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Leitsätze:
1) Zur Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines nicht am Ort des Prozeßgerichts wohnhaften, mit der Führung des Prozesses beauftragten Rechtsanwalts.
2) In Schiffahrtsprozessen können allgemeine Aufwendungen der Partei ohne besonderen Nachweis bis zur Höhe von 50,- DM als erstattungsfähig angesetzt werden.
Beschluß des Oberlandesgerichts
Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe vom 13. Juni 1972
W 1/72 Sch
(Rheinschiffahrtsgericht Mainz)
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin aus Duisburg-Ruhrort hatte in dem in 1. Instanz am Rheinschiffahrtsgericht in Mainz schwebenden Schiffahrtsprozeß den in Mannheim ansässigen Rechtsanwalt Y. mit ihrer Vertretung beauftragt. Der Rechtspfleger hatte die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Kosten für die Terminreisen des Anwalts von Mannheim nach Mainz und außerdem eine pauschale Berechnung der der Klägerin entstandenen allgemeinen Kosten nicht als erstattungsfähig anerkannt. Auf die Beschwerde der Klägerin wurde der Kostenfestsetzungsbeschluß zugunsten der Klägerin abgeändert.
Aus den Entscheidungsgründen:
In Schiffahrtssachen ist jeder Partei die Berechtigung zuzugestehen, sich eines Anwalts zu bedienen, bei dem sie die Gewißheit hat, daß er in hinreichendem Maße mit den besonderen Rechtsfragen und Gegebenheiten tatsächlicher Art für dieses Sachgebiet vertraut ist. Wenn aber eine Partei von einem in engerem Bereich eines Schiffahrtsgerichts und eines Schiffahrtsobergerichts, die einander zugeordnet sind, wohnhaften Anwalt mit solchen Spezialkenntnissen laufend ihre Angelegenheiten auf dem Sondergebiet bearbeiten läßt, ist dieser Anwalt besonders geeignet und der Partei in der nötigen Weise dafür bekannt, ihre Streitigkeiten sachgerecht zu vertreten. Auf Grund der besonderen Umstände ist es deshalb als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, anzuerkennen, daß die Partei diesen Anwalt mit ihrer Prozeßvertretung beauftragt, ohne unter den ihr nicht näher bekannten Anwälten am Ort des Prozeßgerichts erst die für sie mit Ungewißheiten verbundene Suche nach einem in gleichem Maße bewanderten Anwalt betreiben zu müssen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn der von ihr betraute sachkundige Anwalt - wie im vorliegenden Fall der in Mannheim wohnhafte Anwalt - seinen Wohnsitz zwischen den Sitzen der Gerichte erster und zweiter Instanz hat und - wie es in Schiffahrtssachen gilt - vor beiden Gerichten aufzutreten berechtigt ist. Den bei ihm anfallenden Reisekosten zum Gericht erster Instanz steht ein kürzerer Reiseweg zum Obergericht gegenüber, als ihn ein Anwalt am Sitz des Erstgerichts zu machen hätte. Mit Berufungsverfahren im Schiffahrtsrechtsstreit und der dann eintretenden Notwendigkeit, wegen Mangels an besonders spezialisierten Anwälten am Sitz des Schiffahrtsobergerichts Karlsruhe den mit dem Fall vertrauten Anwalt der ersten Instanz zu den Berufungsterminen zu entsenden, kann aber stets gerechnet werden.
Es wird daran festgehalten, daß der Anwalt, den die Partei beauftragt, seinen Sitz jedenfalls in einer solchen Nähe zu den zuständigen Gerichten haben muß, daß der entstehende Reisekostenaufwand noch in einem vertretbaren Verhältnis zum besonderen Interesse der Partei an der Prozeßvertretung durch diesen Anwalt steht.
Die Klägerin weist zu Recht auf die besonderen Umstände hin, die es in Schiffahrtsprozessen rechtfertigen, eine gewisse Pauschale zuzulassen und bis zu deren Höhe die Parteien eine Spezifizierung und eines Nachweises zu entheben. Hier handelt es sich bei den Streitenden in der Regel um Unternehmen, für deren Geschäftsbetrieb es nach seiner Art, Umfang und Organisation nicht durchführbar und zuzumuten ist, die im Zusammenhang mit der meist schwierigen und langdauernden Prozeßführung anfallenden Ferngespräche, Fernschreiben, Porti, Schreibaufwand und dergleichen in Zuordnung zu dem Rechtsstreit einzeln zu bezeichnen und zu belegen. In der Zeit der zunehmenden Automatisierung und Rationalisierung wird auch die Möglichkeit der Einzelerfassung solcher Routineaufwendungen für Geschäftsbetriebe weiter verringern. Zugleich kann davon ausgegangen werden, daß ein Rechtsstreit in Schiffahrtssachen nach Art und Umfang stets einen Mindestaufwand für Informationsbeschaffung der Partei, Informations- und Meinungsaustausch zwischen Interessenten und Versicherern, Informationsweitergabe an Prozeßbevollmächtigte, Beweisbeschaffung und dergleichen mit sich bringt, der unbedenklich einer pauschalen Bezifferung unterworfen werden kann. Bei diesen Kosten sind im allgemeinen insbesondere nicht gering anzusetzen diejenigen zur Beibringung der Zeugen, die sich überwiegend in der Schiffahrt befinden und deren Aufenthalt auf Reisen und Stellungsmöglichkeit bei einem Gericht vielfach mit erheblichem Kommunikationsaufwand von der Partei ermittelt werden muß. Auf Grund dieser Erwägungen hält der Senat es für vertretbar, zuzulassen, daß in Schiffahrtsprozessen allgemeine Aufwendungen der Partei für die Prozeßführung ohne besonderen Nachweis pauschal angesetzt werden, wenn nicht mehr als DM 50,- gefordert wird.