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Urteil
des Berufungsausschuss der Moselkomission
vom 10. September 2009
Auf Berufung gegen das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 28. Dezember 2006
(4 C 3/06 BSchMo)
In der Moselschifffahrtssache
________
Klägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ____
gegen
1. _______
2. _______
Beklagte, Berufungskläger und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ____
hat der Berufungsausschuss der Moselkommission in Trier nach öffentlicher Verhandlung in seiner Sitzung vom 03. Juli 2009, an welcher teilgenommen haben ___ (Vorsitzender), ___ und ___ in Anwesenheit der Gerichtskanzlerin, ___, gestützt auf Art. 34 des Vertrages über die Schiffbarmachung der Mosel vom 27. Oktober 1956 in Verbindung mit Art. 37 der revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 folgendes Urteil erlassen:
Es wird Bezug genommen auf:
1.
Das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 28.12.2006, den Parteien am 03.01.2007 zugestellt;
2.
die Berufung der Klägerin vom 30.01.2007, eingegangen bei Gericht am 30.01.2007, sowie die Berufung der Beklagten vom 30.01.2007, eingegangen bei Gericht am 31.01.2007, beide mit dem Antrag auf Entscheidung der Moselkommission;
3.
die Berufungsbegründung der Klägerin vom 22.02.2007, eingegangen bei Gericht am 22.02.2007,
die Berufungsbegründung der Beklagten vom 22.02.2007, eingegangen bei Gericht am 23.02.2007;
4.
die Berufungserwiderung der Klägerin vom 23.03.2007, eingegangen bei Gericht am 28.03.2007,
die Berufungserwiderung der Beklagten vom 22.03.2007, eingegangen bei Gericht am 26.03.2007;
5.
die Akten des Moselschifffahrtsgerichts 4 C 2/06 BSchMo sowie 4 C 3/06 BSchMo und die Bußgeldakten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest OWi-Nr. 1291 – 1293/04.
Die genannten Akten haben dem Berufungsausschuss vorgelegen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Verantwortlichkeit für einen Zusammenstoß, der sich am 18. Oktober 2004 gegen 17.00 h auf der Mosel bei Strom-km 231 zwischen dem leer zu Tal fahrenden Schubverband "___" und dem zu Berg fahrenden Koppelverband "___" zugetragen hat.
Die Klägerin ist Versicherer des mit 1.758,89 t Kohle zu Berg fahrenden Koppelverbandes, bestehend aus MS "___" (92,51 m lang, 11,45 m breit und 2.208 kw stark) und SL "___" (79,52 m lang, 11,45 m breit), und hat deren Interessenten aus Anlass des Unfalls Deckungsschutz gewährt. Schiffsführer des Verbandes war der Zeuge ___.
Die Beklagte zu 1. ist Eignerin, jedenfalls Ausrüsterin des leer zu Tal fahrenden SV „___“, der von dem Beklagten zu 2. geführt wurde und aus MS "___" (94,86 m lang, 11,40 m breit, 2.750 kw stark) sowie dem SL "___" (77,05 m lang, 11,40 m breit) zusammengestellt war.
Der Zusammenstoß ereignete sich im Bereich der zwischen Mosel-km 231 und 232 gelegenen Linkskrümmung der Mosel ca. 1,5 km oberhalb der Schleuse Stadtbredimus, aus der der Koppelverband "___“ gerade ausgefahren war.
Die Klägerin nimmt die Beklagten aus übergegangenem Recht in Anspruch und hat vorgetragen: Die Führung des KV "___" habe sich bei der Schleusenausfahrt ordnungsgemäß als Bergfahrer gemeldet, über Schiffsfunk jedoch keine Antwort erhalten. Man sei deshalb davon ausgegangen, dass keine Talfahrt entgegen komme. Deshalb habe man auch in Flussmitte, etwas näher zur deutschen Seite hin, fahren können. Obgleich die Sicht klar gewesen sei, habe man das Radar beigeschaltet gehabt, wobei eine Empfangsantenne auf dem Vorschiff des Leichters angebracht gewesen sei. In der Rechtskrümmung des Flusses zwischen Strom-km 231 und 232 habe man deshalb den Talfahrer sehr viel früher sehen können, als dies mit bloßem Auge möglich gewesen sei. Unmittelbar nachdem die Schiffsführung des zu Berg fahrenden Koppel-Verbandes KV "___" den Radarschatten wahrgenommen habe, habe man sich erneut über Kanal 10 gemeldet, die blaue Tafel gesetzt und die Begegnung Steuerbord an Steuerbord gefordert. Der Talfahrer, der nicht geantwortet habe, sei auf der Luxemburger Seite gefahren, habe aber den Verband zum rechten Ufer hin gesteuert, als er die Stromkrümmung durchfahren habe. SF ___ habe, als die beiden Schiffe noch 200 m voneinander entfernt gewesen seien, beide Maschinen auf "voll zurück" gestellt, den Zusammenstoß mit dem quer im Strom liegenden und mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfahrenden KV "___" jedoch nicht mehr verhindern können.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 45.373,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen: Steuermann ___, der den SV "___" geführt habe, habe sich als Talfahrer über Funk gemeldet, als er die Brücke bei Remich unterquert habe. Danach habe er sich bei der Schleuse Stadtbredimus für die Talschleusung angemeldet und dabei erfahren, dass der KV "___" gerade dabei sei, aus der Schleuse auszufahren. Bei freier Strecke sei er etwa in der Mitte des Flusses gefahren, wobei er davon ausgegangen sei, dass die Bergfahrt die Begegnung Backbord an Backbord wünsche, was auf dem entsprechenden Flussabschnitt üblich sei. Die Meldung des KV "___" habe er mit einem Klicken des Funkschalters beantwortet. Als er den KV erstmals im Bereich der Flusskrümmung zwischen Strom-km 231 und Strom-km 232 gesehen habe, habe er seinen Kurs nach Steuerbord gerichtet, zumal auch der Koppelverband in Flussmitte gefahren sei. Als er dann aber die blaue Tafel gesehen habe, seien die Schiffe schon ganz nah beieinander gewesen. Gleichwohl habe er den Kopf des Verbandes nach Backbord gerichtet und sei so mit dem backbordseitigen Bug von SL "___" gegen den Backbordbug von SL "___" gestoßen, nachdem er zuvor Fahrt aus seinem Schiff genommen habe. Durch den Aufprall sei das Back abgerissen und ins deutsche Ufer gelaufen, während KV "___", der ebenfalls noch Fahrt gehabt habe, nochmals gegen sein Schiff gestoßen sei.
Das Moselschifffahrtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Besatzung beider Schiffe und des Schleusenbeamten ___ sowie durch Beiziehung der Ermittlungsakten der Wasserschutzpolizei. Wegen des Inhalts der Zeugenvernehmungen wird auf die Sitzungsprotokolle vom 06. November 2006 und 05. Dezember 2006 verwiesen.
Das Moselschifffahrtsgericht hat, da die Höhe des Schadens noch nicht feststehe, gemäß § 304 Abs. 1 ZPO durch Grundurteil vom 28.12.2006 die Klage zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt und die weitergehende Klage abgewiesen. Eine Verantwortlichkeit für den Zusammenstoß hat es auf beiden Seiten gesehen und die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 823 Abs. l und 2 StGB in Verbindung mit § 6.04 MoselSchPV sowie gemäß §§ 2, 3, 92b und 92c BinSchG zum Ersatz von zwei Drittel des von der Klägerin geltend gemachten Schadens verpflichtet. Der Zusammenstoß der beiden Schubverbände sei darauf zurückzuführen, dass sich beide im Bereich einer Flussbiegung ohne ausreichende Vorbereitung begegnet seien. Die Schiffsführung des Bergfahrers habe es entgegen § 6.04 MoselSchPV unterlassen, der Talfahrt anzugeben, auf welcher Seite die Begegnung stattfinden sollte, und auch nicht ausreichend Raum für eine Vorbeifahrt gelassen. Dies sei aber auf ein Unterlassen der Schiffsführung des SV "___", des Steuermannes ___, zurückzuführen. Er habe sich auf die Funkdurchsage des Schiffsführers ___, der den zu Berg fahrenden Koppelverband "___" steuerte, nicht in erforderlicher Weise gemeldet, nämlich nur durch unzureichendes Schalterklicken des Funkgeräts. Eine hinreichende Vorbereitung der Begegnung sei so nicht ermöglicht worden.
Indes habe auch die Schiffsführung von KV „___“ mit dem Entgegenkommen eines Talfahrers rechnen müssen, da SF ___ diese Information bei gehöriger Sorgfalt dem Schleusenfunk habe entnehmen können. Er habe damit rechnen müssen, dass ein Funkkontakt, aus welchen Gründen auch immer, nicht zustande gekommen sei, und sein Verhalten hierauf einrichten müssen. Dies habe es erfordert, dass er im Bereich der Kurve einen klaren Kurs gefahren, über Funk seine Absicht, an Steuerbord zu begegnen, bekanntgemacht oder entsprechende Schallzeichen gegeben hätte (§ 6.04 Nr. 4 MoselSchPV). Schallzeichen seien jedenfalls zu dem Zeitpunkt notwendig gewesen, als er erstmals den Talfahrer in einem Abstand von ca. 200 m im Radarbild erkannt habe und habe davon ausgehen müssen, dass dieser seine Kursweisung noch nicht erkannt habe.
Bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens gemäß § 92c BSchG sei das Verschulden des Steuermanns ___ doppelt so hoch zu bewerten wie das des Schiffsführers ___. Steuermann ___ habe gewusst, dass KV "___" gerade die Schleuse verlassen habe, und aus der Kenntnis der Position von SV "___" schließen müssen, dass die Begegnung in der Kurve bei Strom-km 231,500 stattfinden würde. Ihm habe die Gefährlichkeit der zu erwartenden Begegnung bewusst sein müssen, ebenso wie die Tatsache, dass der Bergfahrer von der ihm allein zustehenden Befugnis zur Kursweisung noch keinen Gebrauch gemacht habe. Demgegenüber sei dem Schiffsführer ___ nur vorzuwerfen, dass er nicht vorausschauend in äußerster Vorsicht Vorkehrungen für ein ihm noch unbekanntes, aber möglicherweise zu erwartendes Ereignis getroffen habe.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien frist- und formgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung der Moselkommission eingelegt mit dem Ziel, jeweils die alleinige Verantwortlichkeit der Gegenseite festzustellen.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend: Der Schiffsführung von KV „___“ sei kein Mitverschulden anzulasten, da SF ___ bei Fortsetzung der Fahrt auf den Schleusenfunk, der zudem zur Meldung von SV „___“ unverständlich gewesen sei, nicht mehr habe achten müssen. SF ___ habe erst reagieren können und müssen, als er bereits in die Stromkrümmung eingefahren sei. Angesichts der Kursweisung über Funk sei nicht einzusehen, was ein Schallsignal habe bewirken können. Allein die unzureichende Meldung von SV „___“ habe zur Kollision geführt.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären, sowie
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 28.12.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagten machen geltend: Die mangelnde Kenntnis der bevorstehenden Begegnung sei allein der Schiffsführung von KV „___“ anzulasten, die pflichtwidrig entgegen § 6.28 Nr. 3 MoselSchPV den Schleusenfunk nicht abgehört habe. Steuermann ___ habe die Meldung von „___“ als direkte Antwort auf seine Meldung auffassen dürfen und sei zu einer weiteren Antwort nicht verpflichtet gewesen, so dass es auf das Klicken mit dem Funkgerät nicht ankomme. Die Kursweisung von KV „___“ sei unzureichend, da zu spät, erfolgt und habe im übrigen für die Talfahrt keinen geeigneten Weg gelassen. Allein geeigneter Weg sei nur noch die – bei erster Erkennung mögliche – Backbordbegegnung gewesen, die KV „___“ pflichtwidrig nicht ermöglicht habe, sondern eine Steuerbordbegegnung habe erzwingen wollen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen beider Parteien haben in der Sache keinen Erfolg. Das Moselschifffahrtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass beide Schiffsführungen an der Havarie ein Verschulden trifft, wobei die Haftungsquote von KV „___“ mit 1/3 und die für SV „___“ mit 2/3 zu bemessen ist. Demgemäß haben die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 823 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit § 1.04, § 4.05 MoselSchPV, §§ 2, 3, 92 ff. BSchG der Klägerin dem Grunde nach zwei Drittel ihres Schadens zu ersetzen, während die weitergehende Klage unbegründet ist. Hierbei ist die Entscheidung des Moselschifffahrtsgerichts – ungeachtet der Urteilsbezeichnung – in der Sache ein Grundurteil und – wegen der Abweisung der weitergehenden Klage – zugleich ein Teilurteil, was durch die Fassung des Tenors und den Entscheidungsinhalt klargestellt ist.
Der Berufungsausschuss geht mit dem Moselschifffahrtsgericht davon aus, dass der Zusammenstoß der Schubverbände darauf zurückzuführen ist, dass sich beide ohne ausreichende Vorbereitung im Bereich der Stromkrümmung begegneten und hierbei eine für ein gefahrloses Passieren geeignete Kursweisung fehlte. Dass das Moselschifffahrtsgericht den größeren Verursachungsanteil auf Seiten der Schiffsführung von SV „___“ gesehen hat, ist nicht zu beanstanden.
Das Verschulden der beiden Schiffsführungen kann jeweils nur auf solche Umstände gestützt werden, die unstreitig oder bewiesen sind. Hiernach ist davon auszugehen, dass sich der zu Berg fahrende KV „___“ zeitlich im Zusammenhang mit der Ausfahrt aus der Schleuse Stadtbredimus über Schiffsfunk (Kanal 10) meldete, was Steuermann ___ von SV „___“ jedenfalls nur mit zweimaligem Schalterklicken beantwortete; es steht nicht fest, dass SF ___ dies vernahm. Weitere Reaktionen erfolgten erst bei Sichtkontakt im Bereich der – nach Angaben der Beteiligten nicht voll einsehbaren – starken Stromkrümmung. Die – geschätzten – Entfernungsangaben zu diesem Zeitpunkt liegen dicht beieinander: Nach Angaben des SF ___ war er gerade dabei, in die Kurve einzufahren, der Kopf von KV „___“ habe sich etwa bei 231,2 km befunden, SV „___“ habe er zunächst auf dem Radarschirm gesehen, kurz danach auch visuell und die Begegnungsweisung gegeben, zu diesem Zeitpunkt habe der Kopf auf Kopfabstand etwa 150 m betragen. Nach Angaben des Steuermanns ___ seien bei erstem Sichtkontakt die Köpfe der Verbände etwa 200 m auseinander gewesen; als er die blaue Flagge gesehen habe, sei er von dem Heck von SV „___“ noch etwa 150 m entfernt gewesen. Auch wenn es sich nur um ungefähre Angaben handelt, folgt hieraus eine derart dichte Annäherung bei Kursweisung, dass bei den jeweils beabsichtigten angesteuerten Fahrwegen, die zunächst nach Angaben beider Schiffsführer jeweils auf ein Ausfahren der Krümmung auf der rechten Moselseite ausgerichtet waren, nicht mehr rechtzeitig reagiert werden konnte.
Die Kursweisung des Bergfahrers nach § 6.04 Nr. 1 MoselSchPV muss einen objektiv geeigneten Weg freilassen, wobei es genügt, wenn der Weg ohne Schwierigkeiten durch beiderseitiges Ausweichen geeignet ist. Den günstigsten Fahrweg braucht der Bergfahrer nicht zu weisen, er kann auch vom üblichen Kurs abweichen. Es darf jedoch an unübersichtlichen Stellen oder Stromkrümmungen keine Gefahrenlage entstehen (BGH VersR 1974, 237, 238; 1977, 519, 520; Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., § 6.04 Rn 16). Zur Eignung gehört insbesondere auch die rechtzeitige Kursweisung. Hierbei hat der Talfahrer grundsätzlich auch eine nicht sachgemäße oder an sich zeitiger gebotene Kursweisung zu befolgen. Der Talfahrer hat zu beweisen, dass der Bergfahrer ihm einen ungeeigneten Kurs oder nicht zeitig genug, um diesen zu befolgen, gewiesen hat (BGH Urteil vom 28.11.1988 – II ZR 28/88 -, NJW-RR 1989, 473).
Die nicht rechtzeitige Kursweisung steht hier nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme fest. SF ___ hat die Begegnung an Steuerbord erst gewiesen, als SV „___“ im Sichtbereich und damit zu nah war. Im Sichtbereich sind Entfernungen von rd. 200 m bei einer Kursweisung für die Begegnung von Motorgüterschiffen zu gering, 400 – 500 m können unter Umständen noch rechtzeitig sein und genügen (BGH VersR 1974, 282, 283; Bemm/von Waldstein a.a.O. § 6.04 Rn 25). Diesen Anforderungen an die Rechtzeitigkeit ist nach den hier in Rede stehenden Entfernungen bei der Begegnung von zwei Schubverbänden mit je rd. 170 m Länge in einer starken, nicht voll einsehbaren Stromkrümmung nicht genügt.
Entscheidend ist, wer diese Situation vorwerfbar zu verantworten hat. Dies ist zum einen die Schiffsführung von SV „___“, die auf die über Kanal 10 erfolgte Meldung des Bergfahrers nicht ordnungsgemäß geantwortet hat (§ 1.04, § 4.05 MoselSchPV). Zu Recht hat das Moselschifffahrtsgericht ausgeführt, dass zur sicheren Navigation der Gebrauch des Sprechfunks (§ 4.05 MoselSchPV) üblich und geboten ist, um zur Vermeidung von Gefahrenlagen Klarheit auch zu Begegnungskursen zu schaffen und Kursabsprachen zu ermöglichen. Dies setzt voraus, dass die notwendigen Informationen ausgetauscht werden. Ein Schalterklicken genügt dem unzweifelhaft nicht. Die Bedeutung des Sprechfunks auf der Moselstrecke wird durch § 4.05 Nr. 4 MoselSchPV unterstrichen. Nach dieser Bestimmung muss jedes mit einer Sprechfunkanlage ausgerüstete Fahrzeug sich auf Kanal 10 vor der Einfahrt in unübersichtliche Strecken, Fahrwasserengen oder Brückenöffnungen melden. Es muss auf den für die Verkehrskreise Schiff--Schiff und Nautische Information zugewiesenen Kanälen die für die Sicherheit der Schifffahrt notwendigen Nachrichten geben.
Die Schiffsführung von SV „___“ entlastet es nicht, wenn sie nunmehr vorträgt, Steuermann ___ habe die Meldung von KV „___“ als Antwort auf seine – über Kanal 20 und auch über Kanal 10 – gegebene Meldung verstanden, so dass er gar nicht habe antworten müssen. Es kann dahinstehen, ob davon auszugehen ist, dass Steuermann ___ sich über Kanal 10 gemeldet hat, was keiner der im Revier befindlichen anderen Zeugen vernommen hat. Maßgeblich ist, dass Steuermann ___ nach eigener Einschätzung der damaligen Situation eine Antwort für geboten hielt und diese in bestimmter Weise abgegeben hat, diese in der Form aber nicht genügte. Hieran muss sich die Schiffsführung von SV „___“ festhalten lassen. Angesichts der im Begegnungskurs liegenden, nicht weit einsehbaren Strecke und möglicher Begegnung von zwei Schubverbänden in der Stromkrümmung war eine wörtliche Antwortmeldung unerlässlich. Dass dies unterblieben ist, hat entscheidend mit dazu beigetragen, dass keine rechtzeitige Kursweisung/Kursabsprache erfolgte und die Schiffsführung von KV „___“ fälschlich annahm, dass mangels Antwortmeldung keine Talfahrt entgegenkomme, und so eine nicht mehr beherrschbare Situation entstanden ist.
Andererseits trifft auch die Schiffsführung von KV „___“ eine Mitverantwortung. SF ___ wusste um die schwierige Streckenführung, die beim Durchfahren mit einem Schubverband von ca. 170 m Länge im Begegnungsverkehr besondere Vorsicht abverlangt; er selbst hätte bei Kenntnis des Talfahrers unterhalb der Kurve abgewartet. Dass die Stromkrümmung im Begegnungsverkehr nicht weit einzusehen ist, kommt anschaulich in den Angaben aller Beteiligten zum Ausdruck. SF ___ war auch bekannt, dass im Radaratlas als üblicher Kurs die Backbordbegegnung vorgesehen war, was für – vor der Stromkrümmung nicht sichtbare – Talfahrer Anlass sein könnte, diesen Kurs anzusteuern. Ihm musste auch angesichts der örtlichen Verhältnisse klar sein, dass ohne vorherige Kursabsprache die Kursweisung durch Setzen der blauen Tafel in der Kurve relativ spät im Begegnungsverkehr zu erkennen ist. Maßnahmen, die erst während des Durchfahrens der Krümmung getroffen wurden, bargen ersichtlich die Gefahr einer kritischen Verkehrssituation. Diesen Gefahren will § 4.05 Nr. 4 MoselSchPV gerade entgegenwirken. Unter diesen Umständen war die einmalige Meldung bei Schleusenausfahrt als „bergfahrender Schubverband“ für ein gefahrloses Durchfahren der Stromkrümmung nicht ausreichend, um sich zu vergewissern, dass keine Talfahrt nahte und sich jegliche Kursweisung für den Kurs einer Steuerbordbegegnung erübrigte. Angesichts der beschränkten Sichtverhältnisse bestand keine Gewähr dafür, dass kein Talfahrer im Revier war oder dieser rechtzeitig bei Sicht auf den gefahrenen Kurs bzw. auf eine spätere Kursweisung reagieren konnte. Einmalige, nicht beantwortete Meldungen erlauben, da Funkstörungen auftreten können, auch keinen hinreichend sicheren Rückschluss, dass kein Talfahrer naht; dass Funkstörungen auftreten können, belegt vorliegend auch der teilweise gestörte Schleusenfunk (s. unten). Von daher hätte es die Sorgfaltspflicht geboten, als Vorsichtsmaßnahme gemäß § 4.05 Nr. 4 MoselSchPV vor der Stromkrümmung die Meldung mit Kursweisung zu wiederholen. Die erst bei Sicht dann über Funk gegebene Kursweisung war, da zu spät, nicht geeignet. Dem Einwand der Beklagten, angesichts der verhältnismäßig kurzen Strecke zwischen Schleuse und Stromkrümmung sei die einmalige Meldung als bergfahrender Schubverband bei Schleusenausfahrt ausreichend gewesen, vermag der Berufungsausschuss nicht beizutreten; hiermit war eine gefahrlose Begegnung durch rechtzeitige Kursweisung nicht gewährleistet.
Weitere Umstände können der Klägerin nicht angelastet werden. Dass SF ___ bei gehöriger Aufmerksamkeit (§ 6.28 MoselSchPV) aus dem Schleusenfunk eine Information über den Talfahrer hätte erhalten können, ist nicht gesichert. Unbeschadet des Schutzzwecks dieser Bestimmung und der ungeklärten Frage, ob der Schleusenfunk auf KV „___“ bei Meldung von SV „___“ noch hätte abgehört werden müssen, ist nicht erwiesen, dass der Inhalt der Meldung für SF ___ überhaupt verständlich war. Das nach dem Aufzeichnungsgerät der Schleuse gefertigte Wortprotokoll weist zu der Meldung von SV „___“ unverständliche Passagen aus. Der Schleusenbeamte ___ hat bei seiner Vernehmung am 05.12.2006 ausgesagt, dass er zu der Funkaufzeichnung noch sagen möchte, dass es sich bei dem „zunächst unbekannten Funkteilnehmer“ um den Koppelverband „___“ gehandelt haben muss. Hiernach kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine verständliche Meldung über einen Talfahrer im Begegnungsverkehr von SF ___ hätte wahrgenommen werden müssen.
Aus dem gefahrenen Kurs und der dann gegebenen Kursweisung lässt sich eine über das Vorstehende hinausgehende Mitverursachung von KV „___“ nicht herleiten. SF ___ lässt sich nicht vorwerfen, er habe einen anderen Begegnungskurs fahren müssen. Er konnte Kurs mit Steuerbordbegegnung fahren, er trug nur die Mitverantwortung der rechtzeitigen Erkennbarkeit für den Talfahrer, was aber im Vorstehenden bereits berücksichtigt ist und nicht doppelt relevant gewichtet werden kann. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass er für einen möglichen Begegnungsverkehr einen von vornherein ungeeigneten Kurs gewiesen hat, selbst wenn rechtzeitig Vorsorge getroffen worden wäre; hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Der Einwand der Klägerin, bei Sichtkontakt habe SF ___ die Kursweisung fallen lassen müssen und den einzig möglichen Kurs einer Backbordbegegnung freimachen müssen und können, was eine gefahrlose Begegnung ermöglicht hätte, anstatt die Steuerbordbegegnung zu erzwingen, greift nicht. In den Angaben der Schiffsbesatzungen und im Geschehensablauf findet dies keine ausreichende Stütze; dieses Alternativverhalten setzt voraus, dass ab dem Zeitpunkt, in dem ein Reaktionsanlass für SF ___ bestand, eine Änderung seines Kurses für eine gefahrlose Begegnung möglich war; Reaktionsanlass setzt voraus, dass zu erkennen war, dass SV „___“ seinen Kurs für eine Steuerbordbegegnung nicht änderte und auch nicht ändern konnte, KV „____“ seinerseits aber rechtzeitig ausweichen konnte. Ein derartiger Ablauf ist nach den geringen Abständen zwischen den Schiffen nicht nachweisbar. Nach dem Ablauf spricht nichts dafür, dass in der kurzen Zeit der Annäherung vor der Kollision – aufgrund der Annäherungsgeschwindigkeit von jedenfalls 17 km/h in 30 Sekunden ca. 141 m – SF ___ den beladenen, ca. 170 m langen KV „___“ rechtzeitig vollständig auf Steuerbordkurs hätte bringen können. SV „___“ war ein gegensätzliches Manöver nicht möglich, die Kollision war nicht abzuwenden.
Für die nunmehr beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens fehlt es bereits an hinreichenden Anknüpfungspunkten, um im Sinne des Vortrags der Klägerin eine verlässliche Aussage treffen zu können, insbesondere liegen nur ungefähre Angaben zu Entfernung und Kursen vor, die ab Reaktionsanlass keine sichere Berechnung zulassen. Im Übrigen kann dieses neue Beweismittel nach § 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Berufungsrechtszug auch nicht zugelassen werden.
Dass SF ___ bei Sicht kein Schallzeichen (§ 6.04 NR. 4 MoselSchPV) gegeben hat, erhöht die Mitverursachung der Beklagten hier nicht. Dem Moselschifffahrtsgericht ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass Schallzeichen nach wie vor ihre Bedeutung haben und entsprechend den Bestimmungen einzusetzen sind. Allerdings lässt sich hier die Kausalität des unterbliebenen Schallzeichens für den Unfall nicht feststellen. Das Schallzeichen wäre ebenso zu spät erfolgt wie die Ansprache über Kanal 10. Dass es den Kollisionsablauf noch in irgendeiner Weise günstiger beeinflusst haben könnte, erscheint nach dem Geschehen ausgeschlossen. Ebenso wenig ist der Klägerin zusätzlich anzulasten, dass SF ___ unmittelbar vor der Kollision als Maßnahme des letzten Augenblicks Steuerbordkurs gefahren sein mag.
In der Gewichtung der Verursachungsanteile erscheint es dem Berufungsausschuss mit dem Moselschifffahrtsgericht angemessen, die höhere Verantwortung auf Seiten der Schiffsführung von SV „___“ zu sehen und diese mit einem Anteil von 2/3 zu bemessen. Bei ordnungsgemäßer Antwortmeldung war die Havarie ohne weiteres zu vermeiden. In schwer übersehbaren Streckenbereichen insbesondere auf der Mosel ist die Schifffahrt auf wechselseitige Meldungen zur Sicherheit des Verkehrs angewiesen, wie auch in § 4.05 Nr. 4 MoselSchPV zum Ausdruck kommt. Dem schifffahrtsüblichen Einsatz des Sprechfunks kommt neben den sonstigen Zeichen große Bedeutung zu. Dies hat Steuermann ___ nicht beachtet und eine übliche, nahe liegende Reaktion unterlassen. Steuermann ___ war die Bergfahrt bekannt, auf deren Begegnung er sich einzurichten hatte. Seine Annahme, die außerhalb der Sicht nahende Bergfahrt werde Backbordbegegnung fahren, war durch nichts gesichert. Dass er nach dem Klickzeichen von dem Bergfahrer keine Kursweisung erhielt, schaffte für ihn keinen Vertrauenstatbestand. Das auf Seiten der Klägerin anzusetzende Verschulden fällt etwas weniger ins Gewicht. SF ___ hat wie üblich eine Meldung vorgenommen, die ohne Antwort geblieben ist. Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort hätte er aber bei gehöriger Voraussicht mit in seine Überlegungen einbeziehen müssen, weiter gehende Vorsichtsmaßnahmen für eine Begegnung in der Stromkrümmung bei dem gefahrenen Kurs zu treffen und sich nochmals über Begegnungsverkehr zu vergewissern oder rechtzeitige Kursweisung zu geben. Dass er diese weiter gehenden Überlegungen anlässlich der Besonderheit der Situation nicht angestellt hat, gereicht ihm zum Nachteil, wiegt aber weniger schwer.
Die Klärung der Schadenshöhe bleibt dem Betragsverfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 28.12.2006 – 4 C 3/06 BSchMo – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3.