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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 24. März 1982
(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 28. Januar 1981 - 5 Cs 147/80 BSch -)
Zum Tatbestand:
Der Angeklagte war am 24.11.1978 Eigentümer und verantwortlicher Schiffsführer des 1156 tons grossen MTS "P" (Heimatort Haren/Ems). Er ist inzwischen aus der Schiffahrt ausgeschieden und betreibt seit 15.12.1979 eine Gastwirtschaft in Duisburg-Ruhrort. Der Angeklagte ist nach wie vor noch Eigentümer des MTS "P", das jedoch in Treuhandschaft von einer Hypothekenbank verwaltet wird. Am 24.11.1978 übernahm der Angeklagte mit dem MTS "P" im BP-Hafen Dinslaken/Wesel eine Ladung Gasöl während der Nachtzeit. Hierbei soll eine nicht unerhebliche Menge Gasöl übergelaufen und in das Hafenwasser gelangt sein. Am 9.4.1979 erliess das örtlich zuständige Amtsgericht Wesel auf Antrag der Staatsanwaltschaft Duisburg gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen fahrlässiger unbefugter Gewässerverunreinigung (Vergehen nach § 38 Wasserhaushaltsgesetz) über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je DM 50,-. Gegen diesen Strafbefehl legte der Angeklagte Einspruch ein. In der Hauptverhandlung am 10.8.1979 verurteilte das Amtsgericht Wesel den Angeklagten kostenpflichtig wegen fahrlässiger Gewässerverschmutzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,- DM. Gegen dieses Urteil liess der Angeklagte Berufung einlegen. Das Landgericht Duisburg hat mit Urteil vom 18.10.1979 die Berufung des Angeklagten auf dessen Kosten mit der Massgabe verworfen, dass die Höhe der Tagessätze der Geldstrafe auf DM 20,- ermässigt wurde. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein. Mit Urteil vom 22.7.1980 hob das Oberlandesgericht Düsseldorf auf die Revision des Angeklagten das angefochtene Urteil des Landgerichts Duisburg und des Amtsgerichts Wesel vom 10.8.1979 auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung -auch über die Kosten der Rechtsmittel- an das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.
Das Oberlandesgericht vertrat die Auffassung, dass es sich in dem vorliegenden Falle um eine Rheinschiffahrtssache handele und somit für die Aburteilung nicht das Amtsgericht Wesel, sondern das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zuständig gewesen wäre.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf begründete die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte damit, dass die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat (fahrlässige Gewässerverunreinigung) ihren Schwerpunkt in der Verletzung einer schiffahrtspolizeilichen Vorschrift (§ 1.15 der Rheinschiffahrts-polizeiverordnung) habe, in der verboten werde, Flüssigkeiten, die geeignet sind, die Schiffahrt oder sonstige Benutzer der Wasserstrasse zu behindern oder zu gefährden, in die Wasserstrasse zu werfen, zu giessen oder sonstwie einzubringen oder einzuleiten. Nach § 14 des deutschen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen i.V. mit Art. 34 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte von 1868 (Mannheimer Akte) seien die Rheinschiffahrtsgerichte in Strafsachen zuständig für die Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen schiffahrtspolizeilichen Vorschriften, die sich auf Vorgänge auf dem Rhein abwärts von der deutsch-schweizerischen Grenze bei Basel beziehen. Dies treffe auf die dem Angeklagten vorgeworfene Straftat zu, da nach anerkannter Rechtsprechung die an den Rhein angrenzenden Häfen dem Rhein zuzurechnen seien. Das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, das zwar seine Auffassung bekundete, das über den Vorwurf eines Vergehens nach dem Wasserhaushaltsgesetz bzw. jetzt § 324 StGB nicht das Rheinschiffahrtsgericht, sondern das Schifffahrtsgericht zur Entscheidung berufen sei, sich aber entsprechend § 270 der deutschen Strafprozessordnung an die vom Oberlandesgericht Düsseldorf ausgesprochene Verweisung gebunden fühlte, hat durch Urteil vom 28. 1.1981 den Angeklagten wegen eines Vergehens der Wasserverschmutzung gem. § 324 StGB zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je DM 20,- verurteilt und ihm seine eigenen Auslagen und die Kosten des Verfahrens einschliesslich derjenigen des Verfahrens vor dem Amtsgericht Wesel und des Berufungs- und Revisionsverfahrens gegen dieses Urteil auferlegt. Bezüglich der Kostenentscheidung hielt das Gericht die Vorschrift des Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte nicht für anwendbar, da durch die Verweisung wohl die Zuständigkeit des Rheinschiffahrtsgerichts, nicht aber das anzuwendende Recht - also die Vorschriften der Mannheimer Akte - festgelegt worden sei.
Gegen dieses Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts hat der Verteidiger des Angeklagten form- und fristgerecht Berufung an die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt eingelegt und begründet. Er wendet sich vor allem gegen die Feststellung eines Verschuldens des Angeklagten bei der Beladung des Schiffes und damit gegen den Vorwurf der fahrlässigen Gewässerverschmutzung.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Angeklagten gegen das seinen Verteidigern ausweislich des schriftlichen Empfangsbekenntnisses am 5.3.1981 zugestellte Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 28.1.1981 ist form- und fristgerecht eingelegt. Zwar waren im Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Berufungsbegründung (2.4.1981) mehr als 30 Tage seit Anmeldung der Berufung (29.1.1981) vergangen, jedoch erfolgte die Berufungsbegründung noch innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Urteilszustellung. Die Berufungsbegründung kann mithin als eine zulässige und gem. Artikel 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte fristgerechte Wiederholung der bereits vor Zustellung eingereichten Berufung angesehen werden, mit der zugleich auch deren schriftliche Rechtfertigung erfolgte.
II.
Hinsichtlich; der sachlichen Zuständigkeit des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort für die Entscheidung dieser Strafsache hat die Berufungskammer erwogen:
Nach Artikel 34 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte (Mannheimer Akte) sind die Rheinschiffahrtsgerichte in Strafsachen nur zuständig für die Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen die schiffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften. Dieser von der Mannheimer Akte verbindlich festgelegte Zuständigkeitskreis der Rheinschiffahrtsgerichte in Strafsachen, der in § 14 des deutschen Gesetzes über das gerichtliche Verfahnen in Binnenschiffahrtssachen in der Fassung des Gesetzes vom 2.3.1974 (BGB 1 I Seite 561 ff.) von dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt wurde, kann nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts nicht einseitig durch einen vertragschliessenden Staat verändert, d.h. erweitert oder eingeengt werden. Dies gilt auch für die Auslegung der Zuständigkeitsbestimmungen durch die nationalen Gerichte (Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt vom 4.2.1980 -121 S-8/80- ). Soweit in Artikel 34 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte von Strafsachen die Rede ist, sind damit die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Mannheimer Akte im Jahre 1868 noch im deutschen Strafgesetzbuch erfassten Übertretungen zu verstehen, die seit dem 1.1.1975 in der Bundesrepublik1 Deutschland als Bussgeldsachen bezeichnet werden. Wenn somit der deutsche Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen spricht, so bedeutet die Erwähnung der Strafsachen nicht eine Ausdehnung der Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte auf die in der Bundesrepublik Deutschland allein noch als Strafsachen bezeichneten schweren Kriminalkategorien der Verbrechen und Vergehen, sondern stellt nur eine Wiedergabe des historisch gewachsenen Begriffs der "Strafsache" dar, wie er in der Mannheimer Akte gebraucht ist. Dass von der Mannheimer Akte nur die früheren Übertretungen und jetzigen Bussgeldsachen, nicht aber auch Verbrechen und Vergehen erfasst werden sollen, ergibt sich allein schon aus dem Strafrahmen des Art. 32 der Akte, der nur eine begrenzte Geldbusse vorsieht, während im deutschen Strafgesetzbuch für die neuerdings der schiffahrtsgerichtlichen (nicht rheinschiffahrtsgerichtlichen) Zuständigkeit unterworfenen Straftaten, die in der Verletzung schiffahrtspolizeilichen Vorschriften ihren Schwerpunkt haben, Freiheitsstrafe oder unbegrenzte Geldstrafe angedroht werden.
Da die dem Angeklagten zur Last gelegte Wasserverschmutzung, die früher in § 38 des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes und jetzt in § 324 des deutschen StGB als Vergehen ausgewiesen ist, für das auch bei fahrlässiger Begehung Freiheitsstrafe oder Geldstrafe angedroht ist, fällt sie nicht unter den von der Mannheimer Akte gezogenen Zuständigkeitskreis der Rheinschiffahrtsgerichte. Das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort hat deshalb in dieser Sache ohne sachliche Zuständigkeit entschieden.
Das vom Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort erlassene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
Die Festsetzung der dem Angeklagten für die durch das Tätigwerden des Rheinschiffahrtsgerichts einschliesslich der Berufungsinstanz zu erstattenden Kosten wird dem Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort übertragen. An dieses ist auch die Sache zurückzugeben zum Zwecke der Weiterleitung an das sachlich zuständige nationale Gericht.
Es wird deshalb für Recht erkannt:
1. Das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 28.1.1981 -5 Cs 147/80 BSch- wird aufgehoben.
2. Die Festsetzung der dem Angeklagten für beide rheinschiffahrtsgerichtlichen Instanzen zu erstattenden Kosten wird dem Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort übertragen.
Der Stellv. Gerichtskanzler: Der Vorsitzende:
(gez.) A. BOUR (gez.) P. QUANJARD