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Leitsatz:
Die im Rahmen eines Gewohnheitsrechts vom Schiffer auch ohne besondere Vollmacht des Schiffseigners abgeschlossenen Frachtverträge gelten auch dann als im Namen des Eigners geschlossen, wenn der Schiffer im eigenen Namen unterzeichnet und nicht hervorhebt, soll er im Namen des Eigners abschließt. Hat der Schiffer aber nicht den Willen, den Vertrag als Vertreter des Eigners, sondern vielmehr nur für sich selbst abzuschließen, so wird der Eigner nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze weder berechtigt noch verpflichtet.
Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 14. 6. 1965
Zum Tatbestand:
Der Beklagte und sein Bruder Wilhelm S. waren mit anderen Geschwistern in ungeteilter Erbengemeinschaft Miteigentümer eines Schleppkahns, der seit Jahren von Wilhelm S. als Schiffsführer geführt wurde. Durch Vermittlung des Kaufmanns N., dem von der Erbengemeinschaft nichts bekannt war und der stets nur Wilhelm S. als Eigner des Kahnes angesehen hatte, wurde der Klägerin das Schiff gegen festen Tagessatz überlassen. Das Schiff, das sich mit Ladung auf dem Weg nach Rotterdam befand, sollte dort eine Ladung für die Klägerin zum Neckar übernehmen. An der holländischen Grenze wurde das Schiff wegen eines von Wilhelm S. verursachten Zwischenfalls (Hissen einer Hakenkreuzflagge) angehalten und von den Behörden nach Duisburg zurückgeschickt. Die Klägerin musste deshalb anderen Transportraum beschaffen, was angeblich zusätzliche Kosten von über 7000 DM verursachte. Ihre zunächst gegen Wilhelm S. erhobene Klage blieb wegen dessen Schuldunfähigkeit z. Z. des Vorfalles an der Grenze erfolglos. Sie verlangt daher nunmehr vom Beklagten Erstattung der Kosten insbesondere mit der Behauptung, dass durch den vom Schiffsführer Wilhelm S. abgeschlossenen Chartervertrag auch der Beklagte als Miteigentümer verpflichtet worden sei, da dies einem Schifffahrtsbrauch und Gewohnheitsrecht entspreche.
Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Auch die Berufung blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Zwischen den Parteien sind durch den Abschlug des Chartervertrages des Bruders des Beklagten keine vertraglichen Beziehungen entstanden. Zwar war der Beklagte unstreitig als Mitglied der Erbengemeinschaft Miteigentümer des Frachtkahns, den der Bruder des Beklagten durch den Vertrag vom 15. 9. 1959 an die Klägerin verchartert hatte. Der Umstand, daß der Beklagte Miteigentümer des Kahns war, macht ihn aber noch nicht zum Vertragspartner der Klägerin.
Allerdings ist durch das Gutachten des Vorstandes der Schifferbörse in Duisburg-Ruhrort vom 21. 12. 1964, daß sich inhaltlich mit der von der Klägerin vorgelegten Auskunft des Schifffahrtsverbandes für das Wesergebiet vom 6. 5. 1965 deckt, erwiesen, daß sich auf dem Duisburger Frachtenmarkt ein Gewohnheitsrecht dahin gebildet hat, daß Frachtverträge von dem Schiffer ohne besondere Vollmacht des Schiffseigners geschlossen werden. Vom Schiffer abgeschlossene Frachtverträge gelten auch dann im Namen des Eigners geschlossen, wenn der Schiffer im eigenen Namen unterzeichnet und nicht hervorhebt, dass er im Namen des Eigners abschließt. Diese Rechtsfolge tritt aber nur dann ein, wenn der Schiffer den Willen hatte, als Vertreter des Eigners den Vertrag abzuschließen; denn entgegen der Behauptung der Klägerin besteht nach dem Gutachten des Vorstandes der Schifferbörse in Duisburg-Ruhrort kein Gewohnheitsrecht oder Handelsbrauch dahin, daß die vom Schiffer abgeschlossenen Frachtverträge den Eigner stets - also unabhängig von der Willensrichtung des Schiffers - berechtigen und verpflichten. Die rechtliche Auswirkung der vom Schiffer abgeschlossenen Verträge bewegt sich insoweit im Rahmen der allgemeinen Gesetze, so dass der Eigner nicht in jedem Falle Partner der vom Schiffer abgeschlossenen Verträge wird. Hat der Schiffer den Vertrag für sich selbst - und nicht als Vertreter des Eigners - abgeschlossen, dann wird auch nur er aus dem Vertrage berechtigt und verpflichtet.
Die Beweisaufnahme des ersten Rechtszuges hat durch Vernehmung des Bruders Wilhelm des Beklagten ergeben, dass der Bruder den Chartervertrag nicht als Vertreter der Erbengemeinschaft als Schiffseigner, sondern für sich selbst abschließen wollte.
Hat aber der Bruder den Chartervertrag nicht als Vertreter der Erbengemeinschaft, sondern für sich selbst abgeschlossen, dann ist die Erbengemeinschaft und damit auch der Beklagte nicht Vertragspartner der Klägerin geworden. Die Klägerin hat daher keine vertraglichen Ansprüche gegen den Beklagten.
Der von der Klägerin erwähnte Gesichtspunkt der Duldungsvollmacht führt gleichfalls nicht dazu, daß der vom Bruder des Beklagten für sich selbst abgeschlossene Vertrag für und gegen die Erbengemeinschaft wirkt; denn das Verhalten der Erbengemeinschaft wie des Bruders Wilhelm bot der Klägerin keinen Grund zu der Annahme, dass der Bruder den Chartervertrag für die Erbengemeinschaft mit deren Billigung abschloss. Die Klägerin konnte dem äußeren Anschein nach nur davon ausgehen, dass der Bruder Wilhelm den Vertrag im eigenen Namen abschließen wollte.
Die Erbengemeinschaft ist als Eigentümer des Kahns auch nicht verpflichtet, für die ordnungsmäßige Erfüllung der von dem Bruder für sich eingegangenen Verpflichtungen einzustehen, wenigstens nicht soweit, als der Bruder durch sein eigenes Verhalten ohne Zutun der Erbengemeinschaft objektiv gegen den nur in seiner Person geschlossenen Vertrag verstoßen hat. Da der von dem Bruder abgeschlossene Chartervertrag mit der Klägerin somit nicht gegenüber der Erbengemeinschaft und dem Beklagten wirkt, kann offen bleiben, ob der Bruder bei Abschlug des Vertrages überhaupt geschäftsfähig war, also rechtlich verbindliche Verträge abschließen konnte.
Der Klägerin stehen auch keine außervertraglichen Ansprüche gegen den Beklagten zu. Absolute Rechte der Klägerin im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sind durch den Zwischenfall in Lobith nicht verletzt worden. Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes steht der Klägerin nicht zu. Denn ein Schutzgesetz zugunsten der Klägerin ist durch das Verhalten des Bruders, für das der Beklagte als Mitglied der Erbengemeinschaft und Miteigentümer des Kahns im Rahmen des § 831 BGB möglicherweise einstehen müsste, nicht verletzt worden. § 8 des Binnenschiffsgesetzes ist zwar ein Schutzgesetz, dient aber nur dem Schutz der Ladungsbeteiligten. Die Klägerin war zur Zeit des Vorfalles in Lobith am 15. 4. 1960 nicht Ladungsbeteiligte."