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256 Z - 5/92 - Berufungskammer der Zentralkommission (Rheinschiffahrtsgericht)
Date du jugement: 18.06.1992
Numéro de référence: 256 Z - 5/92
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Rheinschiffahrtsgericht

Leitsatz:

Stoßen Fahrzeuge im Bereich der geregelten Begegnung (§ 9,02 Nr. 1 a RheinSchPVO) eindeutig im Fahrwasser der Bergfahrt zusammen, spricht das nach allgemeinen Erfahrungsregeln für einen falschen Kurs des Talfahrers 

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 18. Juni 1992

256 Z - 5/92

(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)

Zum Tatbestand:

 

Am 10.11.1989 kollidierte das von der Klägerin versicherte MS "Senator" auf der Fahrt zu Berg in der Ortslage Geisenheim nahe der grünen (linksrheinischen ) Tonnen gegen 1.20 Uhr mit dem zu Tal kommender. MITS "Eiltank 24" des Beklagten zu 1, das vom Beklagten zu 2 verantwortlich geführt wurde.

Die Klägerin, die aus abgetretenem Recht von den Beklagten den Unfallschaden ersetzt verlangt, hat vorgetragen, MS "Senator" habe das Kemptener Fahrwasser benutzt und einen Abstand von etwa 10 m zu den grünen Tonnen eingehalten. Bei für die Bergfahrt guten Sichtverhältnissen sei Steuermann B. nach optischer Sicht gefahren. Außerdem sei, wie üblich, das Radargerät eingeschaltet gewesen. Kurz vor dem Unfall sei in Höhe von Rhein-km 524 eine dichte Nebelwand zu Tal gekommen. B. habe nunmehr im Radarbild einen Talfahrer bemerkt. Er habe sich über Sprechfunk "als Bergfahrer im Kemptener Fahrwasser gemeldet und die Antwort "Talfahrer in Höhe Geisenheim" erhalten. Es habe nach einer normalen Backbordbegegnung ausgesehen. Plötzlich sei aber der Talfahrer mit Backbordkurs nach linksrheinisch gefahren. Einen erneuten Anruf über Sprechfunk durch Steuermann B. habe dessen Führung nicht beantwortet, sondern den falschen Kurs beibehalten. Nunmehr habe B. versucht, durch Umsteuern der Maschine des MS "Senator" auf voll rückwärts die Kollision noch zu vermeiden. Das sei aber nicht mehr möglich gewesen.

Die Beklagten sind der Ansicht, daß nicht der Beklagte zu 2, sondern Steuermann B. den Unfall verschuldet habe. Wegen der am Unfalltag infolge Nebels geringen Sichtweite von maximal 50 bis 80 m sei der Beklagte zu 2 ausschließlich nach Radar gefahren. Er habe sich oberhalb der Ortslage Geisenheim über Sprechfunk als "Talfahrer oberhalb Geisenheim" gemeldet, jedoch keine Antwort erhalten. Bei der Annäherung an die Rüdesheimer Aue habe er auf dem Radarbild rechtsrheinisch, ca. 100 m oberhalb der Trennungstonne auf dem dortigen Liegeplatz ein sich zunächst nicht bewegendes Echo bemerkt, das von MS "Senator" gestammt habe. Darauf habe er sich erneut über Sprechfunk als Talfahrer gemeldet, aber wiederum keine Antwort bekommen. Er habe die Fahrt im Talweg, in der Mitte des Fahrwassers, fortgesetzt, zumal ein Bergfahrer wegen der im Unfallsbereich vorgeschriebenen geregelten Begegnung linksrheinisch entlang der grünenTonnen hätte fahren müssen. Im weiteren Verlauf der Annäherung habe sich das Radarecho des "Stilliegers" zu Berg bewegt, und zwar hart rechtsrheinisch, so daß keinerlei Kollisionsgefahr bestanden habe. Jedoch habe dieser bei einem Höhenabstand der beiden Fahrzeuge von nur noch ca. 300 m einen linksrheinischen Kurs eingeschlagen und sich plötzlich "als Bergfahrer in Geisenheim" gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt sei MTS "Eiltank 24", das in das (linksrheinische) Kemptener Fahrwasser habe einfahren wollen, schon im linksrheinischen Teil der Fahrrinne gewesen. Um einen Zusammenstoß mit dem Bergfahrer zu vermeiden, sei der Beklagte zu 2 mit seinem Fahrzeug nach Backbord bis nahe an die grünen Tonnen ausgewichen. Kurz danach sei MS ' Senator" auf Grund seines falschen Kurses mit dem Steuerbordvorschiff in die Steuerbordseite des MTS "Eiltank 24" in Höhe von Raum 5/ 6 hineingelaufen.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Schadensersatzklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

'Der Beklagte zu 2 hat durch einen falschen Kurs die Kollision zwischen seinem Fahrzeug und dem MS 'Senator' verschuldet. Hingegen ist Steuermann B. ein Verschulden nicht nachzuweisen.

Die Kollision hat sich auf der Höhe der llmenaue (Rhein-km 524 bis 524,70) etwas oberhalb der bergwärts vor der Rüdesheimer Aue (Rhein-km 524,70 bis 527,30) ausgelegten Trennungstonne nahe der linken Fahrrinnengrenze ereignet. Durch die Rüdesheimer Aue wird das Fahrwasser in das linksrheinische Kemptener Fahrwasser und das rechtsrheinisch Rüdesheimer Fahrwasser gespalten Für den gesamten Bereich ist die geregelte Begegnung vorgeschrieben (§ 9.02 Nr. 1 a RheinSchPVO). Demgemäß müssen die Bergfahrer und die Talfahrer beim Begegnen ihren Kurs abweichend von § 6.04 RheinSch- PVO so weit nach Steuerbord richten, daß die Vorbeifahrt ohne Gefahr Backbord an Backbord stattfinden kann (§ 9.02 Nr. 2 RheinSch- PVO). Hier sind die beiden Fahrzeuge mit ihren Steuerbordseiten nahe der linksrheinischen Fahrrinnenbezeichnung (grüne Tonnen - vgl. Anlage 8 Nr. 2 RheinSchPVO) zusammmengestoßen, also eindeutig im Fahrwasser der Bergfahrt. Das spricht nach allgemeinen Erfahrungsregeln für einen falschen Kurs des Talfahrers.

Die Beklagten suchen das mit folgendem Vortrag auszuräumen: Steuermann B. von MS "Senator", der zur Unfallzeit allein im Steuerhaus dieses Schiffes war, habe nach dem Passieren des Kemptener Fahrwassers wegen Übermüdung völlig die Orientierung verloren gehabt; infolgedessen sei er nach rechtsrheinisch auf den dort befindlichen Liegeplatz geraten, habe plötzlich wieder die Fahrt auf das linksrheinische Ufer zu aufgenommen und im Verlauf seiner Querfahrt das nunmehr nach backbord ausweichende MTS "Eiltank 24" an seiner Steuerbordseite gerammt Demgegenüber hat Steuermann B. bekundet, daß er bei klarer Sicht in gemäßigter Fahrt mit MS "Seanator" durch das Kemptener Fahrwasser gefahren und sodann in Nähe der ersten grünen Tonne an der Urnenaue etwas mehr zur Strommitte abgegangen sei bis auf einen Abstand von etwa 70 m zu dieser Tonne, um die nächste grüne Tonne an der Ilmenaue zu umfahren; sodann sei er unterhalb der Trennungstonne vor der Rüdesheimer Aue wieder etwas nach Steuerbord gegangen; plötzlich sei ihm ungefähr in Höhe der Trennungstonne eine Nebelwand entgegengekommen; er habe sich über Sprechfunk "zu Berg" gemeldet, nachdem sich zuvor 'jemand zu Tal in Höhe von Geisenheim' gemeldet gehabt habe; in der Folge sei plötzlich MTS "Eiltank 24" vor ihm "rübergeschossen" gekommen; darauf habe er die Maschine des MS "Senator" auf volle Kraft rückwärts umgesteuert; das Schiff sei dadurch nach Backbord verfallen und von dem Talfahrer an der Steuerbordseite gerammt worden.

Würdigt man diese - einander widersprechenden - Aussagen, berücksichtigt man ferner die allerdings nur wenig ergiebigen Bekundungen der von dem Rheinschiffahrtsgericht in dem Parallelverfahren weiter vernommenen Zeugen... und zieht man außerdem die besonderen Gegebenheiten des Falles in Betracht, so läßt sich die von den Beklagten behauptete Fahrweise des Bergfahrers nicht feststellen.

Zunächst bestehen für eine Übermüdung von Steuermann B. keine Anhaltspunkte... Entgegen der Ansicht der Beklagten läßt sich eine Desorientierung des Steuermanns B. über Lage und Kurs des von ihm gesteuerten MS "Senator" auch nicht aus den Sichtverhältnissen zur Unfallzeit im Unfallbereich herleiten. B. hat bei seiner Vernehmung bekundet, daß es bis zu der Nebelwand, die ihm ungefähr in Höhe der Trennungstonne entgegengekommen sei, bei Vollmond "glockenhell" gewesen sei, Schiffsführer S, der unmittelbar nach der Kollision an Deck gekommen ist, hat ausgesagt, MS "Senator" sei bei dem Zusammenstoß schon in der Nebelwand gewesen, hinten sei es aber noch ziemlich hell gewesen; er habe die Lichter von Bingen noch sehen können. Beide Aussagen haben die Beklagten nicht näher bezweifeln können. Demnach ist anzunehmen, daß B. bis unmittelbar vor der Kollision ausreichende optische Sicht hatte, so daß schon deshalb kein genügender Anhalt dafür besteht, daß er infolge Nebels die Orientierung verloren gehabt habe und auf den linksrheinischen Liegeplatz geraten sei. Hatte Steuermann B. aber beim Verlassen des Kemptener Fahrwassers noch hinreichende optische Sicht, so spricht nichts dafür, daß er als Bergfahrer den vorgeschriebenen linksrheinischen Kurs völlig verlassen haben und quer über den Rhein zu dem dort befindlichen Liegeplatz gefahren sein soll, ferner nach einem kurzen Verweilen wieder in Richtung linkes Ufer gefahren und in Nähe der linken Fahrrinnenbezeichnung MTS "Eiltank 24" gerammt haben soll.

Hingegen werfen die Beklagten Steuermann B. mit Recht vor, daß er bei der Annäherung an die Nebelwand den Bildschirm des Radargeräts nicht gehörig beobachtet hat. Das folgt aus seiner Angabe, den Talfahrer auf dem Bildschirm des auf 1.200 m voraus eingestellten Radargeräts erstmals bemerkt zu haben, als er "vielleicht noch 50 m von mir entfernt war." Dabei hätte B. den Bildschirm um so mehr mit besonderer Sorgfalt beobachten müssen, weil sich über Sprechfunk ein Talfahrer gemeldet hatte. Indessen läßt sich, wie das Rheinschiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht feststellen, daß der aufgezeigte Fehler des Steuermanns B. für den Unfallschaden ursächlich gewesen ist. Das könnte nur dann angenommen werden, wenn sich anhand der Kurse, der Geschwindigkeit und der jeweiligen Entfernungen der beiden Schiffe feststellen ließe, daß B. bei gehöriger Beobachtung des Radargeräts und den danach gebotenen Maßnahmen den Zusammenstoß hätte verhindern können oder dieser zu einem geringeren Schaden geführt hätte. Eine solche Feststellung kann hier aber nicht getroffen werde. Denn weder aus dem Inhalt der Prozeß- noch aus dem der Beiakten lassen sich genaue Angaben zu den von den Schiffen jeweils eingehaltenen Kursen und Geschwindigkeiten sowie hinsichtlich ihrer jeweiligen Höhen und Seitenabstände entnehmen."

 

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993- Nr.6 (Sammlung Seite 1413 ff.); ZfB 1993, 1413 ff.