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Leitsätze:
1) Ist der Kurs eines zu Tal durch eine Stromkrümmung fahrenden Schubverbandes verfehlt und gerät hierdurch ein nachfolgendes Fahrzeug in eine gefährliche Situation, ist die verfehlte Fahrweise als adäquat kausal für den unter diesen Umständen sich ergebenden Unfall anzusehen. Sie stellt auch einen schuldhaffen Verstoß gegen die nautischen Sorgfaltspflichten nach § 1.04 RheinSchPVO dar.
2) Das einem vorausfahrenden Schubverband folgende Fahrzeug kann in der Gebirgsstrecke, insbesondere bei Hochwasser und starker Strömung, darauf vertrauen, daß der Verband nicht durch einen nautisch verfehlten Kurs und hierdurch weiter erforderlich werdende Manöver das Fahrwasser sperrt.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 10.12.1992
273 Z — 21/92
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Versicherer des von Schiffsführer R. geführten TMS „Petra R", das am 17.12.1988 bei Dunkelheit in einer starken Rechtskrümmung des Rheins bei km 550,6 (Oberwesel in Höhe der Signalstelle „Am Ochsenturm") mit dem Schubverband „Manon", bestehend aus dem gleichnamigen Schubboot und den nebeneinander gekoppelten Tankschubleichtern „Akki" und „Klaas" kollidierte. Die Beklagte zu 1 ist Eignerin des Schubboots „Manon", das vom Beklagten zu 2 geführt wurde.
TMS „Petra R" folgte dem Schubverband in der Talfahrt, den Schiffsführer R. erst unterhalb von St. Goar überholen wollte. Etwa bei km 550,1 begegnete dem Schubverband das auf der Bergfahrt befindliche MS „Stadt Flörsheim". In diesem Zusammenhang geriet der Schubverband zu weit zum linken Ufer hinüber. Um die Krümmung passieren zu können, mußte der Schubverband ständig werden. Schiffsführer R. wollte nunmehr den Verband auf dessen Steuerbordseite überholen, wobei es zur Kollision kam und TMS „Petra R" sowie TSL „Klaas" beschädigt wurden.
Die Klägerin hat behauptet, nachdem TMS „Petra R" dem Schubverband auf etwa 800 m aufgelaufen sei, habe man langsamer gemacht, weil man den Schubverband erst unterhalb von St. Goar habe überholen wollen. Zu dieser Zeit sei die Begegnung zwischen dem Schubverband und dem Bergfahrer erfolgt. Als sich diese Schiffe auf gleicher Höhe oberhalb des Tauberwerths befunden hätten, habe „Manon" über Kanal 10 mitgeteilt, daß der Verband die Kurve nicht mehr kriege und rückwärts machen müsse; TMS „Petra R" solle an der Steuerbordseite des Schubverbandes überholen. Da ein Aufdrehen zu Berg angesichts der starken Strömung unmöglich gewesen sei, habe Schiffsführer R. versucht, die roten Tonnen möglichst nahe anzuhalten, um den Schubverband zu passieren. Während der Einleitung des Überholmanövers habe der Schubverband rückwärts gemacht und nach Steuerbord gehalten, weil er das Tauberwerth habe freifahren wollen. Hierdurch sei es zur Anfahrung der Fahrzeuge gekommen, obwohl TMS „Petra R" noch sein Bugstrahlruder eingesetzt habe. Nach der Kollision habe TMS „Petra R" noch Kimmschäden an der Steuerbordseite und Schraubenschäden durch Berührungen mit den Felsen des Jungferngrundes erlitten.
Ferner hat die Klägerin behauptet, daß der Schubverband die Stromkrümmung nicht habe ausfahren können, beruhe nicht auf der Fahrweise des MS „Stadt Flörsheim". Die Kollision sei eine Folge des Fahrfehlers des Beklagen zu 2. TMS „Petra R" hätte auch gefahrlos an der Steuerbordseite des Schubverbandes vorbeifahren können, wenn der Schubverband ständig geblieben und nicht zur Strommitte hin verfallen wäre. Die Beklagten haben die Darstellung der Klägerin bestritten und ausgeführt, MS „Stadt Flörsheim" sei weit aus dem linken Ufer gefahren. Der Beklagte zu 2 habe wegen dieser Fahrweise nach der Begegnung mit „Stadt Flörsheim" wieder nach Backbord halten müssen, um den Jungferngrund freizufahren, anstelle in einer Rechtskurve den Jungferngrund zu umfahren. Durch dieses Manöver, das durch das Hochwasser noch erschwert worden sei, sei der Schubverband zu weit unter das linke Ufer gekommen und habe ständig machen müssen. Zu dieser Zeit habe TMS „Petra R" überholt, obwohl der Beklagte zu 2 noch vor dem Überholmanöver gewarnt habe.
Die Beklagten meinen, Schiffsführer R. von TMS „Petra R" habe den Unfall allein verschuldet. Er hätte unter den gegebenen Umständen den Schubverband nicht überholen dürfen. TMS „Petra R" hätte aber auch aufdrehen können, was gefahrlos möglich gewesen sei, nachdem man mitgeteilt habe, daß der Schubverband ständig machen müsse. Hätte diese Möglichkeit nicht bestanden, sei TMS „Petra R" dem vorausfahrenden Schubverband zu dicht aufgelaufen. Zu dem Unfall sei es letzlich auch nur deshalb gekommen, weil „Petra R" die roten Tonnen nicht nahe genug angehalten habe.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Schadensersatzklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Rheinschiffahrtsgericht hat mit Recht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt (§§ 3, 4, 92, 92b BinSchG; § 1.04 RheinSchPV; §§ 823, 249 BGB; § 304 Abs. 1 ZPO). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet.
Die Kollision des Schubverbandes „Manon" mit dem TMS „Petra R" beruht auf einem Verschulden des Beklagten zu 2, der als Schiffsführer des zu Tal fahrenden Schubverbandes „Manon" in der scharfen Rechtskrümmung des Stromes bei km 550,6 nicht hart genug den Rand des rechtsrheinischen Fahrwassers angehalten hat und deshalb zu weit nach linksrheinisch verfallen ist, so daß er in Gefahr geriet, auf das Tauberwerth zu geraten. Er mußte deshalb seine Fahrt anhalten und zurückschlagen. Als TMS „Petra R", wie zwischen den beteiligten Schiffsführern abgesprochen, vorbeifuhr, verfiel der Schubverband beim Manövrieren nach Steuerbord und geriet in den Kurs des Tankmotorschiffes.
Hingegen trifft die Führung des TMS „Petra R" kein Verschulden. Das Tankmotorschiff ist dem Schubverband vor dem Unfall nicht zu dicht aufgelaufen. Als der Schubverband in Schwierigkeiten geriet und die Stromkrümmung nicht ohne besondere Manöver durchfahren konnte, konnte das Tankmotorschiff zunächst wegen des zu Berg kommenden MS „Stadt Flörsheim" und dann auch noch wegen der starken, auf das linke Ufer gerichteten Strömung nicht mehr gefahrlos aufdrehen, so daß eine Vorbeifahrt an der Steuerbordseite des Schubverbandes für Schiffsführer R. als die allein geeignete Maßnahme erschien, in der gegebenen Situation eine Kollision mit dem Schubverband „Manon" zu vermeiden. Seine Fahrweise war unter diesen Umständen gerechtfertigt. Diese Überzeugung stützt die Berufungskammer im einzelnen auf folgende Erwägungen:
1. Der Beklagte zu 2 hätte mit seinem Schubverband bei nautisch richtiger Fahrweise in der Stromkrümmung im Revier bei km 550,6 den Rand des rechtsrheinischen Fahrwassers scharf anhalten müssen, weil die infolge Hochwassers noch erhöhte Strömung seinen Verband nach linksrheinisch versetzen konnte, so daß er Gefahr lief, auf das Tauberwerth zu geraten. Dem hat der Beklagte zu 2 keine Rechnung getragen und ist nach linksrheinisch versetzt worden, so daß er die Rechtskrümmung nicht mehr ohne weitere Manöver durchfahren konnte, ohne zuvor ständig zu werden. So hat das der Beklagte zu 2 selbst bei seiner Vernehmung vor dem Rheinschiffahrtsgericht in der Parallelsache 5 C 42/90 BSch als Zeuge ausgesagt.
Daß der Beklagte zu 2 in seiner Fahrweise durch das ihm entgegenkommende MS „Stadt Flörsheim" behindert worden ist, schließt die Berufungskammer aus. Der Schiffsführer dieses Schiffes, der Zeuge T., hat näher dargelegt, daß er den üblichen Bergweg am linken Ufer eingehalten und die Tonne, die oberhalb der Wahrschaustation liegt, auf etwa 20 m angehalten hat. Mit diesem Kurs sei er weitergefahren. Selbst der Beklagte zu 2 hat bei seiner Zeugenvernehmung angegeben, er wolle dem Zeugen T. nicht unbedingt den Vorwurf machen, ihm nicht genug Platz gemacht zu haben...
Daß der Kurs des Schubverbandes schon in seiner Anlage verfehlt war, ergeben die weiteren Aussagen des Zeugen T. Dieser Zeuge hat weiter ausgesagt, es sei für einen Talfahrher völlig unüblich, über die Strommitte hinauszufahren. Er möchte sagen, daß der Schubverband zu der Zeit, als er diesem Verband begegnet sei, über die Strommitte hinaus gefahren sei. Der Begegnungsabstand habe im Bereich von einer oder zwei Schiffsbreiten gelegen. Fuhr aber der Beklagte zu 2 schon zur Zeit der Begegnung mit dem Bergfahrer über die Strommitte hinaus, mußte sein Kurs angesichts der starken nach linksrheinisch gerichteten Strömung dazu führen, ihn an dem Durchfahren der Stromkrümmung ohne weitere Manöver zu hindern.
Auf dem fehlerhaften Kurs des Beklagten zu 2 beruht der Unfall. Dabei kann es nicht entscheidend sein, ob nun der Beklagte zu 2 im weiteren Verlauf der Geschehnisse durch eine Rückwärtsbewegung ein Verfallen seines Schiffes in den Kurs des TMS „Petra R" herbeigeführt hat oder ob der Schubverband nur durch die Gewalt der Strömung nach rechtsrheinisch hin geraten ist. Jedenfalls wurde durch die Schwierigkeit, in die der Schubverband geraten war, die Rechtskrümmung des Stromes ungehindert zu durchfahren, das nachfolgende TMS „Petra R" seinerseits in eine gefährliche Situation gebracht, die die Schiffsführung dieses Schiffes nicht beherrschen konnte. Unter diesen Umständen muß die verfehlte Fahrweise des Beklagten zu 2 als adäquat kausal für den Unfall angesehen werden.
Bei Anwendung der gebotenen nautischen Sorgfalt und unter Berücksichtigung der für einen Schiffsführer selbstverständlichen Streckenkenntnis hätte der Beklagte zu 2 die Gefährlichkeit seines nicht hart rechtsrheinisch verlaufenden Kurses erkennen und dementsprechend rechtzeitig verkehrsrichtig handeln können und auch müssen, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Auf diesem schuldhaften Verstoß gegen die nautischen Sorgfaltspflichten (§ 1.04 RheinSchPV) beruht letztlich die Kollision. Hierfür müssen die Beklagten einstehen.
2a) Der Schiffsführung des TMS „Petra R" kann nicht vorgeworfen werden, dem vorausfahrenden Schubverband zu dicht aufgelaufen zu sein.
Schiffsführer R. hat bei seiner Zeugenvernehmung angegeben, er sei dem Schubverband „Manon" bei Lorch aufgelaufen, dort sei der Schubverband noch 1000 m vor ihm gewesen, es könnten auch nur 800 m gewesen sein. Er habe dann nicht vor St. Goar überholen wollen. Er sei danach mit unveränderter Geschwindigkeit weitergefahren, jedoch dem Schubverband nähergekommen. Nach der Begegnung mit MS „Stadt Flörsheim" habe ihn der Beklagte zu 2 direkt angesprochen und erklärt, er kriege die Kurve nicht und müsse rückwärts machen. „Petra R" solle bitte Steuerbord vorbeifahren. Zu dieser Zeit habe er sich dem Schubverband weiter genähert gehabt. Der Abstand habe nunmehr maximal 500 m bis 800 m betragen. Er sei mit sehr geringer Maschinenleistung seines Schiffes von etwa 120 UpM von möglichen 360 Umdrehungen und so mit einer Geschwindigkeit von etwa 17 km/h gefahren.
In etwa gleichem Sinne hat sich der Beklagte zu 2 zu der Annäherung der Schiffe bei seiner Vernehmung geäußert. Aus dem Zusammenhang seiner Erklärung folgt, daß sich der Beklagte zu 2 nach seiner Begegnung mit „Stadt Flörsheim", als er ständig machen mußte, über den ihm folgenden Verkehr vergewissert und dabei „Petra R" im Radarbild etwa 500 bis 800 m hiner seinem Verband gesehen hat.
Berücksichtigt man, daß ein Schiffsführer darauf vertrauen darf, bei einem Abstand von etwa 500 m zu einem vorausfahrenden Schiff einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu haben, weil man im Regelfall bei einem solchen Abstand auf plötzliche Manöver des Vorausfahrenden angemessen reagieren kann, kann der von Schiffsführer R. nach dem Auflaufen eingehaltene Abstand nicht als verfehlt erachtet werden. Dieser Einschätzung stehen hier auch nicht die besonderen Umstände des Falles entgegen. Daß der vorausfahrende Schubverband infolge einer fehlerhaften Fahrweise daran gehindert sein konnte, die allgemein bekannte scharfe Rechtskrümmung im Bereich von km 550,6 zu durchfahren und nach linksrheinisch geriet, wo er nicht hingehörte und dann manövrieren mußte, um den Jungferngrund freizufahren und danach die Krümmung zu passieren, lag außerhalb jeder vernünftigen Wahrscheinlichkeit und brauchte von Schiffsführer R. nicht in Rechnung gestellt zu werden. Auch konnte er darauf vertrauen, daß ein vorausfahrender Schubverband in der Gebirgsstrecke, insbesondere bei Hochwasser und starker Strömung, nicht durch einen nautisch verfehlten Kurs der durchgehenden Schiffahrt das Fahrwasser für die Dauer weiter erforderlich werdender Manöver sperrte.
b) Unter den hier gegebenen Umständen war Schiffsführer R. gehindert, mit seinem Schiff aufzudrehen, als er dem Schubverband näher auflief und dann auch dessen Schwierigkeiten feststellte.
Ist, wie ausgeführt, davon auszugehen, daß der Schubverband „Manon" bereits bei der Begegnung mit „Stadt Flörsheim" über die Strommitte hinausgekommen war, hätte Schiffsführer R. den verfehlten Kurs des Schubverbandes, sei es im Radarbild, sei es durch optische Wahrnehmungen feststellen können. Hierauf hätte er aber nicht durch ein sofortiges Aufdrehmanöver reagieren können. Im Falle eines Aufdrehmanövers zu Berg bestand für „Petra R" die unmittelbare Gefahr, dem Bergfahrer vor den Kopf zu fallen, da es in dem nicht sehr breiten Revier in der Ortslage Oberwesel infolge des Gegenkommers nur wenig Raum hatte und das leere Fahrzeug in der starken Strömung nur beschränkt steuerfähig war. Zudem sprach gegen ein solches gewagtes und gefährliches Manöver, daß aus der Sicht von Schiffsführer R. der vorausfahrende Schubverband durch Einsatz seiner Flankenruder die Situation noch beherrschen und jedenfalls als letzte Möglichkeit am linken Ufer ständig machen konnte, um ihn durchfahren zu lassen. Daß nach der Begegnung des TMS „Petra R" mit MS „Stadt Flörsheim", als der Beklagte zu 2 Schiffsführer R. über Kanal 10 ansprach, ein Aufdrehmanöver nicht mehr möglich war, hat selbst der Beklagte zu 2 bei seiner Vernehmung dargetan. Die Richtigkeit seiner Auffassung ergibt sich daraus, daß „Petra R" im Falle eines Aufdrehversuchs nach dieser Begegnung von der Strömung nach linksrheinisch in den Hang und gegen den Schubverband gedrückt worden wäre. Zudem war zu dieser Zeit TMS „Petra R" dem Schubverband noch dichter aufgelaufen, weil der Schubverband wegen seiner Schwierigkeiten inzwischen ständig geworden war und möglicherweise zurückgesetzt hatte.
Anstelle eines sofort vor der Begegnung mit dem MS „Stadt Flörsheim" durchgeführten Aufdrehmanövers brauchte Schiffsführer R. die Maschinenleistung seines Schiffes zur Verminderung seiner Fahrgeschwindigkeit auch nicht herabzusetzen. Verringerte Schiffsführer R. die Maschinenleistung, minderte er gleichzeitig die Steuerkraft seines Schiffes, weil das Fahr- zeug leer war. Er war aber gerade deshalb auf eine ausreichende Steuerkraft durch Druck auf das Ruder angewiesen, weil infolge des Hochwassers die Strömung in diesem Teil des Reviers erheblich ist und zudem die Strömung in der Rechtskrümmung des Rheins sein Schiff nach linksrheinisch versetzen konnte. Ohne ausreichende Steuerkraft wäre er in der sich abzeichnenden Gefahrenlage völlig hilflos gewesen. Darauf durfte er es auch wegen der von seinem nicht entgasten Schiff im Falle eines Unfalls ausgehenden möglichen Gefahren nicht ankommen lassen.
c) Schiffsführer R. kann schließlich nicht vorgeworfen werden, daß er entsprechend der Abrede dem Beklagten zu 2 über Kanal 10 versucht hat, den Schubverband an dessen Steuerbordseite zu passieren, wobei es dann zur Kollision gekommen ist.
Es bedarf unter den hier gegebenen besonderen Umständen des Falles keiner Erörterung darüber, ob die Fahrweise von Schiffsführer R. unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze über das Begegnen und Überholen nach § 6.03 RheinSchPV Anlaß zu Beanstandungen gibt; denn sein leeres, nicht entgastes Tankmotorschiff war durch die fehlerhafte Fahrweise des Schubverbandes „Manon" und ohne eigenes Verschulden in eine plötzliche und unmittelbar drohende Gefahrensituation geraten, die ihn zu einer Reaktion zwang, um einen Unfall zu vermeiden. Bei unmittelbar drohender Gefahr müssen nach § 1.05 RheinSchPV die Schiffsführer alle Maßnahmen treffen, die die Umstände gebieten, auch wenn sie dadurch von den Vorschriften der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung abweichen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob Schiffsführer R. bei Beachtung der Grundsätze über das Begegnen von einem Überholmanöver hätte absehen müssen, wie die Beklagten meinen. Schiffsführer R. mußte vielmehr versuchen, zwischen dem nach linksrheinisch geratenen Schubverband und dem rechten Ufer durchzufahren, um ein Auffahren auf den Schubverband zu vermeiden. Dieses Manöver hat letztlich den Unfall nicht abwenden können, weil der Schubverband nach rechtsrheinisch in den Weg des Tankmotorschiffs verfiel, wie die Berufungskammer als erwiesen ansieht. Der Beklagte zu 2 hat zwar über ein Verfallen seines Verbandes nichts ausgesagt und angegeben, „Petra R" sei in die Lücke zwischen seinem Verband und den roten Tonnen in einer gewissen Schräglage hineingefahren und hätte auch unbeschadet durch die Lücke kommen müssen, wenn es nahe genug an die Tonnen herangekommen wäre. Seinen Angaben stehen aber die von Schiffsführer R. und dessen Matrosen D. entgegen, die übereinstimmend angegeben haben, daß der Schubverband auf ihr Schiff zugetrieben ist. Nach ihren weiteren Angaben ist „Petra R" auch unmittelbar an den roten Tonnen vorbeigefahren. Im übrigen hat auch der Zeuge W., der Matrose auf „Manon" gewesen ist, ausgesagt, der Schubverband sei nach dem Ständigmachen nicht genau ständig geblieben, sondern etwas abgetrieben, was die Angaben von Schiffsführer R. und die seines Matrosen D. zur Überzeugung der Berufungskammer bestätigt. Soweit W. angegeben hat, er könne sich die Anfahrung nur so erklären, daß „Petra R" die roten Tonnen nicht hart genug angehalten hat, handelt es sich lediglich um eine Schlußfolgerung aus der Tatsache des Unfalls. Wie „Petra R" die roten Tonnen tat- Reparasächlich angehalten hat, hat der Zeuge W. nach dem Inhalt seiner Aussage nicht wahrgenommen.
Hat aber „Petra R" nach dem vorgeschilderten Beweisergebnis die roten Tonnen nahe angehalten und kam es letztlich deshalb zu der Anfahrung, weil der Schubverband in den Kurs dieses Schiffes verfiel, kann Schiffsführer R. nicht vorgeworfen werden, zu weit zur Strommitte hin die Stromkrümmung durchfahren und hierdurch schuldhaft zum Unfall beigetragen zu haben..."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993- Nr.15/16 (Sammlung Seite 1434 ff.); ZfB 1993, 1434 ff.