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137 BZ - 14/81 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 03.11.1981
Numéro de référence: 137 BZ - 14/81
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Im Verfahren vor der Berufungskammer der Rheinzentralkommission ist es zulässig, gleichzeitig mit der Beantwortung der Berufung eine Anschlußberufung einzulegen.

2) Die Berufungskammer ist zuständig für einen Rechtsstreit über die Verpflichtung zum Ersatz von Havarie-grosse-Beiträgen.

Z3) ur Auslegung des § 7 der „Allgemeinen Bedingungen für Verträge über die Mitnahme fremder Schubleichter durch Schubboote",).

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 3. November 1981

137 BZ - 14/81

(Rheinschiffahrtsgericht Dordrecht)

Zum Tatbestand:

Im August 1972 erlitt ein Schubverband, bestehend aus dem der Beklagten (in den Urteilsgründen mit H. bezeichnet) gehörenden Schubboot H und den der Klägerin (in den Urteilsgründen mit C. bezeichnet) gehörenden Schubleichtern L81 und L85, auf der Waal einen Unfall. Infolge zu großer Geschwindigkeit geriet der an der Spitze geschobene Schubleichter L81 unter Wasser und sank. Der beschädigte Leichter wurde später mit der gesamten Ladung gehoben, die unbeschädigt und ohne Manko blieb. Von den in Havarie-grosse verrechneten Kosten der Schiffshebung entfielen auf die Ladungsbeteiligten etwa 50000 hfl und ca. 3150 Ffr. Die Ladungsbeteiligten haben ihre behauptete Forderung gegen die Beklagte in der vorgenannten Höhe an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin hat - nach Zahlung von Schadensersatz seitens der Beklagten für die Beschädigung des Leichters - die abgetretenen Forderungen im Klagewege vor dem Rheinschiffahrtsgericht in Dordrecht geltend gemacht. Zur Begründung hat sie sich auf die zwischen den Parteien geltenden „Allgemeinen Bedingungen für Verträge über die Mitnahme fremder Schubleichter durch Schubboote" berufen. Die Beklagte hat die Zahlung gemäß §§ 1 und 7 dieser Bedingungen verweigert, die, wie folgt, lauten:

§1
„Schäden auf der Streckenfahrt:

Der Eigner des Schubbootes haftet für die Schäden, die an dem Schubleichter während der Zugehörigkeit zum Schubverband entstanden sind, es sei denn, er beweist, daß die Beschädigung des Schubleichters nicht auf seinem Verschulden oder auf dem Verschulden der Besatzung des Schubbootes beruht. Die Beweispflicht dafür, daß der reklamierte Schaden des Schubleichters nicht vorhanden war, als er in den Schubverband aufgenommen wurde, obliegt dem Eigner des Schubleichters."

§7
„Ladungsschaden:

Der Eigner des Schubleichters hat den Eigner und die Besatzung des Schubbootes von Ansprüchen freizustellen, die wegen Beschädigung oder Verlust der Ladung aus Verschulden der Besatzung gegen ihn erhoben werden können. Soweit sie vorsätzlich handelt, hat die Besatzung keinen Anspruch auf Freistellung."

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte zwar nach § 1 auch für Schäden hafte, die nicht in den Bedingungen geregelt seien, es sich hier aber nicht um die Beschädigung oder den Verlust der Ladung, sondern lediglich um die durch die Bergung der Ladung entstandenen Havarie-grosse-Kosten handele. Die Berufungskammer der Rheinzentralkommission hat dieses Urteil durch Zurückweisung der Berufung der Klägerin bestätigt und die von der Beklagten eingelegte Anschlußberufung zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Die Hauptberufung ist rechtzeitig und unter Beachtung der dazu in der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vorgesehenen Bestimmungen eingelegt worden. C. hat zur Begründung des von ihr erhobenen Einwands vorgetragen, daß das Verfahren gemäß der Revidierten Rheinschiffahrtsakte die Anschlußberufung nicht kenne, und daß das Rheinschiffahrtsgericht die Anschlußberufungsbegründung weder C. zugestellt noch ihr eine Frist für die Erwiderung gesetzt habe. Dieser Einwand ist zurückzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung der Berufungskammer ist es im Berufungsverfahren vor dieser Kammer zulässig, mit der Beantwortung der Hauptberufung eine Anschlußberufung einzulegen. Der Umstand, daß das Rheinschiffahrtsgericht es unterlassen hat, die Anschlußberufungsbegründung der C. zuzustellen und ihr eine Frist zur Beantwortung zu setzen, steht der Zulässigkeit der Anschlußberufung nicht im Wege, und zwar schon deshalb, weil C., wie sich aus ihrer Beantwortung dieser Berufung ergibt, in der Lage war, auf die Berufungsbegründung H. zu reagieren. Die Parteien sind darüber einig, daß - abgesehen von den zwischen ihnen geltenden allgemeinen Bedingungen - die von den Ladungsbeteiligten an C. abgetretene Schuldforderung gegen H., welche die Erstattung der auf diese Beteiligten entfallenen Beiträge im Havarie-grosse betrifft, begründet wäre, weil H das Sinken von L81 mit der darin transportierten Ladung verschuldet hat und deshalb die Anwendung dieser Kosten erforderlich wurde. Nur sind die Parteien in der heutigen Lage des Verfahrens noch uneinig über die Frage, ob das in § 1 und § 7 der allgemeinen Bedingungen Bestimmte einer solchen Zuerkennung im Wege steht. Auf Grund des Artikels 34 unter il sub c, in Verbindung mit Artikel 34bis, erster Satzteil der Revidierten Rheinschiffahrtsakte fällt dieser Streit in die Zuständigkeit des Rheinschiffahrtsgerichts, so daß die Berufungskammer zuständig ist.
...
Ziel und Zweck der Bestimmung des § 7 der „Allgemeinen Bedingungen" ist es, zu bewerkstelligen, daß Schäden, welche Ladungsbeteiligten durch Verlust oder Beschädigung der vom Schubverband transportierten Ladung infolge der Schuld des Schubbootes erlitten haben, nicht dem Eigner dieses Schubbootes, sondern dem Eigner des Schubleichters zu Last fallen.

Im vorliegenden Fall sind die Schubleichter L81, sowie die darin transportierte Ladung Erz gesunken und sodann im Rahmen einer Gesamtoperation gehoben worden. Hätte man diese Operation unterlassen (s. B. weil deren Kosten den Gesamtwert von Leichter und Ladung übertroffen hätten), so würde von Verlust der Ladung im Sinne des § 7 die Rede sein. Wenngleich diese Operation im Interesse der von Leichter und Ladung zusammen gebildeten Havariegrosse Gemeinschaft vorgenommen wurde, also zur Abwendung des gesamten Verlustes von Leichter und Ladung (das Heben der Leichter konnte ersichtlich nur geschehen, indem gleichzeitig die Ladung gehoben wurde), so hat sie doch dazu geführt, daß der drohende Verlust der Ladung verhütet wurde; durch diese Operation aber ist die Ladung unbeschädigt und ohne Manko erhalten geblieben. Unter diesen Umständen zwingt eine vernünftige, dem Ziel und Zweck des § 7 entsprechende Auslegung dieser Bestimmung dazu, die zu Lasten der Ladungsbeteiligten fallenden Kosten einer Operation, welche zur Verhütung eines sonst unabwendbaren Verlustes geführt hat, gleich zu stellen mit den Kosten, die sonst mit solch einem Verlust verbunden gewesen wären, jedenfalls insoweit - als im vorliegenden Falle - die letzteren Kosten die Bergungskosten der Ladung übertreffen würden. Diese Auslegung des § 7 widerspricht nicht, wie von C. behauptet wird, einer Rechtsregel, nach welcher Entlastungsbedingungen restriktiv ausgelegt werden sollen. Dahin gestellt kann bleiben, ob es solch eine Rechtsregel gibt und wie deren Tragweite ist. Jedenfalls steht sie der betreffenden Auslegung des § 7 nicht im Wege, weil diese - wie soeben dargelegt - unter den gegebenen Umständen vernünftig ist und ihre Grundlage im Ziel und Zweck der Bestimmung findet.

Ebensowenig kann das Vorhergehende durch die Verweisung seitens C. auf Artikel 1378 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches in Frage gestellt werden. Diese Vorschrift bestimmt, daß man von einem Vertragstext nicht durch Auslegung abweichen darf, wennn dieser Text klar ist. Im Lichte des Tatbestands und der Umstände des zu beurteilenden Falles bietet § 7 keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob die einem Beteiligten zur Last fallenden Kosten einer Operation, welche zur Rettung der Ladung geführt hat, die sonst verloren gegangen wäre, mit den Kosten solch eines Verlustes gleichgestellt werden sollen oder nicht. Deshalb kann nicht gesagt werden, daß der Vertragstext in diesem Punkt klar ist.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat also mit Recht den Anspruch der Ladungsbeteiligten wegen ihres Beitrags im Havariegrosse der fraglichen Bestimmung des § 7 unterworfen angesehen. Die Hauptberufung ist deswegen als unbegründet zurückzuweisen.
...“