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Leitsatz:
Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte auch bei Ersatzansprüchen für Schadensfolgen einer hoheitlichen Tätigkeit. Zur Beurteilung einer vom Entgegenkommer falsch verstandenen Kursweisung, die auf verwechslungsfähiger Signalgebung beruht.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 24. März 1982
142 Z - 1/82
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin, nämlich der Bundesmarine gehörende Landungsboot F, das sich auf der Bergfahrt bei Benrath in einem Flottenverband mit einem Abstand von mehreren hundert Metern als letztes zum vorausfahrenden Landungsboot Fe befand, war im Begriff, das linksrheinisch zu Berg fahrende MS M zu überholen und hatte deshalb die blaue Überholflagge an einem nicht mittschiffs, sondern etwas nach Steuerbord stehenden Flaggenstock angebracht. Das zu diesem Zeitpunkt zu Tal fahrende MS N der Beklagten nahm an, die Führung von F verlange eine Steuerbordbegegnung und richtete den Kurs auf das Stromstück zwischen F und M. Das Schiff der Klägerin wünschte jedoch eine Backbordbegegnung. Bei dem Versuch, aneinander vorbeizukommen, wechselten beide Einheiten - teils mehrfach - den Kurs, stießen schließlich zusammen und wurden beide erheblich beschädigt.
Die Klägerin verlangt Ersatz ihres Schiffsschadens von über 39000,- DM. Ihr Schiff habe keine blaue Seitenflagge gezeigt und damit eine Backbordbegegnung verlangt. N sei jedoch plötzlich nach Backbord gefahren. Trotz der Ausweichversuche und Rückwärtsfahrt sei es zum Zusammenstoß gekommen, an dem ihr Schiff keine Schuld trage.
Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen. Jedenfalls sei die Überholflagge wegen ihrer Anbringung an einem steuerbords stehenden Mast mit der blauen Seitenflagge verwechslungsfähig gewesen. Dann aber sei die Führung von N für den Unfall nicht verantwortlich.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage zu einem Drittel dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung beider Parteien hat die Berufungskammer nur der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
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1. Die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte ist gegeben, obschon die umstrittene Havarie bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit der Klägerin und Berufungsklägerin entstanden ist. Zwar pflegen im allgemeinen die Staaten die richterliche Überprüfung einer solchen Tätigkeit internationalen Gerichtshöfen, wie der entscheidenden Berufungskammer, nicht zu übertragen und sich deren Urteil nicht zu unterwerfen. Von diesem Grundsatz machen sie aber Ausnahmen, und zwar einmal durch Zuständigkeitsvereinbarungen in zwischenstaatlichen Verträgen, zum anderen aber auch durch solche Vereinbarungen für bestimmte Einzelfälle. Beide Möglichkeiten sind Bestandteile des Völkerrechtes (Zum Problem Hinweis auf Dahm Lehrbuch des Völkerrechtes Band 1 G 97 Seite 485 ff). Im vorliegenden Falle hat die klagende Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit ihren Prozeßgegnern nicht nur Klage beim Rheinschifffahrtsgericht erhoben und damit einen Rechtszug gewählt, der in letzter Instanz bei einem internationalen Gericht, der entscheidenden Berufungskammerenden kann, sondern auch in der Berufungsinstanz ebenso wie ihre Gegner die Entscheidung dieser Kammer ausdrücklich verlangt. Damit ist unter den Parteien dieses Falles die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte vereinbart worden. Darin liegt keine unzulässige Erweiterung dieser Zuständigkeit, denn die Norm des Art. 34 II c der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfaßt auch Havarien der vorliegenden Art, falls hoheitliches Handeln nicht entgegensteht. Das ist aber angesichts der erörterten Zuständigkeitsvereinbarung nicht der Fall.
2. Die Berufungskammer hält mit dem Rheinschiffahrtsgericht für bewiesen, daß die blaue Seitenflagge auf der F nicht gezeigt worden ist. Hinzu kommt, daß die gesamte Besatzung des Landungsbootes F ausgesagt hat, die blaue Seitenflagge sei nicht gezeigt worden. Hielte man diese Aussagen für falsch, so müßte man allen Besatzungsmitgliedern vorwerfen, bei ihrer Vernehmung gelogen zu haben, denn Irrtümer sind hier nicht vorstellbar.
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Damit steht aber fest, daß von N eine Begegnung an der Backbordseite der F verlangt worden ist. Der Schiffsführer G. des Schiffes der Beklagten hat demgegenüber einen Kurs eingeschlagen, der eine Begegnung an der Steuerbordseite der F zum Ziel hatte. Er hat also eine ihm gegebene Kursweisung nicht befolgt.
3. Die Verantwortung für diesen Fehler liegt aber aus den folgenden Gründen nicht bei ihm, sondern bei der Führung des Landungsbootes F. Dieses war für eine Fahrt auf dem Rhein nicht hinreichend ausgerüstet. Es fehlten an Bord vor allem Einrichtungen zur Abgabe der notwendigen Signale. Die blaue Begegnungsflagge konnte z. B. nur mit der Hand gezeigt werden. Der Mast, an dem die ebenfalls blaue Überholflagge zu setzen war, stand nicht mittschiffs, wo er nach den zutreffenden Darlegungen der Rheinschiffahrtsgerichte hingehörte,. sondern nach Steuerbord versetzt. Außerdem war er nicht so hoch, daß die Überholflagge mindestens 4 m über Deck hing, wie es § 6.10 RSchPVO vorschreibt. Es ist unstreitig, daß sie nur 2 m über Deck gesetzt war. Diese unzulänglichen Anlagen zur Abgabe der erforderlichen Signale haben bei dem Schiffsführer G. den entschuldbaren Irrtum hervorgerufen, auf der F werde die blaue Seitenflagge gezeigt, sein Schiff habe ihm deshalb an der Steuerbordseite zu begegnen.
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Dieser vom Schiffsführer G. behauptete Irrtum muß durch die Verhältnisse an Bord der F erklärbar sein, wenn er eine entschuldigende Wirkung haben soll. Eine solche Erklärung ist möglich: Die blaue Überholflagge war an Bord der F etwa in einer Höhe über Deck gesetzt, in der auch die blaue Seitenflagge gesetzt wird. Sie hing außerdem an einem Mast, der nicht mittschiffs, sondern nach Steuerbord versetzt stand. An der Steuerbordseite des Schiffes wird die blaue Seitenflagge gezeigt. Beide Umstände erklären im vorliegenden Falle eine Verwechslung beider Flaggen durch den Schiffsführer G. Sein weiterer Eindruck, die von ihm gesehene blaue Seitenflagge werde von einem Manne mit der Hand gehalten, hat nach der Ansicht der Berufungskammer als Ursache den Umstand, daß sich auf der Brücke der F bis zu 6 Personen befanden. Ihre Bewegungen und die falsch gesetzte Überholflagge haben bei Schiffsführer G. den Eindruck hervorgerufen, die blaue Seitenflagge der F werde von einem Manne gehalten gezeigt. Dabei mag der weitere Umstand mitgewirkt haben, daß auf den der F vorausfahrenden Schiffen der Klägerin die genannte Flagge auf diese Weise tatsächlich gezeigt worden ist. Aus den dargelegten Gründen stehen der Irrtum des Schiffsführers G. und seine Ursachen für die Berufungskammer zweifelsfrei fest. Wie dargelegt, liegen die Ursachen im Verantwortungsbereich der Führung der F, die deshalb auch für ihre Folgen - den dargelegten Irrtum des Zeugen G. und dem hierauf beruhenden Schiffszusammenstoß - verantwortlich ist.
4. Eine Mitverantwortung des Zeugen G. für diesen Zusammenstoß besteht nicht. Die gegenteilige Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichtes kann die Berufungskammer aus den folgenden Gründen nicht übernehmen. Das Rheinschiffahrtsgericht meint, der Schiffsführer G. habe aus dem Kurs der F erkennen können, an welcher Seite dieses Schiffes eine Begegnung mit dem seinigen verlangt werde. Wäre das richtig, so wäre die Annahme eines entschuldbaren Irrtums über die Kursweisung unhaltbar. In Wirklichkeit war die Sache aber so, daß gerade die Unvereinbarkeit der von dem Schiffsführer G. entschuldbar angenommenen Kursweisung mit dem gefahrenen Kurs der F den Schiffsführer nur unsicher machen konnte. Er mußte nämlich überlegen und entscheiden, ob er nach der Weisung oder nach dem Kurs der F denjenigen seines eigenen Schiffes festlegen sollte. Wenn er sich dazu entschloß, nach der von ihm gesehenen Kursweisung zu fahren, so ist das nicht vorwerfbar, weil er erwarten konnte, der Kurs des Bergfahrers werde seiner Kursweisung noch angepaßt.
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