachzuweisen.
- Die CFNR hat im Übrigen einen Anteil in Höhe von 38.776,50 F zu der gemeinschaftlichen Havarie beigetragen, ohne eine Haftungsklage gegen den Kapitän und Eigentümer der „E“ anzustrengen und dadurch implizit das Verschulden ihres Kapitäns anerkannt.
Mit Erwiderungsantrag vom 14. Februar 1991 machte CFNR folgendes geltend:
Die von „N“ eingeleitete Regressklage ist unzulässig auf Grund der Tatsache, dass sie freiwillig und vorbehaltslos für die auf ihren Versicherten entfallende Umlage geleistet hat.
Die Beweislast für ein Verschulden des CFNR-Spediteurs liegt bei der „N“ und dieser Beweis wurde nicht erbracht.
Unter allen Umständen, auch wenn ein fehlerhaftes Vertäuen vorliegt, würde dieses einen Tatbestand darstellen, von dem die Parteien die Reederei auf Grund des Konnossements gültig freigesprochen haben.
Indem sie vorbehaltslos ihren Anteil an der gemäß den laut Konnossement, in Abweichung von der gesetzlichen Regelung von 1895, anzuwendenden Rheinregeln berechneten gemeinschaftlichen Havarie gezahlt habe, habe „N“ förmlich die Gültigkeit der allgemeinen Bedingungen der CFNR anerkannt.
In den elsässischen Departements ist Artikel 103 des Handelsgesetzbuches anzuwenden.
„N“ hat entsprechend dem durch die ergänzende Dispache vom 11. Juli 1990 berechneten Ladungsanteil einen Betrag in Höhe von 143.743,20 SF zu zahlen.
Dieser Schadensbetrag geht in die gemeinschaftliche Havarie ebenso ein wie die Beschädigungen der Landebrücke la Sablière in St. Louis (Position 14 der Dispache vom 9. Dezember 1986), wovon „N“ ihren Anteil von 21.622,85 SF beglichen hat.
In ihrem Antrag hat die CFNR Widerklage erhoben auf 143.793,20 SF mit gesetzlichen Zinsen ab dem 11. Juni 1990.
In ihrem Antrag vom 3. Mai 1991 erwiderte „N“ folgendes:
Im Gegensatz zu den Behauptungen von CFNR habe sie sehr wohl Vorbehalte vorgetragen, die übrigens weder laut Mannheimer Akte, noch laut Rheingesetz vom 15. Juni 1895 noch in den Rheinregeln Antwerpen-Rotterdamm vorgeschrieben seien.
Die CFNR versuche, den Artikel 58 Rheingesetz vom 15. Juni zu umgehen, in dem es heißt, dass der Spediteur für die Beschädigung der Güter haftet, es sei denn, er kann nachweisen, dass der Verlust oder die Wertminderung durch Umstände verursacht wurde, die sich trotz der Sorgfalt eines gewissenhaften Spediteurs nicht vermeiden ließen.
Auch wenn keine Beschädigung der Ladung vorliegt, ist eine derartige Bestimmung umzusetzen.
In Artikel 79 Gesetz vom 15. Juni 1985 ist festgelegt, dass die betroffene Partei, der ein Verschulden angelastet werden kann, keine Entschädigung für die von ihr erlittenen Schäden verlangen kann und dass sie, weil der Schaden als gemeinschaftliche Havarie umgelegt wird, gegenüber den anderen Eigentümern für deren Verlust haftet. Somit steht fest, dass CFNR verpflichtet ist, 38.776,50 SF im Rahmen der ersten Dispache und 60.208,80 SF im Rahmen der zweiten Dispache zu zahlen, insgesamt also 98.978,30 SF, dass sie jedoch davon Abstand genommen hat, irgendeine Haftungsklage anzustrengen, obwohl sie nach Artikel 79 Rheingesetz die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Die CFNR hat, indem sie ihren Anteil gezahlt hat und nicht gerichtlich gegen Kapitän „D“ vorgegangen ist, implizit das Verschulden ihres Kapitäns, das im Übrigen unbestritten ist, unterschrieben.
Es trifft zwar zu, dass BP Zürich in einem Schreiben vom 24. Juni 1988 anerkannt hat, dass die Klauseln und Konditionen der CFNR auf sie Anwendung finden, jedoch lassen sich Artikel 19 und 27 des Rheinkonnossements im vorliegenden Fall nicht anwenden, da sie Artikel 103 Handelsgesetzbuch widersprechen und nicht die in Artikel 24 CFNR-Konnossement ausdrücklich aufgeführte gemeinschaftliche Havarie betreffen.
Der Betrag von 143.793,20 SF ist nicht zu zahlen, da die zweite Dispache lediglich die Beschädigung der Brücke in Palmrain betrifft, da diese nicht gewollt mit dem Ziel, Schiff und Ladung vor einer gemeinsamen Gefahr zu retten, verursacht wurde.
Hilfsweise verlangt „N“, dass dieser Betrag in Anwendung von Artikel 79 Rheingesetz auf Regressklage angesichts der zahlreichen und schwerwiegenden nautischen Fehler ihres Kapitäns von CFNR zu verlangen sei.
Das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg hat die CFNR in seiner Entscheidung, gegen die am 9. Dezember 1991 Berufung eingelegt wurde, verurteilt, den zum Kurs des Zahltages in FF umgerechneten Gegenwert von 92.618,50 SF mit gesetzlichen Zinsen ab dem 13. Juni 1988 an die „N“ zu zahlen, den zum Kurs des Zahltages in FF umgerechneten Gegenwert von 143.793,20 SF plus gesetzliche Zinsen ab dem Urteilsdatum zu übernehmen und gegenüber „N“ den zum Kurs des Zahltages in FF umgerechneten Gegenwert von 143.793,20 SF zu sichern. Des Weiteren hat das Gericht die vorläufige Vollstreckung angeordnet und die CFNR zur Zahlung sämtlicher Kosten sowie eines Betrages von 5.000 FF gemäß Artikel 700 Neue ZPO an „N“ verurteilt, wobei es erklärt hat, dass kein Anlass bestehe, Artikel 700 Neue ZPO zu Gunsten von CFNR anzuwenden.
Unter Berücksichtigung des Artikels 27 Konnossement der CFNR, in dem die Abtretung oder Übertragung von Rechten ohne Genehmigung des Spediteurs untersagt wird, war das Gericht der Auffassung, dass im vorliegenden Fall weder eine Abtretung noch eine Übertragung stattgefunden hat sondern lediglich der gesetzliche Eintritt des Versicherers in die Rechte seines Versicherten und dass dieser Forderungsübergang im Vertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, so dass Artikel 27 für den vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommt und dessen Vereinbarkeit mit Artikel 103 Handelsgesetzbuch gegenstandslos geworden ist.
Das Gericht vertritt die Meinung, dass Artikel 19 des Konnossements nicht anwendbar ist, da allein die Bestimmungen von Artikel 24 über gemeinschaftliche Havarie Anwendung finden müssen. Diese nehmen Bezug auf die Rheinregeln Antwerpen-Rotterdam 1956, in denen wiederum auf das Gesetz vom 15. Juni 1895 verwiesen wird, dem zufolge es die Möglichkeit der Klage einer Partei gibt.
Das Nichtvorbringen eines Vorbehalts bei der Aufmachung der Dispache kann nicht gegenüber „N“ geltend gemacht werden, da es keine Bestimmung gibt, nach der diese gezwungen wäre bei Strafe der Nichtzulässigkeit dergleichen Vorbehalte zu machen. Die Anträge auf Verlängerung der Verjährungsfrist und deren Gewährung durch CFNR beweisen im Übrigen die abwartende Haltung von „N“ und deren implizit, in Erwartung der Aushändigung des polizeilichen Protokolls formulierte Vorbehalte.
Der Antrag wird dem zufolge für zulässig erklärt.
Bezüglich des Verschuldens geht aus der Ermittlung hervor, dass das Reißen der Festmachtrossen des Leichters „CFNR 520“ auf die schuldhafte Fahrlässigkeit des Angestellten der CFNR zurück zu führen ist, der den Leichter nicht nach den Sicherheitsvorschriften so festgemacht hat, dass er gegebenenfalls und gefahrlos die von anderen mit gedrosselter Geschwindigkeit fahrenden Schiffen verursachten Wasserbewegungen aushalten konnte. Es liegen keine unvorhergesehenen Umstände vor. Es ist nicht erwiesen, dass eine Sicherheitsbefestigung vorgenommen wurde.
Daraus ergibt sich, dass die CFNR den Gegenwert des Betrages von 92.618,50 SF in FF an die „N“ zu zahlen hat und dass auf Grund der Dauer des Verfahrens und unter Berücksichtigung der vor dem Verfahren erfolgten Zahlung der Streitsumme durch die Klägerin „N“ die Zinsen ab dem Datum der Klage, d.h., ab dem 13. Juni 1988 berechnet werden.
Bezüglich der Schadensersatzklage vertritt das Gericht die Meinung, dass laut Artikel 81 Gesetz vom 15. Juni 1895 der Anspruch auf Entschädigung für einen Schaden, der eine gemeinschaftliche Havarie darstellt, nur dann wegen einer Partikularhavarie, die in einer nachträglichen Wertminderung oder einem vollständigen Verlust des bereits beschädigten Objekts besteht, erlischt, wenn bewiesen ist, das der zweite Unfall in keinerlei Zusammenhang mit dem ersten steht und zu dem selben Schaden geführt hätte, wenn sich der erste Unfall nicht ereignet hätte.
Da die Beschädigung der Brücke Palmrain auf das Reißen der Trossen des Leichters „CFNR 520“ zurück zu führen ist, handelt es sich um eine gemeinschaftliche Havarie im Sinne des weiter oben zitierten Wortlauts, so dass „N“ für den Gegenwert des in der Zusatzdispache errechneten Betrages von 143.793,20 SF in FF zuzüglich der Zinsen ab dem Urteil aufkommen muss, jedoch ist sie durchaus berechtigt, sich auf Grund der Fehler des Kapitäns „D“ für die genannten durch die Dispache geschuldeten Beträge an die CFNR zu halten.
Die CFNR hat am 11. Dezember 1991 gegen oben genanntes Urteil eine Berufungserklärung verfasst und am 13. Dezember 1991 in der Kanzlei des Rheinschifffahrtsgerichts eingereicht.
Mit Antrag vom 7. Januar 1992, eingereicht in der Kanzlei des Rheinschifffahrtsgerichts am 9. Januar 1992 macht die CFNR folgendes geltend:
Der in die Rechte eingetretene Versicherer ist laut Artikel 27 des Konnossements nicht berechtigt, ohne die Zustimmung der CFNR eine Schadensersatzklage anzustrengen.
Da die „N“ anlässlich der Zahlung des Anteils an der gemeinschaftlichen Havarie keinen Vorbehalt angemeldet hat, kann sie die Rückerstattung des Betrages nicht mehr verlangen.
In den Bestimmungen von Artikel 19 Konnossement heißt es, „dass in allen Fällen oder nach dem zuvor Gesagten die Haftung der Reederei formell nicht ausgeschlossen ist, dass diese nur für eigenes Verschulden und für vorsätzliche Schädigung durch das in ihrem Auftrag arbeitende Personal haftet“.
Es ist zwar richtig, dass laut Artikel 24 Konnossement für die Havarie die Rheinregeln gelten, es bleibt allerdings die Möglichkeit, wegen des Verschuldens eines an der Großen Havarie Beteiligten Rechtsmittel nach Artikel 79 des Gesetzes von 1895 einzulegen. Es gelten jedoch weiterhin die haftungausschließenden Klauseln des Konnossements.
Es liegt kein Verschulden vor, da der Kapitän „D“ die Leichter „CFNR 520“ und „CFNR 525“ ordnungsgemäß längs des Kais in Hüningen festgemacht hat, was durch ein Gutachten nachgewiesen wurde.
Der Sachverständige Ghat entsprechend der ergänzenden Dispache vom 11. Juli 1990 den zusätzlichen, sich aus der Beschädigung der Brücke Palmrain ergebenden Ladungsanteil auf 143.743,20 SF berechnet. Wegen dieses Betrages wurde von der CFNR Widerklage erhoben. Diese Schäden gehen in der Tat ebenso wie die Kosten für die Reparatur der Anlegebrücke la Sablière in Saint-Louis in die Große Havarie ein.
Der Erstrichter hat die Gewährleistungsklage von „N“ gegen CFNR zu Unrecht für begründet erklärt. Aus diesem Grund fordert CFNR auf dem Weg der Widerklage die Verurteilung von „N“ zur Zahlung von 50.000 F zuzüglich MWSt und Zinsen ab dem Datum der Vorladung.
Der Vorsitzende des Rheinschifffahrtsgerichts hat der Berufungsbeklagten mit Beschluss vom 10. Januar 1992 eine Frist eingeräumt, um auf die Berufungsbegründung der Berufungsklägerin zu erwidern.
„N“ hat mit Antrag vom 28. Januar 1992, der am 29. Januar 1992 in der Kanzlei des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg eingereicht wurde, folgendes geltend gemacht:
Mit Artikel 27 Konnossement kann das Klagerecht des Versicherers, der in die Rechte seines Versicherten eingetreten ist, nicht ausgeschlossen werden.
„N“ hat sehr wohl Vorbehalte angemeldet und CFNR hat seine Zustimmung zweimal wiederholt, dass sie, so lange „N“ das von der WSP erstellte Unfallprotokoll nicht in Händen hat, von der Vorschrift des Rheingesetzes absieht.
Artikel 19 und 20 der Allgemeinen Bedingungen sind zwangsweise auszuschließen, da sie Artikel 103, Abs. 3 des französischen Handelsgesetzes widersprechen, das Vorrang vor dem Gesetz vom 15. Juni 1895 (Binnenschifffahrtsgesetz) hat, welch selbiges ein normales Gesetz ist, dessen Bestimmungen nicht einen zwingenden Rechtstext wie den des Artikels 103 französisches Handelsgesetz außer Kraft setzen kann.
Im Übrigen finden die Artikel 19 und 20 keine Anwendung, da sich die Klage nicht auf den Beförderungsvertrag sondern auf die Große Havarie stützt.
Die CFNR versucht, Artikel 58 Rheingesetz zu umgehen, in dem es heißt, dass der Spediteur für Beschädigungen der Ware haftet, es sei denn, er weist nach, dass der Verlust oder die Wertminderung auf Umstände zurückzuführen ist, die er trotz der Sorgfalt eines gewissenhaften Spediteurs nicht vermeiden konnte, was in der vorliegenden Sache nicht der Fall ist.
Die Protokolle beweisen in ausreichendem Maße, dass CFNR sich nicht auf die Einwirkung Dritter berufen kann und dass es auf der Hand liegt, dass das gleichzeitige Reißen dreier Stahlbefestigungstrossen sich nur mit einem falschen Manöver oder einer unangemessenen Art der Befestigung erklären lässt.
Die am Rhein geltende Auffassung und die Rechtsprechung sagen übereinstimmend, dass es dem Kapitän des Schiffes am Kai obliegt, zu beweisen, dass sein Fahrzeug ordentlich befestigt und der Liegeplatz den gegebenen Umständen angemessen war.
Die Widerklage ist abzuweisen, da die zweite Dispache lediglich die Beschädigung der Brücke betraf und folglich mit der Großen Havarie nichts zu tun hat.
Da die „N“ von CFNR in zahlreiche Verfahren hinein gezogen wurde und dementsprechend diesbezüglich Anschlussberufung eingelegt wurde, besteht „N“ gemäß Artikel 700 Neue ZPO auf der Zahlung eines Entschädigungsbetrages von 50.000 FF zuzüglich MWSt. und gesetzliche Zinsen ab dem Ladungsdatum.
Ebenfalls sind die erstattungsfähigen Kosten an die Rheingerichte zu zahlen.
Nach dem mündlichen Vortrag der Parteien in der Sitzung vom 18. Februar 1993 hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt durch Vorabentscheid vom 12. Juli 1993 folgendes festgelegt:
Die Wiederaufnahme der Verhandlungen wird angeordnet.
Die CFN wird aufgefordert, auf die Anschlussberufung im Berufungsantrag von „N“ ALLGEMEINE VERSICHERUNGS AG vom 28. Januar 1992 zu antworten.
Die Frist für die Einreichung der Havarie-Dispachen und der Erwiderungsschrift auf die Anschlussberufung beträgt sechs Wochen ab der Zustellung des Urteils vom 12. Juli 1993.
Um es den Parteien zu ermöglichen, falls sie es wünschen, sämtliche gewünschten zusätzlichen mündlichen Erklärungen für die Sitzung beizubringen, wird die Verhandlung auf Freitag, den 24. September 1993, angesetzt.
Die Festsetzung der Kosten ist vorbehalten.
Die CFNR hat auf die Anschlussberufung mit Antrag vom 11. August 1993 folgendermaßen geantwortet: der von dem Sachverständigen GROTLOH in der ergänzenden Dispache vom 11. Juli 1990 (irrtümlicher Weise wurde als Datum der 13. Juli 1990 angegeben) festgesetzte Anteil stellt unbestritten eine gemeinschaftliche Havarie dar und CFNR schließt sich den diesbezüglichen Begründungen des Erstrichters an; „N“ hat, indem sie vorbehaltslos gezahlt hat, die Konventionaldispache vom 9. Dezember 1986, die die ergänzende Berechnung für Position 16, die am 13. Juli 1990 (es muss heißen: 11. Juli 1990) mit 143.793,20 Schweizer Franken beziffert wurde, vorbehält, erfüllt; „N“ hat durch den Umstand, dass sie vorbehaltslos die Dispache gezahlt hat, nicht das Recht, ihre sich aus der ergänzenden Dispache ergebende Zahlungsverpflichtung in Frage zu stellen, zumal sie die Beträge nicht kritisiert; „N“ kann sich nicht auf ein Verschulden der CFNR berufen.
Nachdem die Dispache durch den Sachverständigen GROTLOH erstellt wurde hat „N“ in ihrem Schreiben vom 31. August 1993 mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sie Vorbehalte angemeldet hat.
Die Parteien haben ihren Standpunkt in der öffentlichen Sitzung vom 24. September 1993 in Strassburg dargelegt, wonach die Verhandlung geschlossen wurde.
Rechtliche Würdigung
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die CFNR behauptet zu Unrecht, dass der Antrag von „N“ unzulässig ist auf Grund von Artikel 27 des Konnossements, in dem es heißt, dass die sich aus dem Beförderungsvertrag ergebenden durch das Konnossement geregelten Rechte ohne die förmliche Zustimmung der Reederei weder abtretbar noch übertragbar sind.
Diese Behauptung verkennt den gesetzlichen Charakter des Forderungsübergangs an den Schadensversicherer, der seinem Versicherten die vereinbarte Entschädigung gezahlt hat, denn der Gesetzgeber sieht vor, dass der Versicherer, der geleistet hat, automatisch und unabhängig von dem Willen des Gläubigers oder des Schuldners in den Genuss des gesetzlichen Forderungsübergangs kommt.
Hingegen stützt sich die CFNR zu Recht auf die Befreiungsklauseln von Artikel 19 des Konnossements.
Es steht für beide Parteien fest, dass die Klauseln und Bedingungen des Konnossements der CFNR im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen.
2.2 Durch Artikel 103, Absatz 3 französisches Handelsgesetzbuch, durch Gesetz eingeführt am 17. März 1905, wird jedwede die Haftung des Eigentümers, des Kapitäns oder der Besatzung des Schiffes einschränkende oder aufhebende Klausel ungültig. Dieser Artikel ist zwingend. Absatz 3 dieses Artikels findet jedoch in den Départements Rhin und Moselle keine Anwendung, da er nicht in die Gesetzgebung der genannten Departements übernommen wurde. In diesen Departements behielt vielmehr das Gesetz vom 15. Juni 1895 auf Grund von Artikel 5 des Gesetzes vom 1. Juni 1924, mit dem die französischen Handelsgesetze in den Departements Rhin und Moselle eingeführt wurden, seine Gültigkeit.
Gemäß Artikel 58 Gesetz vom 5. Juni 1895 haftet der Spediteur vom Zeitpunkt der Übernahme der ware bis zum Zeitpunkt ihrer Ablieferung für deren Beschädigung in Folge von Verlust oder Wertminderung, es sei denn, er kann nachweisen, dass der Verlust oder die Wertminderung auf Umstände zurück zu führen sind, die er trotz der Sorgfalt eines gewissenhaften Spediteurs nicht vermeiden konnte.
Auf Grund von Artikel 19 des Konnossements ist die Reederei jedoch befreit, soweit kein Vorsatz des Kapitäns oder Verschulden der Reederei vorliegt. Aus dem zuvor Gesagten geht hervor, dass Artikel 19 des Konnossements CFNR im Prinzip anzuwenden ist.
Dies wäre nur dann anders, wenn der von dem Versicherten der „N“ erlittene Schaden nicht ursächlich mit dem Beförderungsvertrag zusammenhinge.
Dies ist im vorliegenden Fall klar nicht der Fall.
3.1 Aus den Bekundungen des Kapitäns „D“ gegenüber dem Sachverständigen G am 13. 06. 1986 geht hervor, dass er den Leichter „CFNR 520“, der 2.100 Tonnen Super Benzin geladen hatte, mit drei Trossen am linken Ufer festgemacht hatte und der Leichter „CFNR 525“, der 2.514 Tonnen Diesel geladen hatte, sich backbords von diesem befand.
In dem Moment, in dem der Kapitän „D“ mit seinem Leichter „CFNR 525“ ablegte, scheint er von der „E“ überholt worden zu sein, deren Sogwirkung dass Reißen der Festmachetrossen der „CFNR 520“ verursacht haben soll, die dann gegen die Brücke von Palmrain gestoßen ist.
3.2 Das Verschulden des Kapitäns der CFNR ist hinreichend rechtlich festgestellt, die Haftungsvermutung konnte nicht widerlegt werden.
Das gleichzeitige Reißen von drei Stahltrossen lässt sich nur mit einem falschen Manöver oder mit einer unangemessenen Vertäuung erklären, wobei die Reederei einerseits den Beweis dafür schuldig bleibt, dass ihr Fahrzeug korrekt festgemacht war und an einem den Umständen angemessenen Ort lag, und sie andererseits nicht den Beweis für ein Einwirken äußerer Ursachen, insbesondere von Wellenschlag, den der Bergfahrer „E“ verursacht haben soll , erbringt, denn die anderen am Kai festgemachten Schiffe, die MS „V“ und „J“ gerieten nicht ins Wackeln.
3.3 Die Beschädigungen an der Brücke von Palmrain, die der Sachverständige GROTLOH auf einen Betrag von 143.793,20 Schweizer Franken beziffert hat, wurden durch die Tatsache verursacht, dass in folge des Reißens der Stahltrossen, mit denen der Leichter „CFNR 520“ festgemacht war, dieser mit der Brücke von Palmrain zusammen stieß.
Der Schaden hat demnach nichts mit der Großen Havarie zu tun, die die Preisgabe des Schiffes und / oder der Ladung im beiderseitigen Interesse voraussetzt.
Der Betrag von 92.618,50 Schweizer Franken wurde von „N“ auf den Dispachen Bericht des Sachverständigen GROTLOH vom 9. Dezember 1986 hin bezahlt.
Aus den Angaben der Akte geht hervor, dass diese Kosten auf den Umstand zurück zu führen sind, dass infolge des Reißens der Stahltrossen, mit denen der Leichter „CFNR 520“ festgemacht war und des dadurch verursachten Zusammenstoßes mit der Brücke von Palmrain, die Schiffsuntersuchungskommission Basel, die Weiterfahrt des Leichters „CFNR 520“ zum Hafen Birsfelden untersagt hat, da sie ein Loch in der Schiffswand des mit Benzin beladenen Schiffes festgestellt hatte, worauf hin es nötig wurde, die Ladung in den Leichter „N“ umzupumpen. („Auf Grund des erlittenen Schadens des Tankschubleichters wurde durch die Schiffsuntersuchungskommission in Basel eine Weiterfahrt nach dem Hafen Birsfelden verboten, so dass die Ladung in das Leichterschiff „N“ umgepumpt werden musste“ - Erklärung des Schiffsinspektors A. NEFF vom 13. Juni 1986, Bericht GROTLOH vom 9. Dezember 1986, S. 3)
Der Betrag von 92.618,50 SF, der den Anteil der Ladung an der Großen Havarie darstellt, ist zurück zu führen auf die mangelhafte Erfüllung des Beförderungsvertrages wie in Artikel 58 Gesetz vom 15. Juni 1895 BSG dargelegt.
Da die Reederei kraft Artikel 19 des Konnossements von der Haftung befreit ist und „N“ vorbehaltslos den Anteil des durch Verschulden des Kapitäns verursachten Schadens, der durch den Dispacher zu Lasten der Ladung berechnet wurde, bezahlt hat, hat „N“ nicht das Recht, die Erstattung dieses Betrages zu verlangen.
Beide Parteien werden zur Übernahme der jeweiligen eigenen Kosten verurteilt.
Daraus folgt, dass kein Anlass besteht, die Parteien zur Zahlung der Entschädigung nach Artikel 700 Neue ZPO zu verurteilen, da diese sich aufheben.
Aus diesen Gründen:
ERKLÄRT DIE BERUFUNGSKAMMER FOLGENDES:
Sie ist zuständig für die Erkennung in der Berufung und der Anschlussberufung.
Die Anschlussberufung ist zulässig aber nicht begründet.
Der Antrag der „N“ AG auf Erstattung des Betrages von 92.618,50 Schweizer Franken zuzüglich Zinsen ab 13. Juni 1988 wird abgewiesen.
Die Schadensersatzklage der CFN auf Zahlung des Gegenwertes in Französischen Franken zum Kurs des Zahlungstages von umgerechnet 143.793,20 Schweizer Franken zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab 11. Juni 1990 wird abgewiesen.
Die Anschlussklage von „N“ auf Verurteilung der CFN zur Zahlung einer Entschädigung von 50.000 FF gemäß Artikel 700 Neue ZPO zuzüglich MWSt und gesetzliche Zinsen ab dem Datum der Vorladung wird abgewiesen.
Beide Parteien werden zur Übernahme ihrer eigenen Auslagen in allen Instanzen verurteilt.
Zu der Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung gemäß Artikel 700 neue ZPO besteht kein Anlass, da sich diese Beträge in allen Instanzen aufheben.
So verkündet zu Strassburg am 25. Februar 1994.