Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur Verkehrssicherungspflicht von Hafenbetrieben bezüglich der regelmäßigen Untersuchung der Hafensohle mit geeigneten Geräten zur Feststellung und Beseitigung von den Schiffsverkehr im Hafen gefährdenden Hindernissen. Keinesfalls liegt eine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn in Befolgung der Empfehlungen des Technischen Ausschusses des Verbandes öffentlicher Binnenhäfen ein Meßschiff zur turnusmäßigen Untersuchung der Hafensohle Echolote bzw. Echographen anstelle der früher üblichen Schleppkette verwendet.
Urteil des Oberlandesgerichtes (Schiffahrtsobergericht) in Karlsruhe
vom 28. März 1989
U 5/87 - BSch
(Schiffahrtsgericht Mainz)
Zum Tatbestand:
Als das der Klägerin gehörende auf 2,70m Tiefgang abgeladene MS „H." (105m lang, 11,4m breit, 2960t groß, 1200 PS stark) am 16.4. 1986 im Frankfurter
Osthafen der Beklagten den an seiner Steuerbordseite befestigten unbeladenen Schubleichter „W." in Höhe des an der Südseite des Hafenbeckens gelegenen Lagerplatzes der Fa. S. ablegte und bei einer Wassertiefe von 3,20 m 20 m von der Böschung entfernt war, blieb die Maschine nach einem plötzlich vernehmbaren Schlag im Hinterschiff stehen. Es stellte sich heraus, daß von achtern her eine ca. 3 m lange, 30 cm breite und ca. 1 cm starke Stahleisenbahnschwelle in den Schraubentunnel des MS geraten war.
Die Beklagte hatte das Hafenbecken durch das mit einem Flächenechographen ausgestattete Meßschiff „Mosel" der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung zuletzt am 20.1. 1986 überprüfen und zur Beseitigung der festgestellten Fehltiefen am Unfalltag Baggerarbeiten im Bereich des Nordufers ausführen lassen. Die Klägerin verlangt Ersatz des Schiffsschadens, für Ausfalltage und Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 107 351,40 DM, weil die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei. Das Meßschiff sei für die Hindernissuche nicht geeignet gewesen, weil mit den Echoloten kleinere Hindernisse, wie Eisenbahnschwellen, nicht auszumachen seien. Ferner spreche nach dem ersten Anschein die Tatsache, daß sich ein zur. Herbeiführung eines Schiffsunfalls geeignetes Hindernis in einem dem Schiffsverkehr dienenden Gewäser befunden habe, für die Annahme, daß das Gewäser nicht ordentlich unterhalten sei. Die Eisenbahnschwelle sei offenbar im Laufe der Baggerarbeiten aufgerichtet, andernfalls ein anderes Schiff schon längst auf dieses Hindernis gestoßen sei. Die Beklagte beruft sich auf die „Allgemeinen Benutzungsbedingungen der Hafenbetriebe der Stadt Frankfurt/Main", die eine Haftungsbeschränkung enthielten, wonach die Beklagte für Schiffsschäden durch Hindernisse im Hafen nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflicht hafte. Diese Pflicht sei durch die letzte Überprüfung am 20.1. 1986 erfüllt. Baggerarbeiten seien nicht im Unfallbereich durchgeführt worden. Das fast 3000t große MS „H." habe nur ein Wasserpolster von 50 cm (3,20 m Wassertiefe ./. 2,70 m Tiefgang) gehabt, so daß schon ein kurzfristiger Einsatz von 1/3 bis ’/2 der verfügbaren Maschinenleistung genügt habe, fast jeden Gegenstand von der Größe einer Eisenbahnschwelle in der Hafensohle bloßzulegen oder hochzuwerfen. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„.... 1. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, daß berechtigte Zweifel bestehen, ob das von der Beklagten am 20.1. 1986 zur Kontrolle des Hafenbeckens eingesetzte Meßschiff „Mosel" von seinen technischen Einrichtungen her objektiv überhaupt geeignet ist, unbekannt gebliebene kleinere, über die Sollsohle des Hafenbeckens hinausragende Hindernisse zu erfassen und graphisch zur Darstellung zu bringen (wird ausgeführt). Hieraus ließe sich zwar herleiten, daß die Beklagte mit dem Einsatz des Meßschiffes Mosel’ objektiv kein zur turnusgemäßen Absuchung des Hafengrundes auf unentdeckte Hindernisse geeignetes Gerät eingesetzt hat. Das allein wäre aber nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten zu begründen. Grundsätzlich hat der Geschädigte, der von einem Dritten Schadensersatz verlangt, darzutun und zu beweisen, daß dieser den Schaden schuldhaft verursacht hat. Wird als Haftungsgrund ein pflichtwidriges Unterlassen, hier das Unterlassen des Einsatzes eines zum Auffinden von Hindernissen tauglichen Gerätes, behauptet, so muß der Geschädigte nachweisen, daß pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des schädigenden Erfolges verhindert hätte (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, § 823 Abs. 1 Rn. 13; vgl. auch RGRK (Steffen), 12. Aufl., §823 Rdn. 502). Hiervon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die Eisenbahnschwelle, die in den Schraubentunnel des MS ,H.’ geriet, schon bei der ca. drei Monate vor dem Unfall erfolgten turnusgemäßen Absuchung mit einem tauglichen Gerät zu entdecken gewesen wäre und eine Beseitigung des Hindernisses ermöglicht hätte. Dafür fehlen allerdings jedwede Anhaltspunkte.
Unstreitig hat sich der Unfall in Höhe des Lagerplatzes der Firma S. ereignet, in einem Bereich des Hafens, in dem unstreitig keine Schrottverladungen stattgefunden haben. Das läßt darauf schließen, daß die Eisenbahnschwelle dort schon längere Zeit unbemerkt lag und kein Hindernis darstellte, denn in Anbetracht des nicht unerheblichen Schiffsverkehrs im Osthafen, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, hätte es sonst schon früher zu Schäden kommen müssen. Lag die ca. 3 m lange Eisenbahnschwelle flach auf der Hafensohle, so kann sie auch nicht mit den zur Hindernissuche tauglichen und üblichen Mitteln (Kettenabstreifung, Peilrahmen) erkannt werden. Dies wäre allenfalls dann möglich gewesen, wenn sich die Schwelle in einer mehr oder weniger starken Schräglage befunden und so - bezogen auf die vorzuhaltende Wassertiefe - ein Hindernis dargestellt hätte, das bei der turnusmäßig erfolgten Absuchung des Hafenbeckens - bei Verwendung geeigneter Geräte - zu entdecken gewesen wäre. Hierfür liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor. Hinzu kommt, daß allein aufgrund der Tatsache, daß das eine Ende der Schwelle von achtern her in den Schraubentunnel des manövrierenden MS ,H.’ geriet, nicht einmal Rückschlüsse auf die tatsächliche Lage der Schwelle möglich sind. ... Die Ansicht der Klägerin, daß es Sache der Beklagten sei, sich hier zu entlasten, weil die Unfallursache im Gefahrenbereich der Beklagten liege, vermag der Senat nicht zu teilen ... Nur dann, wenn feststünde, daß die Eisenbahnschwelle schon als Hindernis zum Zeitpunkt der letzten Überprüfung vor der Havarie vorhanden gewesen war und bei Einsatz geeigneter Geräte objektiv zu entdecken gewesen wäre, wäre es nach dieser Rechtsprechung Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, daß das Hindernis auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, d. h. mit der Beklagten zumutbaren Miteln, nicht hätte entdeckt werden können. 2. Gleichfalls liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Eisenbahnschwelle bei den von der Beklagten veranlaßten Baggerarbeiten unmittelbar, vor dem Unfall aufgerichtet wurde. Daß die Beklagte in dem Bereich vor dem Lagerplatz der Firma S. am Südufer, in dem MS ,H.’ die Eisenbahnschwelle ,fischte’, Baggerarbeiten ausgeführt hat, hat nicht einmal die Klägerin behauptet. Fest steht aufgrund der insoweit übereinstimmenden Aussagen der im ersten Rechtszug gehörten Zeugen, daß am Nordufer Baggerarbeiten ausgeführt wurden, wobei im Zuge der Arbeiten der Ponton mit dem darauf stehenden Raupenbagger im Zuge der Arbeiten fortlaufend in östliche Richtung, zum Hafenbeckenende hin verholt wurde. Den Aussagen der Zeugen kann jedoch nicht einmal entnommen werden, daß sich der Bagger zum Zeitpunkt des Unfalls bereits in Höhe des Achterschiffes von MS ,H.’ befand, (wird ausgeführt).
... Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das Achterschiff des MS ,H.’, bezogen auf das Achterschiff des Schubleichters, ca. 30 m weiter zur Hafeneinfahrt hin lag, ergibt sich bei der Breite des Schubleichters und des Motorschiffes von je 11,4m, daß der Schraubentunnel des Fahrzeuges allenfalls 30m vom Südufer des ca. 60m breiten Hafenbeckens entfernt war. Dort wurden aber unstreitig keine Baggerarbeiten ausgeführt ... 3. Insoweit erübrigt es sich auch, darauf einzugehen, ob die Allgemeinen Benutzungsbedingungen der Hafenbetriebe der Beklagten zwischen den Parteien maßgeblich sind und, falls dies zu bejahen wäre, ob die darin vorgesehene Freizeichnung für Schäden infolge fahrlässiger Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im Verhältnis zur Klägerin wirksam wäre.....“.
Die von der Klägerin eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof nicht angenommen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.2 (Sammlung Seite 1281 f.), ZfB 1990, 1281 f.