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19 S 55/76 - Landgericht (-)
Date du jugement: 06.04.1977
Numéro de référence: 19 S 55/76
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Landgericht Köln
Section: -

Leitsätze:

1) Ein Verlader kann sich im Falle der Frachtunterschreitung nicht darauf berufen, dass er infolge eines Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrages mit dem Frachtführer keinen geldwerten Vorteil erlangt habe. Das gleiche gilt, wenn der tarifmäßige Zustand durch nachträgliche Frachtkorrektur wiederhergestellt ist.
2) Organisatorisches Verschulden der Geschäftsleitung liegt vor, wenn Angestellte, die in eigener Verantwortung die Änderungen der Tarifvorschriften kontrollieren, aus unerklärlichen Gründen keine Kenntnis von Änderungen der festgesetzten Frachten erhalten.
3) Die Übersendung der Transporterklärungen an die WSD dient nicht der Frachtkontrolle, sondern der Festsetzung der Beitragsbescheide an die Frachtführer. Der Umstand, dass die WSD die in den Erklärungen enthaltenen Frachtberechnungen nicht beanstandet hat, mindert daher nicht den Schuldvorwurf bezüglich der Frachtunterbietung.

Urteil des Landgerichts Köln

vom 6. April 1977

Zum Tatbestand:

Die Fa. R. führt mit dem einzigen ihr gehörenden Motorschiff und eigener Schiffsbesatzung laufend Sandtransporte für die Beklagte aus, die sämtliche Geschäftsanteile der R. besitzt und auch deren Verwaltung durch ihren eigenen Geschäftsführer und Prokuristen wahrnehmen lässt. Zwischen beiden Firmen besteht ein Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag.

Die Klägerin als für die Frachtenkontrolle zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion, verlangt wegen Nichtberechnung von Kleinwasserzuschlägen in 2 Fällen gemäß § 31 Abs. 3 BiSchVG den Unterschiedsbetrag von ca. 1180,- DM. (In einem Parallelprozess gegen die Fa. R. sind ihr bereits rechtskräftig Unterschiedsbeträge in Höhe von ca. 6700,-DM wegen Überschreitung des Kleinwasserzuschlages in 1 Fall und wegen zu hoher Gasölzuschläge in 11 Fällen zugesprochen worden.)
Die Beklagte bestreitet grobe Fahrlässigkeit. Der zuständige Sachbearbeiter habe aus unerklärlichen Gründen von den neu festgesetzten Kleinwasserzuschlägen keine Kenntnis erhalten. Außerdem habe sie selbst wegen des Ergebnisabführungsvertrages und durch eine nachträgliche Frachtkorrektur keinen geldwerten Vorteil erlangt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Unstreitig haben die Beklagte und die R. die festgesetzten Beförderungsentgelte, zu denen auch die Kleinwasserzuschläge gehören, unterschritten; dass es sich angesichts der rechtlichen Selbständigkeit beider Firmen nicht um Werksverkehr handelt, kann in der Rechtsprechung als ausgetragen gelten (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 19. 2. 1976 - 8 K 455/74 -; BVerwG, BB 1968, 648 und OVG Münster v. 14. 4. 1975 - XIII A 1243/74 - zum GüKG).

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie aus der Tarifunterschreitung infolge des Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrages letztlich keinen geldwerten Vorteil erlangt habe, jedenfalls aber der tarifmäßige Zustand durch die nachträgliche Frachtkorrektur wiederhergestellt worden sei. Der Bundesgerichtshof hat zwar in seiner Entscheidung in NJW 1975, 1283*) als Voraussetzung für den Anspruch des Bundes nach § 31 Abs. 3 BiSchVG herausgestellt, „dass derjenige, von dem die Zahlung des Unterschiedsbetrages verlangt wird, durch den Tarifverstoß tatsächlich einen Vorteil erlangt hat". Damit ist jedoch nicht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise eröffnet worden, die mit dem von § 31 Abs. 3 BiSchVG verfolgten Zwecke der Tarifsicherung unvereinbar wäre. Vielmehr lag der Entscheidung des BGH (a.a.O.) ein Sonderfall zugrunde (der Bund hatte den von dem begünstigten Absender bereits an ihn gezahlten Differenzbetrag noch einmal von dem Hauptfrachtführer verlangt, der die untertarifliche Bezahlung in gleichem Umfang mit den Unterfrachtführern vereinbart hatte), der Anlass zu der Feststellung gab, dass der Bund von den an dem Tarifverstoß Beteiligten insgesamt nicht mehr als die festgesetzten Entgelte verlangen kann und sich hierbei an den tatsächlich Begünstigten zu halten hat.

Eine Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der von der Beklagten erlangte Frachtvorteil durch die entsprechend ungünstigere Ergebnisabführung der R. am Jahresabschluss wieder ausgleicht, würde der Vorschrift des § 31 Abs. 3 BiSchVG in dem ohnehin schon mit Abgrenzungsschwierigkeiten belasteten Bereich der wirtschaftlichen und organisatorischen Verflechtung in der gewerblichen Frachtschifffahrt den Boden entziehen und damit gegen die Bestimmung des § 42a BiSchVG verstoßen, die ein Handeln gegen die Zielsetzungen des BiSchVG, insbesondere auf dem Gebiet der Frachten, wirksam verhindern will... Daraus folgt zugleich, dass die nachträgliche Frachtkorrektur den Rechtsübergang nach § 31 Abs. 3 BiSchVG nicht berührt.
Die Beklagte kann der Klägerin den Ausgleich des Differenzbetrages mit der R. auch nicht gemäß §§ 412, 407 BGB entgegenhalten. Die Beklagte kannte nämlich zum Zeitpunkt der Gutschrift nicht nur die dem gesetzlichen Forderungsübergang zugrunde liegenden Tatsachen, sondern sie war auch schon durch das Schreiben der WSD vom 25. 11. 1974 unter Hinweis auf § 31 Abs. 3 BiSchVG zur Zahlung des geschuldeten Differenzbetrages an den Bund aufgefordert worden. Da die Beklagte jedenfalls mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das Gericht den Forderungsübergang für wirksam erachten werde, kann sie nicht als gutgläubig im Sinne der Schuldnerschutzbestimmung des § 407 BGB angesehen werden. Ein Schuldner, der sich aufgrund eigener Rechtsüberzeugung der Wirksamkeit eines ihm zweifelsfrei bekannt gegebenen Forderungsübergangs verschließt, tut dies auf eigene Gefahr (RKZ 102, 387), erst recht, wenn sich seine Rechtsüberzeugung im Wesentlichen auf die subjektive Einschätzung eigenen Verschuldens stützt.
Es gehört zu den grundlegenden Pflichten der am gewerblichen Binnenschiffsverkehr Beteiligten, sich über die geltenden Tarifbestimmungen zuverlässig zu unterrichten und diese gewissenhaft zu beachten, da das Festfrachtsystem nur bei einer möglichst lückenlosen Anwendung seinen Zweck als staatliche Lenkungsmaßnahme im Rahmen einer verkehrs- und wirtschaftspolitischen Gesamtkonzeption (vgl. z. B. BGH v. 20.3. 1975-11 ZR 87/73*] und BGH v. 3. 7. 1975 - II ZR 71/73 -) erfüllen kann. Erlangen Angestellte, die in eigener Verantwortung die Änderungen der Tarifvorschriften kontrollieren, aus von der Geschäftsleitung selbst nicht erklärbaren Gründen keine Kenntnis von diesen Änderungen, so erlaubt dies den Schluss auf ein schwerwiegendes organisatorisches Verschulden der Geschäftsleitung, die die Einhaltung der Tarifvorschriften durch geeignete personelle und betriebliche Maßnahmen zu gewährleisten hat ... Dem auch für die R. tätigen Sachbearbeiter der Beklagten war bekannt, dass bei Niedrigwasser nach Maßgabe des jeweiligen Kauber Pegelstandes prozentuale Kleinwasserzuschläge zu erheben waren. Da sich der Wasserstand täglich ändern kann, muss er den Tag, der für die Frachtberechnung maßgeblich ist, genau festhalten und sich über den Pegelstand an diesem Tage und die hierfür geltenden Zuschläge informieren. Die Tatsache, dass innerhalb des geprüften Zeitraums allein in drei Fällen gleichartige Versäumnisse bei der Berechnung des Kleinwasserzuschlages vorgekommen sind - nach der jetzigen Darstellung der Beklagten wegen Verwendung des Pegelstandes vom Vortrage -- und bei den in 11 Fällen falsch berechneten Gasölzuschlägen über einen Zeitraum von 6 Monaten hinweg die laufenden Veränderungen überhaupt nicht zur Notiz genommen wurden (s. Urteil des OiG Köln v. 12. 11. 1976 in der Parallelsache BRD ./. R.-19 U 91/76**]-), rechtfertigt den Vorwurf, dass hier naheliegendste Erwägungen nicht angestellt und Kontrollmaßnahmen versäumt wurden, die im gegebenen Fall jedem einleuchten mussten, der die Einhaltung der Tarifbestimmungen zu gewährleisten hat.
Schließlich vermag es den Schuldvorwurf auch nicht zu mindern, dass die WSD die in den ihr übersandten Transporterklärungen und Rechnungen enthaltenen Frachtberechnungen nicht beanstandet hat. Wie die zusätzlich vorgenommenen Betriebsprüfungen zeigen, dient die Übersendung dieser Belege nicht der unmittelbaren Kontrolle der Frachtsätze und Zuschläge; die auf der Grundlage dieser Belege erstellten Beitragsbescheide tragen demgemäß auch ausdrücklich den Stempelvermerk: „Tarifliche Prüfung vorbehalten", so dass die Beklagte auch von daher die Nichtbeanstandung der übersandten Belege außerhalb der Betriebsprüfungen nicht als Bestätigung für ihren Sachbearbeiter auffassen konnte ..."