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Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 06.05.1991
Begründung:
Das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg hat in seinem oben erwähnten Urteil folgendes erklärt:
- Die Einrede der Nichtigkeit der Vorladung des Beschuldigten, der geltend machte, dass die ihm angelasteten Sachverhalte so wie die Umstände von Zeit und Ort der verfolgten Verstöße nicht ausreichend darin dargestellt sind, ist abgewiesen.
- Der Beschuldigte ist der ihm vorgeworfenen Tatbestände schuldig, d.h., er ist am 30. Mai 1988, auf jeden Fall vor nicht verjährter Zeit, auf dem Rhein gefahren
- mit einem Schiff, dass nicht den Vorschriften bezüglich Einsenkungsmarken, Tiefgangsanzeiger und Eichung von Schiffen auf dem Rhein entsprach (Art. 2-01 bis 2-05 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung: RhSchPVO);
- ohne die Bezeichnung der Wasserstraße zu beachten (Art. 5-01 RhSchPVO);
- mit einem Motorschiff, das mit einer Flüssiggasanlage ausgestattet war, dessen Absperrventil nicht schlag- oder witterungsgeschützt war (Art. 8-09, 8-12, 8-15 RhSchPVO).
- Der Beschuldigte wird zu einer Geldbuße von 3 000 Francs und zur Erstattung der Kosten an den Staat verurteilt;
- Die Ersatzhaft wird auf die Mindestdauer festgesetzt.
Der Berufungskläger wirft dem Erstrichter vor, er sei bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Vorladung ordnungsgemäß erfolgt sei, da „die Verteidigung das Protokoll während der Ermittlungen habe einsehen können und damit über alle erforderlichen Angaben hinsichtlich der Tatvorwürfe verfügt habe“, wobei das Protokoll der Vorladung gar nicht beigelegen habe, und darin auch nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, dieses einzusehen, und die Vorladung darüber hinaus lediglich die strafrechtlichen Anschuldigungen enthalten habe und damit nicht den Bestimmungen von Artikel 551 Strafprozessordnung (StPO) und auch nicht Artikel 6-3 der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprochen habe.
Insbesondere führt er an,
- dass in der Vorladung keinerlei genaue Angaben über die Tatbestände angegeben sind, mit denen er gegen Artikel 2-01 bis 2-05 RhSchPVO verstoßen haben soll, und auch nicht über die Kennzeichnung des Fahrzeuges und die Umstände, unter denen es seiner Führung unterstellt war;
- dass der Verstoß gegen Artikel 5-01 dieser Verordnung nicht näher bestimmt ist, da lediglich darauf hingewiesen wird, dass er im Zuständigkeitsbereich des Gerichts stattgefunden habe;
- dass für den Verstoß gegen die Bestimmungen des Artikels 8-05 bis 8-09 und 8-15 keine Zeitangabe gemacht wird;
- dass das Gericht, da es wegen keinerlei Tatbestand rechtmäßig angerufen wurde, auch keine Verurteilung habe aussprechen können.
H. F fordert folglich die Berufungskammer auf, folgendes zu erklären:
„Das Urteil, gegen das Berufung eingelegt wurde, ist nichtig. Das Gericht war mit keinerlei strafrechtlich zu verfolgendem Tatbestand befasst; die Vorladung ist nichtig; der Beschuldigte wird folglich von weiterer Strafverfolgung freigesprochen.“
Anschließende Begründung:
Aus der Prüfung der dem Beschuldigten in seiner Eigenschaft als Schiffer in der vom Recht vorgeschriebenen Form zugestellten Vorladung geht hervor, dass im Gegensatz zu seinen Behauptungen die Tatbestände, wegen derer er verfolgt wird, klar definiert sind.
Datum und Ort der angelasteten Tatbestände sind wie folgt angegeben: „am 30. Mai 1988 in Gambsheim...“.
Da es sich um mehrere Verstöße handelt, die bei ein und der selben Kontrolle festgestellt wurden, ist es durchaus zulässig, dass obige Angaben, die im Kopf der Ladung stehen, nicht bei jeder einzelnen Zuwiderhandlung wiederholt werden, selbst dann nicht, wenn der Beschuldigte zwei verschiedene Vordrucke verwendet hat, die zusammengeheftet waren und er es unterlassen hat, auf einem der beiden Vordrucke die wiederholten allgemeinen Angaben „im Zuständigkeitsbereich des vorlegenden Gerichts...vor nicht verjährter Zeit...“ zu streichen.
Die Abschrift der deutschen Übersetzung der Ladung ist im Übrigen diesbezüglich absolut klar.
Die angelasteten Tatbestände sind nach Maßgabe der Merkmale des Strafrechts eingestuft und bezeichnet. Es ist nicht erforderlich, in der Ladung den Sachverhalt im Detail darzustellen. Es ist ausreichend, dass der Beschuldigte, um sich verteidigen zu können, eindeutig über das, was ihm angelastet wird, informiert wird, und dass das Gericht aufgerufen wird, zu urteilen. Dies ist in der vorliegenden Angelegenheit der Fall, denn selbst wenn die H. Fangelasteten Fakten lediglich entsprechend der strafrechtlichen Tatbestandmerkmale angegeben sind, so sind sie doch durch die diesbezüglichen Ort- und Zeitangaben dokumentiert. Da es sich um banale Zuwiderhandlungen handelt, lassen sie sich folglich leicht identifizieren, zumal der Beschuldigte bei seiner Vernehmung persönlich über die gegen ihn vorgebrachten Tatbestände von den Ermittlern informiert wurde, die ihm das Aufnahmeprotokoll zur Unterschrift vorgelegt hatten. Schließlich hat sich H. Fin erster Instanz durch einen Anwalt der Anwaltschaft von Strassburg vertreten lassen. Dieser wusste sehr wohl, dass er innerhalb der gesetzlichen Frist Zugang zu den den Sachverhalt betreffenden Unterlagen hatte und diese ohne Schwierigkeiten sprachlicher Natur einsehen konnte.
Folglich konnte ihm keiner der gegen seinen Klienten erhobenen Anklagepunkte entgangen sein.
Aus der Aussage von H. R, vereidigter französischer Polizeibeamter im Dienste des Service de la Navigation (Wasser- und Schifffahrtsverwaltung), (Protokoll Nr. 44 der WSP Gambsheim, Anlage zur Gerichtsakte) geht hervor, dass die MS F, unter Führung des Beschuldigten am 30. Mai 1988 am späten Vormittag Bug zu Berg in Richtung Kehl fuhr und ohne die Geschwindigkeit zu drosseln in Höhe des Hafens Fort-Louis bei Rheinkilometer 325,300 etwa dreißig Meter von den den Hafen Fort-Louis begrenzenden Dukdalben vorbeifuhr und dabei Wellenschlag verursachte. Die im Bereich der Bergungsarbeiten an dem Fahrzeug “M“, das im Hafen Fort-Louis gekentert war, eingesetzten Schiffe und das schwimmende Gerät hatten von ferne sichtbar die Flaggen „Wellenschlag vermeiden“ gehisst. Auf der Uferböschung unterhalb des Hafens Fort-Louis war eine Tafel aufgestellt mit der Zahl 60, die angibt, wie viel Meter Abstand die die Schiffe von dieser Tafel halten müssen. Aus der Vernehmung des Beschuldigten vom 30. Mai 1988 geht laut Protokoll Nr. 44/1988 hervor, dass er zugegeben hat, zum Zeitpunkt der Ereignisse der Führer von MS „A“ gewesen zu sein, deren Besitzer er ist, und bei der Vorbeifahrt auf Höhe des Hafens Fort-Louis die Geschwindigkeit nicht gedrosselt zu haben. Dem Beschuldigten wurde seine Aussage in deutscher Übersetzung vorgelesen, ohne dass er etwas daran zu ändern, hinzuzufügen oder zu streichen gehabt hätte. Indem der Beschuldigte an der Bergungsstelle die Geschwindigkeit nicht gedrosselt hat und im Abstand von ca 30 m an den Dukdalben, die den Hafen Fort-Louis gegen den Rhein abgrenzen, entlang gefahren ist, hat er die in Artikel 3-48 RhSchPVO vorgeschriebenen Flaggen zum Wellenschutz nicht beachtet und gegen die Bestimmungen von Artikel 5.01 z. 2 RhSchPVO verstoßen, denen zufolge dem Schiffsführer vorgeschrieben wird, den Bestimmungen nachzukommen und die Empfehlungen oder Hinweise einzuhalten, auf die er durch Schifffahrtszeichen, die im Interesse der Sicherheit und Ordnung der Schifffahrt in der Wasserstraße oder auf dem Ufer aufgestellt werden, hingewiesen wird. Aus der Gerichtsakte geht hervor, dass das Fahrzeug „A“ keine offizielle Schiffsnummer auf der Seite trug, Vergehen nach Artikel 2.1 Abs. 1 RhSchPVO, und auch keine Tonnenangabe hinsichtlich Tragfähigkeit, Vergehen nach Artikel 2.01 ABs. 2 RhSchPVO. Die Anlage für Flüssiggas für den Hausgebrauch entsprach zum Datum der Protokollaufnahme vom 30. Mai 1990 nicht den Vorschriften nach Artikel 8.9, Abs. 4 Rheinschiffsuntersuchungsordnung, da sich die vorderen und die hinteren Absperrventile der Gasanlagen außen befanden und nicht gegen Schlag und Witterung geschützt waren. Allerdings wird in der Abschrift der Ladung im Kopf des Urteils bezüglich dieses Verstoßes auf die Bestimmungen der Artikel 8.5, 8.9. 8.12, 8.15 in der Rheinschiffspolizeiverordnung Bezug genommen, in der Ladung selbst jedoch auf dieselben Artikelnummern in der Rheinschiffsuntersuchungsordnung. Es handelt sich im vorliegenden Fall um einen reinen Formfehler, da die Bezeichnung der Zuwiderhandlung im Wortlaut der RhSchUO erfolgt ist. Dieser Irrtum hat keinerlei Auswirkung auf den ordnungsgemäßen Charakter des Urteils. Die Berufungskammer ist der Auffassung, dass der korrekte Wortlaut, nach dessen Maßgabe die der Anschuldigung zu Grunde liegenden Tatbestände zu ahnden sind, benutzt wurde. Die ausgesprochene Geldbuße so wie die Verurteilung zur Erstattung der Kosten ist gerechtfertigt. Allerdings hat der Erstrichter zusätzlich zu letzterer Verurteilung eine auf das Mindestmaß festgelegte Ersatzhaft ausgesprochen. Damit ist er über die Bestimmungen von Art. 32 MANNHEIMER AKTE hinausgegangen, denn laut dieses Übereinkommens sind die Rheinrichter nicht befugt, Gefängnisstrafen auszusprechen, auch nicht hilfsweise.
Folglich ist das überwiesene Urteil ausgenommen der Teil bezüglich der Ersatzhaft, der zu streichen ist, zu bestätigen. Die Kosten für das Berufungsverfahren gehen zu Lasten des Berufungsklägers.
Aus diesen Gründen:
erklärt die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt folgendes:
- Die Berufung ist der Form nach zulässig.
- Der Teil die Ersatzhaft betreffend ausgenommen, ist sie nicht begründet.
- Für die Verurteilung zu Ersatzhaft besteht kein Anlass.
Im Übrigen erklärt sie:
- Die Berufung wird abgewiesen.
- Das ergangene Urteil wird vorbehaltlich des oben Ausgeführten bestätigt und erhält volle Rechtswirkung.
- Der Berufungskläger wird zur Übernahme der Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt.
- Diese Kosten werden gemäß Artikel 39 Revidiertes Rheinschifffahrtsübereinkommen durch das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg festgelegt.