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Leitsätze:
1) Hat der Führer eines Gütermotorschiffs schuldhaft gegen die Vorschriften des § 620 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 MoselSchPV verstoßen, indem er ohne genügende Verringerung der Geschwindigkeit an einem Yachthafen vorbeigefahren ist und durch den hierbei erzeugten Sog und Wellenschlag eine dort liegende Motoryacht abgerissen und beschädigt hat, obliegt dem Geschädigten für diese eine Schadensersatzklage begründende Tatsache die Beweislast.
2) Die Schadenersatzklage ist nicht etwa abzuweisen, weil der Geschädigte zuallererst zu beweisen habe, dass seine Yacht ordnungsgemäß festgemacht gewesen sei. Dies rechnet nicht zu den klagebegründenden Tatsachen. Allerdings könnte ein Mitverschulden in Betracht kommen, wenn die Yacht nicht ordnungsgemäß festgemacht gewesen ist, was von dem Schädiger zu beweisen wäre.
Urteil des Berufungsausschusses der Moselkommission
vom 15.10.1996
(Moselschifffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Versicherer der Motoryacht (MY) „J“(12,8 m lang; 4 m breit). Die Yacht hatte am Nachmittag des 10.08.1993 an der Außenseite der Mole des am rechten Ufer der Mosel befindlichen Yachthafens Cochem-Cond gelegen. Gegen 15.15 Uhr passierte das leer zu Berg fahrende GMS „K" (106 m lang; 9,05 m breit, 1.785 t; 2 x 620 PS) den Yachthafen. Im Zusammenhang damit riss MY „J“ ab und erlitt Schäden. Die Klägerin beziffert diese auf 5.220,89 DM.
Die Beklagten zu 1 und 2 sind Eigner des GMS „K“; der Beklagte zu 1 hat das Schiff außerdem am Unfalltag verantwortlich geführt. Die Klägerin verlangt von den Beklagten aus abgetretenem Recht 4.220,89 DM des von ihr in dieser Höhe ihrer Versicherungsnehmerin ersetzten Unfallschadens. Sie behauptet, dass GMS „K" mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, insbesondere das für die Bergfahrt bei Mosel-km 49,8 angebrachte Zeichen A. 9 (Anlage 7) „Vermeidung von Wellenschlag" der MoselSchPV (1984) missachtet habe; infolge des dadurch bewirkten starken Sogs und Wellenschlags sei die ordnungsgemäß an der Mole festgemachte MY „J“ abgerissen. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten, die ihr Fahrzeug in Kenntnis der Klageforderung zu einer neuen Reise ausgesandt haben, „als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.220,89 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 23.04.1994 zu zahlen, den Beklagten zu 2 lediglich dinglich haftend mit GMS „K" und im Rahmen des § 114 BinSchG auch persönlich."
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie bestreiten, dass GMS „K" den Ortsbereich Cochem mit zu hoher Fahrtstufe passiert habe. Der Beklagte zu 1 habe bereits etwa bei Mosel-km 49,5 die bis dahin eingehaltene Reisegeschwindigkeit des Schiffes von 9 - 10 km/h (über Grund) auf ca. 5 - 6 km/h herabgesetzt. Danach habe GMS „K" keinen Wellenschlag mehr und nur einen unwesentlichen und in keiner Weise Stillieger gefährdenden „Sogschlag" entwickelt. Außerdem habe das Schiff den unmittelbar oberhalb der Cochemer Straßenbrücke (Mosel-km 51,175) liegenden Yachthafen mit einem Seitenabstand von ca. 30 m passiert. Im Übrigen sei unbewiesen, dass MY „J“ ordnungsgemäß befestigt gewesen sei.
Das Moselschifffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Nach § 6.20 Nr. 1 Abs. 1 MoselSchPV (1984) „müssen Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit und ihren Abstand vom Ufer so einrichten, dass Wellenschlag oder Sogwirkungen vermieden werden, die Schäden an stillliegenden oder in Fahrt befindlichen Fahrzeugen oder Schwimmkörpern oder an Anlagen verursachen können, und dass keine rollenden Sogwellen entstehen, die Schäden an den Ufern verursachen können". Nach § 6.20 Nr. 1 Abs. 2 MoselSchPV (1984) „müssen sie ihre Geschwindigkeit rechtzeitig vermindern, jedoch nicht unter das Maß, das zu ihrer sicheren Steuerung notwendig ist", und zwar nach lit. e) „auf Strecken, die durch das Zeichen A.9 (Anlage 7) gekennzeichnet sind".
2. Die Klägerin wirft dem Beklagten zu 1 vor, schuldhaft gegen die vorgenannten Vorschriften verstoßen und dadurch die von ihr behaupteten Schäden der MY „J“ verursacht zu haben. Hierfür ist die Klägerin beweispflichtig.
Allerdings teilt der Berufungsausschuss nicht die Ansicht der Beklagten, dass die Klägerin zuallererst zu beweisen habe, dass MY „J“ ordnungsgemäß festgemacht gewesen sei und es bei Nichterbringen dieses Beweises auf die weitere Behauptung, GMS „K" sei mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeigefahren, „überhaupt nicht mehr ankomme". Entgegen dem Vortrag der Beklagten stützt nicht die von ihnen angeführte Schrifttumstelle (Bemm/ v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung 3. Aufl. 1996 § 7.01 Rdnr. 25) deren Ansicht. Dort wird ausgeführt, was der Geschädigte zur Lage und der Befestigung seines Fahrzeugs beweisen muss, damit der „Anscheinsbeweis für schuldhafte Fehler eines vorüberfahrenden Schiffes in der Richtung spricht, dass entweder nicht genügend Abstand von dem Stillieger eingehalten worden ist oder durch zu hohe Geschwindigkeit ein unzulässiger Sog und Druck sowie Wellenschlag ausgeübt worden ist und hierauf das Brechen der Drähte des Stilliegers beruht".
Nur das lässt sich auch dem Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes vom 18.09.1969 - 11 ZR 180/67, VersR 1969, 1090 entnehmen, auf das in der vorgenannten Schrifttumstelle hingewiesen wird. Überdies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 02.04.1990 - II ZR 131/89 (ZfB 1990, 143) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich in dem früheren Urteil lediglich damit befasst hat, unter welchen Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Bruch der Drähte eines Stilliegers und der Vorbeifahrt eines Fahrzeugs spricht; hingegen habe er sich in jener Entscheidung nicht dahin ausgesprochen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Bruch der Drähte eines Stilliegers und der Vorbeifahrt eines Fahrzeugs mit überhöhter Geschwindigkeit zu verneinen ist, wenn eine ordnungsgemäße Befestigung des Stilliegers nicht nachgewiesen ist; das wäre auch unzutreffend.
Mit Recht heißt es vielmehr in dem Kommentar von Bemm/v. Waldstein zur Verteilung der Beweislast im Rahmen des § 6.20 in der dortigen Rdnr. 10 wie folgt:
„Entsteht bei der Vorbeifahrt eines Schiffes an anderen Fahrzeugen Schaden, so hat der Geschädigte nach allgemeinen Regeln ein Verschulden des angeblichen Schädigers sowie den Kausalzusammenhang mit dem Schaden zu beweisen."
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Berufungsausschuss überzeugt, dass GMS „K" den Yachthafen ohne genügende Verringerung der Geschwindigkeit passiert und durch starken Sog und Wellenschlag MY „J“ abgerissen hat. Zwar hat der Beklagte zu 1 (gegenüber der Wasserschutzpolizei) angegeben, dass er etwa auf Höhe des Zeichens A.9 Anlage 7 der MoselSchPV die Fahrt seines Schiffes so weit wie möglich reduziert habe. Ferner hat seine Ehefrau, die Zeugin B, (gegenüber dem Moselschifffahrtsgericht) ausgesagt, ihr Mann habe unterhalb Cochem die Geschwindigkeit von 9 - 10 km/h auf etwa noch 7 km/h vermindert; auch habe er während der Vorbeifahrt an dem Yachthafen nicht bemerkt, dass eines der am Ufer liegenden Schiffe über Gebühr in Bewegung geraten wäre. Diese Bekundungen können jedoch keine Zweifel daran begründen, dass der Beklagte zu 1 unter Verstoß gegen die vorstehend unter Nr. 1 genannten Vorschriften den Unfall der MY „J“ verschuldet hat: Nach den Berichten der Wasserschutzpolizei in den Bußgeldakten hat das GMS „K" die Ortslage Cochem-Cond mit zu hoher Geschwindigkeit passiert und durch den hierdurch erzeugten Sog- und Wellenschlag an mehreren an der Außenseite der Mole des Yachthafens liegenden Motoryachten („M", „J", „V", „W", „H") Schäden verursacht. Die Berichte werden von den Aussagen der Zeugen G („M"), W („W"), S1 („V") und R („J") gestützt. So hat der Zeuge G bekundet, dass der Bergfahrer zu schnell gefahren sei, MY „M" sich durch dessen Wellenschlag losgerissen habe („das ganze Tauwerk war kaputt") und das Boot seines Freundes vom Wellenschlag mehrere Meter mitgeschleift worden sei; der Bergfahrer selbst habe erst nach Ansprechen über Kanal 10 durch einen anderen Bootsführer die Geschwindigkeit zurückgenommen. Der Zeuge W hat erklärt, dass der Bergfahrer sehr schnell durch die kurz unterhalb des Yachthafens befindliche Brücke gekommen sei und dessen Wellen sein Boot vom Ufer weggedrückt hätten, wodurch die Achterleine gebrochen sei; außerdem seien alle Leinen der Yacht vor ihm gebrochen. Der Zeuge Sl hat den Unfallverlauf dahin geschildert, dass GMS „K" so hohe Wellen gemacht habe, dass alle am Ufer liegenden Schiffe Probleme bekommen hätten; sein Boot sei mit dem Steven nach unten gedrückt worden; die vor ihm liegende MY „J“ sei mit dem Vordersteven hochgekommen und habe beim Herunterkommen die Aussichtsplattform seines Bootes getroffen; die Seile von MY „J", die an drei Stellen festgemacht gewesen sei, seien gebrochen. Die Zeugin R, Eigentümerin der MY „J", hat sich mit ihrem Sohn in der Kajüte unter Deck befunden; nach ihrer Aussage sind beide plötzlich „durcheinander geschleudert" worden; sie ist darauf nach oben gegangen und hat gerade noch einen Bergfahrer gesehen, der relativ schnell gefahren sei.
4. Wie vorstehend unter Nr. 2 ausgeführt, teilt der Berufungsausschuss nicht die Ansicht der Beklagten, Sache der Klägerin sei zu beweisen, dass MY „J“ ordnungsgemäß festgemacht gewesen sei, andernfalls sei die Klage abzuweisen. Im deutschen Recht ist es allgemein anerkannt, dass der klagenden Partei die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen obliegt. Dazu rechnet im Streitfall nicht, ob MY „J“ ordnungsgemäß festgemacht war. Die Beklagten sind auf Grund des nach dem Beweisergebnis feststehenden schuldhaften Verstoßes des Beklagten zu 1 gegen § 6.20 Nr. 1 MoselSchPV der Versicherungsnehmerin (und Rechtsvorgängerin) der Klägerin schadensersatzpflichtig, und zwar unabhängig davon, ob die Yacht ordnungsgemäß festgemacht gewesen ist oder nicht. Im zweiten Falle könnte allerdings ein Mitverschulden des Führers der Yacht n dem Unfallschaden in Betracht kommen, das zu einer Minderung der Klageforderung führen könnte. Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, da es Sache der Beklagten als Schädiger wäre, ein Mitverschulden des Führers der Yacht an dem Unfall zu beweisen und diese einen solchen Beweis nicht erbracht haben:
Die Versicherungsnehmerin der Klägerin hat gegenüber dem Moselschifffahrtsgericht bekundet, das Festmachen der Yacht „J“ an der Außenmole des Hafens habe ihr Ehemann bewerkstelligt; soweit sie wis-se, sei das Schiff ganz normal und ordnungsgemäß befestigt gewesen; hinten und vorne hätten sich entsprechende Leinen befunden; außerdem seien in der Mitte des Schiffes zwei Springseile über Kreuz geführt gewesen. Zum Festmachen der Yacht hat der Zeuge S (Ehemann der Versicherungsnehmerin) vor dem Moselschifffahrtsgericht ausgesagt, er wisse nicht mehr ganz genau, wie er seinerzeit das bewerkstelligt habe; jedenfalls habe er fünf Fender angebracht; ferner sei das Schiff vorne und hinten sowie in der Mitte festgebunden gewesen. Der Zeuge SI hat vor dem Moselschifffahrtsgericht angegeben, „J“ sei an drei Stellen festgemacht worden.
Danach kann jedenfalls nicht für bewiesen angesehen werden, dass MY „J“ nicht ordnungsgemäß festgemacht gewesen sei, zumal sie nach den Bekundungen der Versicherungsnehmerin und ihres Ehemannes bereits geraume Zeit an der Mole festgelegen hatte, ehe der Unfall geschehen ist........ "
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr.4 (Sammlung Seite 1622f.); ZfB 1997, 1622 f.