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104 Zs 3740/76-Cs-4 AK 62/77 BSch - Amtsgericht (Schiffahrtsgericht)
Date du jugement: 28.09.1977
Numéro de référence: 104 Zs 3740/76-Cs-4 AK 62/77 BSch
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Amtsgericht St. Goar
Section: Schiffahrtsgericht

Leitsätze:

1) Wenn infolge einer Zuwiderhandlung gegen schiffahrtpolizeiliche Vorschriften (zu tiefe Abladung) und wegen der darauf beruhenden Grundberührung ein Teil der aus dem havarierten Schiff austretenden Olladung in die Wasserstraße gelangt, so liegt im Verhältnis zu dem Vergehen gegen das Wasserhaushaltsgesetz in der Verletzung der Schiffahrtspolizeivorschriften das Schwergewicht der Tat im Sinne des § 2 Abs. 3 Bust. a des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen.
2) Gelangt Öl durch eine fahrlässig verschuldete Leckage in ein Gewässer, so ist darin keine auf das Einführen des Öls in das Wasser gerichtete, zweckgerichtete Tätigkeit zu sehen.

Urteil des Amtsgerichts - Schiffahrtsgericht in St. Goar

vom 28. September 1977

104 Zs 3740/76-Cs-4 AK 62/77 BSch

(rechtskräftig)

Zum Sachverhalt:

Der angeklagte Schiffsführer X hatte die Führung des in Rotterdam mit Heizöl beladenen Tankschiffkoppelverbands zwischen Oberwesel und Kaub übernommen. Der in Kaub an Bord gekommene Lotse äußerte im Hinblick auf die durch Bauarbeiten in der Gebirgsstrecke eingetretenen Fahrwasserveränderungen, auf die auch die WSD Mainz in einer Bekanntmachung hingewiesen hatte, Bedenken bezüglich des Tiefgangs des schiebenden Motorschiffs und empfahl, dessen Ladung in den Leichter umzupumpen. Der Angeklagte setzte die Fahrt jedoch fort. Bei km 542,05 erlitt der Koppelverband im ausgetonnten Fahrwasser Grundberührung mit Wassereinbruch. Etwa 5 Tonnen der Ladung traten aus.
Das Schiffahrtsgericht hat gegen den Angeklagten wegen Zuwiderhandlung gegen § 1.06 RheinSchPolVO 1970 gemäß § 7 des Aufgabengesetzes eine Geldbuße von 50,- DM festgesetzt.

Aus den Gründen:

„Dem Angeklagten wird ein Vergehen nach § 38 des Wasserhaushaltsgesetzes zur Last gelegt, weil er am 25. August 1975 fahrlässig in ein Gewässer Stoffe unter Nichtbefolgung einer Auflage eingebracht und dadurch eine schädliche Verunreinigung des Gewässers bewirkt habe. Die Hauptverhandlung führte zu dem Ergebnis, daß gegen den Angeklagten lediglich eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen § 1.06 der Rheinschiffahrtpolizeiverordnung festzusetzen war.

Das Schiffahrtsgericht ist für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts zuständig; denn es handelt sich um eine Binnenschiffahrtssache im Sinne des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 27. September 1952.

Nach § 2 Absatz 3 Buchstabe a des Gesetzes in der jetzt geltenden Fassung sind Binnenschiffahrtssachen u. a. auch Strafsachen wegen Taten auf oder an Binnengewässern, die unter Verletzung von schiffahrtspolizeilichen Vorschriften begangen sind und deren Schwerpunkt in der Verletzung dieser Vorschriften liegt, soweit für diese Strafsachen nach dem GVG die Amtsgerichte allgemein zuständig sind. Die den Angeklagten vorgeworfene Tat stellt in der Sicht der Anklagebehörde in erster Linie ein Vergehen nach dem Wasserhaushaltsgesetz, daneben eine Verletzung der Vorschriften der Rheinschiffahrtpolizeiverordnung dar.
Für die Beurteilung der Frage, wo das Schwergewicht der Tat im Sinne des § 2 Absatz 3 Buchstabe a des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen liegt, ist die strafrechtliche Qualifizierung (Verbrechen, Vergehen, Ordnungswidrigkeit) nicht maßgebend. Eine Auslegung dahingehend, daß ein Vergehen immer schwerer wiegt als eine Ordnungswidrigkeit, widerspräche dem Sinn des Gesetzes und würde dazu führen, daß die vorerwähnte Vorschrift in der Praxis überhaupt nicht anwendbar wäre. Tatsächlich hat der Gesetzgeber mit der Neufassung der erwähnten Vorschrift eine Ausdehnung der Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte bezweckt, um unter Ausnutzung der besonderen Sachkunde der Schiffahrtsgerichte eine möglichst sachgerechte Beurteilung aller Vorgänge im Schiffsverkehr zu erreichen. Nicht die - häufig nur zufälligen - Folgen der Tat, von denen die Einordnung der Tat als Vergehen oder Ordnungswidrigkeit abhängt, können dafür ausschlaggebend sein, ob die Sache von dem sachkundigen Schiffahrtsgericht oder einem anderen Amtsgericht zu entscheiden ist; vielmehr soll das Verhalten des Täters in seiner Eigenschaft als Teilnehmer am Schiffsverkehr durch die Schiffahrtsgerichte beurteilt werden. Gerade bei Fahrlässigkeitsdelikten wiegt der Vorwurf einer Verletzung der schiffahrtspolizeilichen Vorschriften besonders schwer; hier liegt deshalb - wie im vorliegenden Fall - das Schwergewicht der Tat.

Der Angeklagte läßt sich dahingehend ein, der Lotse habe keine Bedenken gegen die Fortsetzung der Fahrt geäußert; zu seiner Entschuldigung beruft sich der Angeklagte darauf, daß er von der Bekanntmachung nichts gewußt habe.
Diese Einlassung ist teils widerlegt, teils unerheblich. Aufgrund der Aussage des Zeugen Y steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß der Angeklagte von dem Zeugen nachdrücklich auf die veränderten Fahrwasserverhältnisse hingewiesen worden ist und daß der Lotse hinsichtlich des Tiefgangs erhebliche Bedenken geäußert hat. Wenn der Angeklagte sich darüber hinwegsetzte, so trifft ihn mindestens der Vorwurf der Fahrlässigkeit, da er bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen müssen, daß der Tiefgang seines Fahrzeugs nicht den Verhältnissen des Reviers angepaßt war.
Eine Bestrafung wegen Vergehens nach § 38 des Wasserhaushaltsgesetzes in der zur Tatzeit geltenden Fassung konnte bei dem festgestellten Sachverhalt nicht erfolgen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Angeklagte einer Auflage zuwidergehandelt hat, wie ihm die Anklage vorwirft. Es fehlt jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal des Einbringens oder Einleitens von Stoffen in ein Gewässer. Zwar ist der Angeklagte dafür verantwortlich, daß der Koppelverband infolge des zu großen Tiefgangs Leckage erlitt und Heizöl in den Rhein austrat, weil der Angeklagte das pflichtgemäß gebotene Leichtern seines Fahrzeugs unterließ und trotz zu tiefer Abladung seine Fahrt fortsetzte. Dieses Verhalten stellt jedoch keine auf das Einführen des Heizöls in den Rhein gerichtete, keine zweckgerichtete Tätigkeit dar. Es ist anerkannt, daß als Einleiten nicht schon das zufällige Hineingelangen angesehen werden kann und daß insbesondere die bloße Verursachung des Hineingelangens für das Einleiten als eine auf einen bestimmten Erfolg abzielende Handlung nicht ausreicht (BVerwG, NJW 1974 Seite 815); dies gilt auch für den Fall der fahrlässigen Verursachung.
Die gemäß § 7 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt gegen den Angeklagten festzusetzende Geldbuße erschien in Höhe von 50,- DM als angemessen, wobei zu berücksichtigen war, daß der Angeklagte die Führung des Fahrzeugs erst kurz vor Erreichen der Strecke übernommen hatte, in der der Tiefgang seines Fahrzeugs nicht mehr ausreichend war.