Banque de données de juriprudence
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
255 Z - 1/92
vom 23. April 1992
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 16. April 1991 - C 111/89 RhSch)
Tatbestand:
Am 17.11.1988 fuhr MTS R18 (2.405 t) auf dem Rhein zu Tal. An seiner Backbordseite war TSL R50 (1.620 t) gekuppelt. Beide Fahrzeuge waren leer. Sie stehen im Eigentum der Klägerin. Führer des Koppelverbandes (KV) war Schiffsführer B. Wegen starken Nebels mit Sichtweiten um 100 m hatte dieser das Radargerät eingeschaltet. Etwa gegen 8.15 Uhr passierte der KV den rechten Brückenbogen der Konrad-Adenauer-Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen. Dabei geriet der Leichter mit der Backbordseite gegen den Vorfuss des linken Pfeilers des Bogens und riss von MTS R18 ab. Beide Fahrzeuge erlitten Schäden.
Die Klägerin verlangt ihren Unfallschaden von dem Beklagten ersetzt. Dieser ist Eigner und Schiffer des MS A (1.302 t). Zur Unfallzeit kam er mit dem leeren Schiff in Radarfahrt unterhalb der Konrad-Adenauer-Brücke rechtsrheinisch zu Berg. Er wollte ebenfalls den rechten Brückenbogen für die Brückendurchfahrt benutzen und hatte mit der Führung des KV eine Steuerbordbegegnung vereinbart. Nach der Behauptung der Klägerin hatte der Beklagte ausserdem Schiffsführer B zugesagt, unterhalb der Brücke die Durchfahrt des KV abzuwarten. Indessen sei er, anstatt unterhalb der Brücke zu verharren, in den Brückenbogen mit einem Seitenabstand von ca. 20 - 25 m zum rechten Ufer eingefahren, so dass der KV unmittelbar vor und in der Brücke nach Backbord habe ausweichen müssen. Zwar sei es ihm gelungen, die Steuerbordseite des MS A auf 5 - 8 m freizufahren. Jedoch habe das Ausweichmanöver die Anfahrung des Vorfusses des linken Pfeilers des Brückenbogens zur Folge gehabt. Dessen Durchfahrtsbreite habe bei dem zur Unfallzeit vorhandenen Wasserstand unter 65 m gelegen.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 44.943,20 DM nebst Zinsen sowie wegen ihrer Forderung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das MS A zu verurteilen.
Der Beklagte hat den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen. Er habe nicht der Führung des KV zugesagt, unterhalb der Brücke zu warten. Er habe der Talfahrt nur erklärt, dass er etwas langsamer machen werde. Demgemäss habe er sich der Brücke mit verminderter Geschwindigkeit genähert mit einem Seitenabstand von ca. 10 m zum rechtsrheinischen Ufer. Als er sich noch etwa 100 m unterhalb derselben befunden habe, habe er auf dem Radarschirm gesehen, dass der KV gestreckt in den rechten Brückenbogen einfahre und sich - bei einer effektiven Durchfahrtsbreite um 70 m - ungewöhnlich nahe der rechten Seite des linken Pfeilers gehalten habe. Kurz danach habe er mehrmals ein lautes Krachen gehört und anschliessend ein Auseinanderscheren der beiden Fahrzeuge des KV bemerkt. In dieser Lage hätten die beiden Fahrzeuge MS A etwa 50 bis 70 m unterhalb der Brücke passiert.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat - nach Vernehmung von Zeugen und nach Beiziehung der Bussgeldakten gegen den Beklagten - den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat es ausgeführt, dass es der Beklagte entgegen einer mit der Führung des KV getroffenen Absprache unterlassen habe, mit MS A unterhalb der Brücke anzuhalten, um dem Verband eine risikolose Durchfahrt durch den rechten Brückenbogen zu ermöglichen. Dadurch habe er den KV zu einem Kurs gezwungen, der die Gefahr der Anfahrung des linken Pfeilers des Bogens herbeigeführt und den Unfall verursacht habe. Im übrigen hätte der Beklagte gemäss § 6.24 Nr. 1, § 6.07 Nr. 1 c RheinSchPV wegen der besonderen Gegebenheiten des Falles auch ohne eine entsprechende Abrede unterhalb der Brücke die Durchfahrt des KV abwarten müssen : Bei einer maximalen Breite der Durchfahrtsöffnung von 65 m, dem ca. 20 m breiten KV und dem 10,5 m breiten MS A sowie der nicht geringen Beeinträchtigungen des Radarbildes durch die Brücke selbst hätten die Berg- und die Talfahrt nicht gleichzeitig den rechten Brückenbogen sicher passieren können.
Der Beklagte beantragt mit der Berufung, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung hat keinen Erfolg.
1. Es ist unbestritten, dass der Beklagte dem Führer des KV über Sprechfunk die Weisung erteilt hat, an der Steuerbordseite des MS A vorbeizufahren. Kein Streit besteht zwischen den Parteien auch darüber, dass Berg- und Talfahrt die Konrad-Adenauer-Brücke durch den rechten Brückenbogen passieren wollten. Streitig ist hingegen, ob der Beklagte mit dem Führer des KV abgesprochen hat, mit seinem Fahrzeug unterhalb der Brücke die Durchfahrt des KV abzuwarten, so dass es zwischen ihnen zu keiner Begegnung im Brückenbereich kommen konnte. Umstritten ist ferner, wo sich MS A befunden hat, als der KV den rechten Brückenbogen passiert hat.
a) Die Berufungskammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Beklagte mit dem Schiffsführer B des KV abgesprochen hat, mit seinem Fahrzeug unterhalb der Brücke zu warten, um eine Begegnung zwischen der Berg- und Talfahrt in der Brücke zu vermeiden. Eine solche Absprache hat nicht nur B bei seiner Vernehmung durch das Rheinschiffahrtsgericht bezeugt. Vielmehr hat das auch der an dem Unfall unbeteiligte Zeuge K, der als Lotse des hinter dem KV zu Tal fahrenden MS Ar den Sprechfunkverkehr zwischen dem Beklagten und B mitgehört hat, bekundet.
Überdies ist den Aussagen des Beklagten (vor der Wasserschutzpolizei) und seiner Ehefrau (vor dem Rheinschiffahrtsgericht) zu entnehmen, dass sich der Beklagte zumindest dem Sinne nach gegenüber B dahin geäussert hat, unterhalb der Brücke zu verbleiben, bis der KV sie passiert hatte. So hat der Beklagte nach seiner Schilderung der Führung des KV, den er allerdings für einen Einzelfahrer gehalten hat, über Sprechfunk mitgeteilt, "für die Talfahrt oberhalb der Konrad-Adenauer-Brücke Begegnung Steuerbord/Steuerbord, die Bergfahrt macht ein bisschen langsamer". Alsdann habe er die Maschine so weit zurückgenommen, dass sein Fahrzeug gerade noch manövrierfähig gewesen sei. Ähnlich hat sich die Ehefrau des Beklagten, die ebenfalls den Radarschirm beobachtet hat, geäussert. Zwar hat sie in Abrede gestellt, dass der Beklagte gesagt habe, er werde unterhalb der Brücke warten. Jedoch hat sie die Angabe des Beklagten bestätigt, er werde langsamer machen. Ausserdem hat sie bemerkt, dass wenn jemand sage, ich mache langsam, "dann hat das auch schon den Sinn, dass Talfahrer und Bergfahrer nicht gleichzeitig im Brückenbogen sind". Ferner hat sie gemeint, die Bergfahrt lasse normalerweise die Talfahrt zuerst durch den Brückenbogen, da sie eine grössere Geschwindigkeit habe und schwerer manövrieren könne.
b) Die Berufungskammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausserdem überzeugt, dass der Beklagte in den rechten Brückenbogen in dessen mittlerem Bereich eingefahren ist, ehe der KV diesen passiert hatte. Allerdings hat er bekundet, dass der Abstand seines Schiffes zum rechten Ufer zuletzt ca. 10 m betragen und sich dieses noch ca. 100 m unterhalb der Brücke befunden habe, als er ein lautes Krachen gehört habe. Diese Angaben hat ausserdem seine Ehefrau im wesentlichen bestätigt. Demgegenüber hat Schiffsführer B ausgesagt, er habe etwa 200 m von der Brücke entfernt festgestellt, dass das Echo des Bergfahrers im Streufeld der Brücke verschwunden sei, und zwar mitten in der Durchfahrt vom rechten Joch, wohin auch der Kurs seines KV gerichtet gewesen sei. Diese Aussage wird gestützt von den Bekundungen des an dem Unfall unbeteiligten und am Prozessergebnis ersichtlich nicht interessierten Zeugen B. Dieser hat mit seinem Schiff (MS G) etwa 370 - 400 m unterhalb der Brücke auf der linksrheinischen Seite gelegen. Er hat sich zur Unfallzeit im Ruderhaus seines Schiffes aufgehalten, weil er ablegen wollte und deshalb die Vorgänge auf dem Strom mit dem Radargerät beobachtete. Nach seinen Angaben vor der Wasserschutzpolizei hat er auf dem Radarschirm bemerkt, dass der Abstand des MS "Atreus" zum rechten Ufer 400 m vor der Brücke ca. 40 m betragen habe und für eine gefahrlose Begegnung mit dem KV zu gross gewesen sei. Allerdings habe der Bergfahrer danach die Fahrt verlangsamt, jedoch dem KV keinen Raum für eine gefahrlose Begegnung gelassen. Nach seiner weiteren Aussage vor dem Rheinschiffahrtsgericht hat die Begegnung mit dem KV "unter der Brücke stattgefunden". In diesem Moment hätten die Fahrzeuge (nur) ein Echo gezeichnet, weshalb sie (nach dem Auflösungsvermögen seines Radargeräts) nunmehr weniger als 6 m voneinander entfernt hätten gewesen sein müssen.
c) Danach ist davon auszugehen, dass der Beklagte abredewidrig in den rechten Brückenbogen vor dem Passieren des KV eingefahren ist und einen Kurs innegehabt hat, der dem Verband keinen Raum für eine gefahrlose Vorbeifahrt gelassen hat. Vielmehr musste dieser, wie den auch insoweit glaubhaften Bekundungen des Schiffsführers B zu entnehmen ist, nach Backbord ausweichen, wobei er mit dem backbords gekuppelten Leichter des KV gegen den Vorfuss des linken Pfeilers geraten ist. Der Beklagte ist deshalb in Höhe des Havarieschadens der Klägerin ersatzpflichtig (§§ 1.04, 6.04 Nr. 1 RheinSchPV, § 823 BGB, § 92 Abs. 2, § 92 b BinSchG), allerdings nur beschränkt im Rahmen des § 4 Abs. 2 Satz 2, § 114 BinSchG. Im Hinblick darauf kann offen bleiben, ob der Beklagte (wie das Rheinschiffahrtsgericht meint und von der Berufung entschieden in Abrede gestellt wird) auch deshalb der Klägerin gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil er aus § 6.24 Nr. 1 i.V.m. § 6.07 Nr. 1 c RheinSchPV ebenfalls gehalten gewesen sei, unterhalb des nach den Gegebenheiten des Falles als Fahrwasserenge anzusehenden rechten Brückenbogens die Durchfahrt des KV abzuwarten.
2. Entgegen der Ansicht der Berufung lässt sich ein Mitverschulden von Schiffsführer B an dem Schiffsunfall nicht feststellen.
a) Es kann zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass es die Fahrwasserverhältnisse zum Unfallzeitpunkt dem unbeladenen KV erlaubt hätten, anstatt des rechten, den mittleren Brückenbogen zu durchfahren. Dass er das nicht getan hat, kann Berndt aber nicht zum Vorwurf gereichen. Die Talfahrt darf, was unbestritten ist, beide Brückenbogen benutzen. Bei der Fahrt durch den mittleren Brückenbogen bestehen für sie aber ungünstige Fahrwasserverhältnisse, wie der damit erfahrungsgemäss vertraute Lotse K als Zeuge bestätigt hat. Um so weniger kann es deshalb beanstandet werden, dass Schiffsführer B für die Brückendurchfahrt den rechten Brückenbogen gewählt hat, zumal er die Zusage des Beklagten hatte, mit seinem Fahrzeug unterhalb der Brücke zu warten, ausserdem, wie die Berufung selbst dargelegt hat, die gewählte Brückendurchfahrt auch für Talfahrer "durch das Radargerät beherrschbar ist".
b) Es ist richtig, dass Schiffsführer B und Steuermann M von MTS R18 vor dem Rheinschiffahrtsgericht bekundet haben, dass der KV, so wie er zusammengestellt gewesen ist, einen leichten Hang nach Backbord hatte. Beide Zeugen haben aber auch bestätigt, dass das beim Steuern des KV ausgeglichen worden ist. Ferner besteht kein Anhalt dafür, dass B den Ausgleich unmittelbar vor oder während der Brückendurchfahrt unterlassen hat und deshalb der Tankleichter gegen den Vorfuss des Pfeilers geraten ist.
c) Zutreffend ist weiter, dass Schiffsführer B keinen Ausguck aufgestellt hatte, wie es § 6.30 Nr. 1 Satz 2 RheinSchPV für die Fahrt bei unsichtigem Wetter vorschreibt. Radarfahrer sind jedoch von dem Befolgen der Vorschrift befreit, sofern der Schiffsführer in der Lage ist, die Fahrt gefahrlos fortzusetzen (§ 6.32 Nr. 3 RheinSchPV). Ein solcher Fall war hier auch für die Brückendurchfahrt gegeben, nachdem der Beklagte dem Schiffsführer B zugesagt hatte, mit seinem Fahrzeug unterhalb der Brücke zu warten, so dass B davon ausgehen konnte, dass ihm der rechte Brückenbogen für die Durchfahrt seines KV in voller Breite zur Verfügung stehen werde und, wie den Ausführungen der Berufung zu entnehmen ist, die gesamte Brücke, also auch der rechte Brückenbogen, "im Radar ganz klar in seinen Abgrenzungen erscheint".
d) Auch wenn man mit der Berufung davon ausgeht, dass Schiffsführer B jedenfalls dann, als der Bergfahrer für ihn im Echostreufeld der Brücke verschwand, ein Achtungsignal hätte geben müssen, so lässt sich nicht feststellen, dass dadurch der Unfall noch hätte vermieden werden können. Das gilt ebenso für den Vorwurf, Berndt habe es unterlassen, für die Brückendurchfahrt das Bugstrahlruder des Tankleichters einzusetzen.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt :
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 25.04.1991 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Festsetzung dieser Kosten gemäss Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.