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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 21. Oktober 1992
268 B - 16/92
(auf Berufung gegen den Beschluss des Schiffahrtsgerichts Mannheim vom 26.7.1991 - OWi 1001/91 RhSch -)
Tatbestand:
Am 2. Mai 1990 fuhr das MS W11 auf dem Rhein zu Berg. Gegen 01.45 Uhr wurde das Schiff bei Rhein-km 428 von der Wasserschutzpolizei kontrolliert. Diese stellte fest, dass auf dem Fahrzeug, das in der Betriebsform A 1 fuhr, von der vorgeschriebenen Besatzung ein Matrose fehlte.
Gegen den Betroffenen, der als Speditionskaufmann im Reedereibetrieb der Fa. R tätig ist, ist zunächst ein Bussgeldbescheid der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest über 200 DM ergangen, weil er "als Verantwortlicher Eigentümer und Ausrüster "ordnungswidrig gehandelt habe ; er habe nicht dafür gesorgt, dass die für die Betriebsform A 1 des MS W1 vorgeschriebene Besatzung gemäss Kapitel 14 RheinSchUO während der Fahrt ständig an Bord ist - Zuwiderhandlung gegen Art. 8 Abs. 2 b) i.V.m. Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV". Auf Einspruch des Betroffenen hat ihm das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim gemäss Art. 8 Nr. 2b RheinSchUEV i.V.m. § 7 Abs. 1 BinSchAufgG ebenfalls eine Geldbusse von 200 DM auferlegt, weil er " als sonstiger Verantwortlicher i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nicht dafür gesorgt hat, dass die für die jeweilige Betriebsform des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14 RheinSchUO) während der Fahrt ständig an Bord war (Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV)".
Mit seiner Berufung erstrebt der Betroffene seinen Freispruch.
Entscheidungsgründe:
Das formell nicht zu beanstandende Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV "haben Eigentümer, Ausrüster und Schiffsführer dafür zu sorgen, dass die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14) während der Fahrt ständig an Bord ist". Verstossen sie schuldhaft gegen diese Pflicht, so handeln sie nach Art. 8 Nr. 1c bzw. Art. 8 Nr. 2b RheinSchUEV ordnungswidrig i.S.v. § 7 Abs. 1 BinSchAufgG. Ausserdem begeht auch derjenige eine Ordnungswidrigkeit, der von dem Betriebsinhaber "ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung" für die ordnungsgemässe Bemannung der Schiffe während der Fahrt zu sorgen (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG).
Der Betroffene war nicht Eigentümer, Ausrüster oder Schiffsführer des von der Wasserschutzpolizei am 2. Mai 1990 kontrollierten MS W11. Es ist deshalb nicht richtig, wenn es in dem Bussgeldbescheid der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest heisst, er habe "als verantwortlicher Eigentümer oder Ausrüster" des MS W11 ordnungswidrig gehandelt. Hingegen ist eine andere Frage, ob der Betroffene, wie das Rheinschiffahrtsgericht in dem angefochtenen Beschluss meint, "als sonstiger Verantwortlicher i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG" nicht für eine ordnungsgemässe Bemannung dieses Schiffes gesorgt hat. Entgegen der Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichts ist diese Frage jedoch zu verneinen.
Nach den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG kommt eine Ordnungswidrigkeit eines Beauftragten nur dann in Betracht, wenn er "von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen". Eine solche, also ausdrückliche, Beauftragung hat der Gesetzgeber mit der Notwendigkeit begründet, im Interesse des beauftragten Arbeitnehmers eine eindeutige Bestimmung der Reichweite der Delegation und zur Sicherung der Einhaltung der übernommenen Pflichten klare Verhältnisse zu schaffen und einer allzu leichten Abwälzung der Verantwortung entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks. 10/5058 S. 25 f.). Nur dadurch ist klargestellt, wer im Einzelfall die bussgeldrechtliche Verantwortung trägt und in welchem Umfang diese Verantwortung übertragen ist (vgl. Rebmann/Roth/Herrmann, Ges. über Ordnungswidrigkeiten 2. Aufl. § 9 Rn. 42). Demgemäss genügt eine nur stillschweigende Bestellung, das blosse Dulden oder die konkludente Billigung der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgabe nicht (vgl. Karlsruher Kommentar z. OWiG § 9 Rn. 45).
Das Rheinschiffahrtsgericht hat sich nicht weiter mit der Frage befasst, ob ein ausdrücklicher Auftrag seitens des die Fa. R vertretenden persönlich haftenden Gesellschafters R sen. dem Betroffenen erteilt worden ist, (auch) für eine ordnungsgemässe Bemannung der Schiffe zu sorgen. Anscheinend hat es die Frage bejaht, weil der Betroffene einen von der Wasserschutzpolizei am 5. Mai 1990 an die Fa. R gerichteten Anhörungsbogen am 8. Mai 1990 beantwortet und in die Spalte "Angaben zur Person" seinen Namen eingetragen hat. Möglicherweise hat es die Verantwortlichkeit des Betroffenen auch daraus hergeleitet, dass dieser in seinem Einspruchschreiben auf die Frage seiner Verantwortlichkeit nicht eingegangen ist, sondern lediglich um Einstellung des Verfahrens gebeten hat, weil sich MS W11 zum Zeitpunkt der wasserschutzpolizeilichen Kontrolle "lediglich auf der Fahrt von Gernsheim nach Speyer zur Werft befand".
Indessen hat der Betroffene in der Begründung seiner Berufung vorgetragen, dass er nicht "sonstiger Beauftragter i.S.d. § 9 Abs. 2 OWiG ist, da es an der erforderlichen ausdrücklichen Beauftragung fehlt". Zum Beweis hat er sich auf das Zeugnis von R sen. berufen. Der Zeuge hat bei seiner hierauf von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe veranlassten Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei am 29. November 1991 "zu den Verantwortlichkeiten innerhalb der Fa. R bekundet, bei dem Betroffenen sei es so, "dass dieser als Disponent auftritt und somit als sonstiger Verantwortlicher i.S.d. RheinSchUO anzusehen ist". Die Wasserschutzpolizei selbst hat zu dem Ergebnis ihrer Ermittlungen in einer Stellungnahme vom 2. Dezember 1991 ausgeführt, dass der Betroffene "als Disponent nunmehr bei der Fa. R beschäftigt ist und somit für die Besatzung der Binnenschiffe der Firma verantwortlich zeichnet". Daraus ergibt sich, dass der Betroffene als verantwortlicher Schiffsdisponent bei der Fa. R tätig ist. Allein die Ausübung einer solchen Tätigkeit genügt aber nicht schon für eine bussgeldrechtliche Verantwortung des Betroffenen für die Unterbemannung des MS W11 am 2. Mai 1990. Denn eine solche Verantwortung setzt, wie bereits erwähnt, ausserdem - nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG - voraus, dass der Betroffene von dem vertretungsberechtigten Gesellschafter der Fa. R ausdrücklich damit beauftragt worden ist, (auch) für die ordnungsgemässe Bemannung der Schiffe zu sorgen, und er damit dessen bussgeldrechtliche Verantwortung (vgl. hierzu § 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) übernommen hat. Dafür besteht aber kein hinreichender Anhalt. Dass der Betroffene "als Disponent auftritt" bzw. "als Disponent beschäftigt ist", besagt nichts für eine ausdrückliche Beauftragung durch den Zeugen R sen., was die Einhaltung der Besetzungsvorschriften der Rheinschiffsuntersuchungsordnung angeht. Ein derartiger Schluss lässt sich mit Sicherheit auch nicht daraus ziehen, dass er den Anhörungsbogen der Wasserschutzpolizei ausgefüllt und erst im Berufungsverfahren seine mangelnde bussgeldrechtliche Verantwortlichkeit unter Hinweis auf das Fehlen der hierzu erforderlichen ausdrücklichen Beauftragung hervorgehoben hat. Entgegen der Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichts kann daher dem Betroffenen ein Bussgeld nicht auferlegt werden.
Es wird deshalb für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Betroffenen wird der Beschluss des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 26. Juli 1991 abgeändert. Der Betroffene wird freigesprochen.
2. Der Betroffene hat keine Kosten zu tragen.
3. Die Festsetzung der ihm zu erstattenden notwendigen Auslagen erfolgt gemäss Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.