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Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe
vom 25.03.1994
W 1/94 BSch
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist Eignerin von MS. Die Beteiligte ist Absenderin einer Ladung Abfälle und Schrott aus Eisen oder Stahl. MS befand sich am 27.11.1992 auf einer Reise von Nürnberg nach Rotterdam. Gegen 6.45 Uhr wurde MS etwa 400 Meter oberhalb der Brücke im Main in den Hang gedriftet und kam fest. Nach den Angaben des Schiffsführers - (Schadensbericht/2. Seite der Dispache/AS 31) hing das Achterschiff 15 cm auf dem Grund, das Vorschiff war frei. Der Schiffsführer verständigte die Schleuse die auf seinen Wunsch das Stauwehr hob. Nach verschiedenen Manövern (Maschine voraus und zurück) bekam er gegen 8.15 Uhr das Schiff wieder frei. Bei dem Freiturnen erlitt das Schiff Schäden an dem Propeller, an der Welle und dem Ruder, die mit DM 27.758,-- beziffert werden.
Die Antragstellerin hat durch den Dispacheur eine Dispache aufmachen lassen (AS 5 ff). Die Antragstellerin verlangt von der Beteiligten gemäß den festgestellten Werten von Schiff und Ladung anteilige Kosten in Höhe von DM 6.430,12. Zur Begründung führt sie aus, es habe sich bei dem Vorgang zur Rettung von MS um Havarie-grosse-Schäden gehandelt, für die die Beteiligte anteilig haften müsse.
Die Antragstellerin hat Antrag auf gerichtliche Verhandlung über die Dispache gestellt und angekündigt, zu beantragen:
Die Dispache des vereidigten Dispacheurs vom 24.05.1992 über eine am 27.11.1992 bei Main-Kilometer erlittene Havarie-grosse des MS wird bestätigt.
Die Beteiligte trat dem Antrag der Antragstellerin mit folgenden Anträgen entgegen:
1. Der Antrag wird als unzulässig, hilfsweise unbegründet zurückgewiesen.
2. Hilfsweise zu 1:
Die Antragsgegnerin widerspricht dem Antrag in vollem Umfang.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Zur Begründung ihrer Anträge hat die Beteiligte geltend gemacht: Ein Fall der Havarie-grosse liege nicht vor. Eine gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung habe niemals bestanden. Die Schäden seien auch nicht vorsätzlich herbeigeführt worden. Soweit die Beteiligte, vertreten durch die
Versicherungs AG, am 10.02.1993 einen Revers unterschrieben habe, habe sie nur die Bekanntgabe des Ladungswertes akzeptiert; Absatz 1, der die Verpflichtung zum Beitrag in Havarie-grosse enthält, sei dagegen ausdrücklich durchgestrichen worden (AS 25). Die Havarie-grosse sei damit auch nicht vereinbarungsgemäß begründet worden.
Das Schiffahrtsgericht hat gemäß § 153 Abs. 2 FGG die Dispache und deren Unterlagen von dem Dispacheur eingezogen.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, nachdem eine Dispache erstellt und in der Dispache den Beteiligten Leistungen auferlegt seien, sei im Dispache Bestätigungsverfahren kein Raum für die Prüfung der Zulässigkeit einer Dispache. Die Beteiligte vertritt demgegenüber die Auffassung, es seien auch im FGG-Verfahren die Voraussetzungen einer Dispache, insbesondere das Vorliegen eines Falles der Havarie-grosse zu prüfen.
Mit Beschluß vom 28.01.1994, auf dessen Gründe wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht -Schifffahrtsgericht - Mainz den Antrag der Antragstellerin auf Bestätigung einer Dispache zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 08.02.1994 zugestellten Beschluß wendet sich die Antragstellerin mit der am 12.02.1994 beim Schiffahrtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Sie vertritt die Auffassung, es würden nicht offensichtlich die Voraussetzungen der großen Havarei fehlen; die IVR habe die Dispache des Dispacheurs A überprüft, genehmigt und festgestellt, daß die Dispache nach den Rheinregeln der IVR entsprechend der Vereinbarung der Parteien erstellt worden
sei.
Der Schiffsführer des MS habe die Maschine eingesetzt, um sich freizuziehen. Dabei habe er einen Schaden verursacht zum Zwecke der Errettung von Schiff und Ladung aus gemeinsamer Gefahr.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz vom 25.02.1994 Bezug genommen.
Die Antragstellerin stellt keinen ausdrücklichen Antrag. Ihr Begehren geht jedoch offensichtlich dahin, auf die sofortige Beschwerde den Beschluß des Amtsgerichts - Schiffahrtsgerichts - Mainz vom 28.01. 1994 aufzuheben und die Sache zur Verhandlung über die von dem Dispacheur aufgemachte Dispache an das Schiffahrtsgericht Mainz zurückzuverweisen.
Die Beteiligte beantragt, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß und wiederholt ihre Auffassung, daß ein Fall der Havarie-grosse nicht vorlag. Eine Gefahr für die Ladung habe zu keiner Zeit bestanden, zumal sie aus Schrott und nicht aus irgendwelchen nässeempfindlichen Gütern bestanden habe.
II.
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Schiffahrtsgerichts ist zulässig, §§ 20, 22, 157 Abs. 1 FGG.
2. Die sofortige Beschwerde ist aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Schiffahrtsgericht den Antrag auf Bestätigung der Dispache zurückgewiesen, § 153 Abs. 2 Satz 1 FGG. Diese Entscheidung konnte auch noch erfolgen, nachdem bereits einmal über diesen Antrag verhandelt worden war (vgl. Keidel/Winkler FGG 13. Aufl. § 153 Rdnr. 10).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin, im Dispache Bestätigungsverfahren nach dem FGG sei kein Raum für die Prüfung der Zulässigkeit einer Dispache, wenn eine solche aufgemacht und damit Beteiligten Leistungen auferlegt worden seien, ist die Frage, ob überhaupt ein Fall der Havarie-grosse und damit eine der Voraussetzungen des Dispache-Bestätigungsverfahrens gegeben ist, nicht erst im Klageverfahren, sondern bereits im Dispache-Bestätigungsverfahren zu prüfen. Zwar rechtfertigen bloße Zweifel daran, ob die Voraussetzungen der großen Havarei vorliegen, eine Ablehnung des Antrages noch nicht. Auch braucht ein Gericht keine weitergehenden Ermittlungen darüber anzustellen. Umgekehrt enthebt eine Prüfung einer Dispache durch die IVR das Gericht nicht von der eigenen Entscheidung darüber, ob ein Fall der Havarie-grosse vorliegt (vgl. dazu auch Regel XVI der IVR für die Große Haverei (Fassung 1991), abgedruckt in WESKA 1994 B 124 ff, 127).
Große Havarei sind gemäß § 78 Abs. 1 BinSchG alle Schäden, welche einem Schiff oder Ladung desselben oder beiden zum Zweck der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt werden. Wie das Schiffahrtsgericht zutreffend entschieden hat, war ein solcher Fall der gemeinsamen Gefährdung von Schiff und Ladung nicht gegeben.
Eine unerhebliche Gefahr reicht zur Feststellung einer gemeinschaftlichen Gefahr nicht aus. Nicht ausreichend ist auch eine drohende oder zu befürchtende Gefahr, der durch geeignete Maßnahmen entgegengewirkt werden soll. Die Gefahr muß bereits eingetreten oder sich doch so konkretisiert haben, daß sie geeignet ist, regelmäßig einen Schaden am Schiff und an der Ladung herbeizuführen.
Eine Havarieverteilung kommt nicht in Frage, wenn eine Gefahr nur für das Schiff oder nur für die Ladung bestand. In all diesen Fällen fehlt es an der nötigen Gefahrengemeinschaft. Für die der Beteiligten gehörenden Ladung von Eisenschrott, die sich an Bord von MS befand, bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr. Das Schiff hat nicht geleckt. Selbst wenn Feuchtigkeit eingedrungen wäre, hätte es bei der Art der Ladung dieser nicht geschadet. Das Freiturnmanöver des Schiffsführers, bei dem die Propeller und Ruderanlage beschädigt wurde, diente lediglich Zweck, das Schiff wieder freizubekommen, nicht aber der Rettung der Ladung aus einer echten Gefahrenlage.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Ab 1 Satz 2 FGG.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr. 12 (Sammlung Seite 1764 ff.); ZfB 1999, 1764 ff.