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Leitsätze:
1) Unterbreitet der Frachtführer/Verfrachter dem Absender/Befrachter für einen Transport mit unterschiedlichen Transportmitteln nicht, wie erbeten, ein einheitliches Angebot für die Gesamtstrecke, sondern separate Angebote für die Binnenstrecke und die Seestrecke und werden diese Angebote vom Absender/Befrachter angenommen, dann handelt es sich im Zweifelsfall nicht um einen echten Durchfrachtvertrag oder Multimodalvertrag, sondern um einen Binnenschiffsfrachtvertrag und einen separaten Seeschiffsfrachtvertrag.
2) Wird im Seefrachtvertrag vereinbart »fios exl. lsd«, dann stellt dies klar, dass der Befrachter für das Laden und Stauen der Güter im Seeschiff verantwortlich ist und zwar einschließlich lashing securing und dunning, also einschließlich der Ladungssicherung. Behauptet der Befrachter, mit dieser Klausel sei lediglich die Kostenpflicht geregelt, dann trägt er dafür die Beweislast.
3) Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Artikels 25 I Satz 3 a EuGVVO kann auch durch elektronische Übermittlung der Vereinbarung kommen, wenn eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung möglich ist.
Urteil des Landgerichts Würzburg
Az.: 11 HK O 1968/18
vom 20. September 2019
rechtskräftig
Endurteil
Die Klage wird abgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1. ist alleiniger Ladungsversicherer der Klägerin zu 2. und nimmt die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Klägerin zu 2. auf Schadenersatz in Anspruch. Die Beklagte hat als Frachtführer im Auftrag der Klägerin zu 2. die Beförderung von Gut übernommen, das auf der Seeteilstrecke beschädigt worden ist. Die Klägerin zu 2. macht gegen die Beklagte aus Bereicherung Ansprüche wegen zu viel gezahlter Kosten geltend.
Die Klägerin zu 2. hatte bei der Beklagten die Verschiffung einer Partie von insgesamt 7 größeren Konstruktionsteilen mit einem Gewicht von 156,30 Tonnen von Novi Sad, Serbien, nach Bremen in Auftrag gegeben. Ausgangspunkt der Vertragsverhandlungen war die Anfrage der Klägerin zu 2. bei der Beklagten mit Nachricht vom 11. Juli 2017. Hier bat die Klägerin zu 2. die Beklagte um Angebote für den Transport einer bestimmten Partie per Schiff. Ausdrücklich ist dort als Ladeort Novi Sad und als Entladeort Bremen angegeben. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 23. bzw. 30. August 2017. Die Beförderung hat die Streithelferin für die Beklagte durchge- führt Das Gut wurde in Novi Sad auf ein Binnenschiff verladen, nach Rotterdam befördert und dort entladen. Am 20. Oktober 2017 erfolgte dann die Weiterverladung auf das Seeschiff »Wilson Dale« zur Beförderung nach Bremen. Entsprechend den getroffenen Vereinbarungen hat die Beklagte dann mit der Klägerin zu 2. abgerechnet. Unter dem Datum des 26. September 2017 wurden der Klägerin zu 2. »pauschal« EUR 41.000,00 für die erste, Teilstrecke von Novi Sad nach Rotterdam in Rechnung gestellt. Am Tage der Verladung des Gutes in Rotterdam, am 20. Oktober 2017, stellte die Beklagte der Klägerin zu 2. auch den zweiten Teilbetrag von »pauschal« EUR 47:000,00 in Rechnung. Beide Beträge wurden von der Klägerin zu 2. bezahlt. Nachdem das MV »Wilson Dale« am 23. Oktober 2017 in Bremen eingetroffen war, zeigte sich, dass das Gut im Laufe der Seebeförderung beschädigt worden war. Die streitgegenständlichen Schäden sind darauf zurückzuführen, dass die transportierten Konstruktionsteile im Seeschiff »Wilson Dale« nicht ordnungsgemäß (beförderungssicher) gestaut (gelasht) waren.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass der Abschluss des multimodalen Frachtvertrages mit der Bestätigung der Klägerin zu 2. vom 1. September 2017 erfolgt sei. In diesem Dokument sei die von der Beklagten vorgegebene Aufteilung der Fracht nach Teilstrecken aufgenommen worden. Die im Hinblick auf die Seeteilstrecke angebotene Teilfracht habe unter den Vorbehalten »fios excl. lsd netto« sowie »excl. Lsdw« gestanden (im Folgenden: der LSD-Vorbehalt die Abkürzung LSD steht für »lashed stowed dunnaged«; »fios« (free in and out stowed«). Die Klägerin zu 2. habe eine einheitliche Beförderung von Novi Sad nach Bremen angefragt. Die Aufteilung des Angebots in zwei Dokumente, eines für jede Teilstrecke, könne an der Einheitlichkeit der Gesamtbeförderung nichts ändern. Die Klägerin zu 2. habe die Beförderung über die beiden Teilstrecken wie angeboten bestellt, allerdings, wie die Abkürzung
»PAU« bestätige, zu jeweils pauschal EUR 41.000,00 für die Binnenschiffs-Teilstrecke und pauschal EUR 47.000,00 für die Seeteilstrecke. Der LSD-Vorbehalt, den die Beklagte noch in dem Angebot im Hinblick auf die Seestrecke gemacht habe, sei daher von der Klägerin zu 2. nicht mit angenommen worden. Hiergegen habe sich die Beklagte nicht gewandt. Die Schadenshöhe an der Ladung betrage insgesamt EUR 40.403,94. Da zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 2. eine multimodale Beförderung von Novi Sad nach Bremen vereinbart worden sei, sei der Umschlag zwischen den beiden Teilstrecken, inklusive der Sicherung der Ladung auf dem Seeschiff, ausschließlich Sache der Beklagten gewesen.
Die Klägerinnen beantragen, die Beklagte zu verurteilen, 1. an die Klägerin zu 1. EUR 40.433,94 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2017 sowie 2. an die Klägerin zu 2. EUR 4.900 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen ...
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Stauung der Ladung auf dem Seeschiff von der Klägerin Ziffer 2 als Befrachter geschuldet gewesen sei. Im Übrigen sei im Transportvertrag ausdrücklich vereinbart und klargestellt, dass das lashing nicht vom Verfrachter (der Beklagten) übernommen wird (fios exl. isd). Entgegen der Ansicht der Klägerinnen sei kein einheitlicher multimodaler Frachtvertrag, sondern zwei unabhängige Transportverträge zu unterschiedlichen Konditionen und unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossen worden. Im streitgegenständlichen Binnenschiffsfrachtvertrag bestätige der Absender, dass er kein Gefahrgut verlädt und dass er das Schiff nach dem Löschen vollständig von Ladungsresten zu befreien, also leerzustellen hat. Im Seeschiffsfrachtvertrag sei vereinbart fios, also free-in-and-out-stowed, also Laden und Löschen durch den Befrachter, also die Klägerin zu 2. Die Streithelferin schließt sich den Argumenten der Beklagten an ...
Eine Beweisaufnahme erfolgte nicht. Die Streithelferin ist mit Schriftsatz vom 26.02.2019 auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten. Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen
Klage ist unbegründet ...
Entgegen der Ansicht der Klägerinnen ist kein einheitlicher multimodaler Frachtvertrag, sondern sind zwei unabhängige Transportverträge geschlossen worden und die Beklagte war für die Sicherung der Ladung auf dem Seeschiff nicht verantwortlich.
1. Die internationale, sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts ist gegeben. Die Beklagte hat in ihren Angeboten den Gerichtsstand Würzburg angegeben und die Klägerin zu 2 hat diese Angebote angenommen. Auf den vorliegenden Rechtsstreit ist die Brüssel-la-Verordnung anwendbar. Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. 25 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a) 1. Fall Brüssel-la-VO liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn beide Parteien ihren Wil- len schriftlich kundgetan haben, wobei dies – abweichend von § 126 Abs. 2 BGB – auch in getrennten Schriftstücken erfolgen kann, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, 131, juris Rn. 8). Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt, vgl. Art. 25 Abs. 2 Brüssel-la-VO (BGH RdTW 2019, 100).
2. Die Klägerin zu 1 ist aktivlegitimiert. Soweit der Versicherungsnehmerin (Klägerin zu 2) der Ersatzanspruch gegen die Beklagte zugestanden hat, ist dieser Anspruch nach § 86 Abs. 1 Satz 1 WG in Höhe des von der Klägerin regulierten Schadens auf diese übergegangen. Im Übrigen steht der Klägerin der Anspruch aus abgetretenem Recht zu.
3. Es liegt kein einheitlicher multimodaler Frachtvertrag vor, in dessen Rahmen die Beklagte die Ladungssicherung auf dem Seeschiff »Wilson Dale« geschuldet hat. Auch im Übrigen oblag die Ladungssicherung der Klägerin zu 2.
Im Einzelnen:
a. Wird die Beförderung des Gutes auf Grund eines einheitlichen Frachtvertrags mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln durchgeführt (Multimodaltransport) und wären, wenn über jeden Teil der Beförderung mit jeweils einem Beförderungsmittel (Teilstrecke) zwischen den Vertragsparteien ein gesonderter Vertrag abgeschlossen worden wäre, min- destens zwei dieser Verträge verschiedenen Rechtsvorschriften unterworfen, so sind auf den Vertrag nach § 452 S. 1 HGB die Vorschriften der §§ 407 bis 450 HGB anzuwenden, soweit die folgenden besonderen Vorschriften oder anzuwendende internationale Übereinkommen nichts anderes bestimmen. Dies gilt nach § 452 S. 2 HGB auch dann, wenn – wie im Streitfall – ein Teil der Beförderung über See durchgeführt wird.
b. Die Frage aber, ob ein echter Durchfrachtvertrag oder Multimodalvertrag geschlossen wurde ist durch Auslegung der Vertragserklärungen zu ermitteln. Ein Multimodalvertrag ist gegeben, wenn eine Person die Beförderung des Gutes in der Weise verspricht, dass sie das Gut am Abgangsort übernimmt und an der Ablieferungsstelle an den Empfänger übergibt. Wird hingegen jeder Transportabschnitt durch einen eigenen, selbstständigen Frachtvertrag geregelt, handelt es sich um eine sog. gebrochene« oder »segmentierte« Beförderung. Ebenfalls kein einheitlicher Frachtvertrag liegt vor, wenn sich der Frachtführer nur zur Beförderung über eine Teilstrecke und sich im Übrigen verpflichtet, für die nachfolgenden Testrecken durch Einschaltung weiterer Frachtführer die Beförderung des Gutes im Namen des Absenders oder im eigenen Namen auf Rechnung des Absenders zu besorgen (§ 453). Im Fall eines Selbsteintritts (§ 458) findet § 452 nur dann Anwendung, wenn der Spediteur die Beförderung auf mindestens zwei Teilstrecken mit verschiedenartigen\ eigenen Beförderungsmitteln (echter Selbsteintritt) erbringt oder zu erbringen verspricht. Ausreichend ist daher für die Verweisung des § 458 auf 452, wenn der Selbsteintritt auch die Umschlagstätigkeit auf das nachfolgende Transportmittel miterfasst. Erfasst der Selbsteintritt nicht die Umschlagstätigkeit oder werden diese nicht in den auf Rechnung des Spediteurs über die Sammelladung geschlossenen Frachtvertrag einbezogen; fehlt es an einem einheitlichen durchgehenden Frachtvertrag (vgl. für das Vorstehende: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle, 3. Aufl. 2015, HGB § 452 Rn. 14).
c. Zwar kann aus Sicht der Klägerin zu 2 unterstellt werden, dass sie eine einheitliche Beförderung durch die Beklagte von Novi Sad nach Bremen anstrebte. Jedoch hat die Beklagte schon mit den Auftragsbestätigungen vom 23.08 und 20.08.2017 nicht wie von der Klägerin angefragt ein einheitliches Angebot für die Gesamtstrecke vorgelegt, sondern eines für die Binnenstrecke und ein weiteres für die Seestrecke. Letzteres enthielt unter Nr. 6 den Vorbehalt »fios excl. lsd«. Diese Angebote der Beklagte hat die Klägerin nicht wie vorgetragen mit der Bestellung vom 01.09.2017 (Anlage K 3) angenommen, sondern vielmehr mit der ... Bestellung vom 01.09.2017. Nur diese ist von der Klägerin zu 2 unterzeichnet und enthält im Gegensatz zur Anlage K3 gerade keine Abweichungen. Damit hat die Klägerin zu 2 am 01.09.2017 ohne Abweichungen die Angebote der Beklagten angenommen.
d. Die Sicherung der Ladung an Bord des Seeschiffes war gegenüber der Klägerin zu 2 nicht von der Beklagten geschuldet. Nach der Vereinbarung war die Klausel fios«, die besagt, dass der Befrachter u. a. auch für das Laden und Stauen der Gü- ter verantwortlich ist, einbezogen. Zudem wurde ausdrücklich vereinbart, dass das »lsd« – lashing, securing dunning – gerade nicht durch die Schiffsbesatzung erfolgen sollte, weil »lsd« gerade ausgenommen worden war (excl. lsd«). Damit wurde die »fios-Klausel« nicht dahingehend eingeschränkt, dass das Sichern der Ladung nicht durch den Befrachter erfolgen sollte (LG, Hamburg RdTW 2016, 422). Die Klausel kann auch nicht nur dahingehend einschränkend verstanden werden, dass damit die Parteien lediglich die Kosten der Lade- und Stautätigkeit regeln wollten, aber nicht die Überbürdung der jeweiligen Verantwortlichkeit. Derartiges ist zwar möglich. Dafür findet sich aber kein Anhaltspunkt in der Vereinbarung. Ob die Beklagte dann im Rahmen des Pauschalpreises intern diese Kosten tatsächlich übernommen hat, ist indiziell ebenfalls nicht ausschlaggebend, um ihr auch die Verantwortung für diese haftungsrelevanten Bereiche zu überantworten. Ein Auswahlverschulden hinsichtlich der tatsächlich handelnden Stauer ist nicht dargetan.
e. Daher haftet die Beklagte nicht für die durch unzureichende Ladungssicherung verursachten Schäden am Ladungsgut.
4. Da die Sicherung der Ladung an Bord des Seeschiffes gegenüber der Klägerin zu 2 nicht von der Beklagten geschuldet war, sondern die Klägerin zu 2 nach der Vereinbarung (Klausel »fios«) auch für das Laden und Stauender Güter verantwortlich war, besteht gegenüber der Beklagten auch kein Rückzahlungsanspruch in Höhe der 4.900 €. Vielmehr waren diese Kosten nicht durch die Pauschalfracht gedeckt, sondern die Leistungen entweder selbst zu erbringen oder zu beauftragen bzw.; wie hier gesondert zu vergüten ...
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2020 - Nr. 7 (Sammlung Seite 2669 f.); ZfB 2020, 2669 f.