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Leitsatz:
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Nutzungsberechtigte eines Schiffsliegeplatzes von einem unberechtigten Nutzer „Liegegeld" beanspruchen kann.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Karlsruhe
vom 21.11.1996
U 4/96 BSch
(rechtskräftig)
(Schiffahrtsgericht Mainz)
Zum Tatbestand:
Aufgrund eines Nutzungsvertrags mit der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung verfügt der Kläger über Liegeplätze im Bereich einer früheren Schiffswerft. Der Beklagte, der bis Frühjahr 1991 Eigentümer des MS „S" gewesen ist, ließ sein Schiff in Absprache mit dem ehemaligen Inhaber 0 der Werft in der Zeit von April bis 15. Juli 1991 auf einem der Liegeplätze stilliegen. Der Kläger verlangt von dem Beklagten „Liegegeld."
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf „Liegegeld" gegen den Beklagten zu.
1. Das, was der Kläger vom Beklagten verlangt, ist entgegen der von ihm gewählten Bezeichnung kein „Liegegeld" im binnen-schiffahrtsrechtichen Sinne. Gemäß § 30 Abs. 1 BinSchG gebührt dem Frachtführer ein „Liegegeld", wenn der Absender die Ladung nicht so zeitig liefert, daß die Beladung innerhalb der Ladezeit vollendet werden kann. Ein „Liegegeld" im Sinne des § 49 Abs. 1 B inSchG ist das vom Empfänger einer Ladung zu zahlende Entgelt für die Überschreitung der Löschzeit.
2. Der Kläger begehrt vielmehr Zahlung dafür, daß MS „S" eine Zeitlang ohne seine Genehmigung an einem der Liegeplätze festgemacht hatte. Sein Anspruch ist daher vergleichbar einer „Standgeld"-Forderung, die für das Abstellen eines Kraftfahrzeugs auf dem Gelände eines anderen erhoben wird. Die tatsächlichen Voraussetzungen für einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Zahlung eines derartigen „Entgeltes" sind jedoch vom Kläger zur Überzeugung des Gerichts nicht dargetan.
a) Ein Vertragsverhältnis wurde zwischen den Parteien nicht begründet. Ausdrücklich wurde ein etwaiger Vertrag, wonach der Beklagte für die Inanspruchnahme einer der Liegeplätze des Klägers ein Entgelt zu entrichten hätte, weder schriftlich noch mündlich geschlossen. Ein Vertrag kam aber auch nicht konkludent dadurch zustande, daß der Beklagte das Schiff auf Anweisung des 0, der früher auch Inhaber der Werft gewesen ist, zu dem Liegeplatz des Klägers verbrachte. Das Schild „Anlegen ohne Genehmigung der Werftleitung nicht gestattet" kann nicht als Angebot des Klägers auf Abschluß eines Mietvertrages gewertet werden, das der Beklagte schlüssig angenommen hätte.
Auch durch die Übersendung von Rechnungen vom 03.06. und 26.09.1991 kam ein Vertrag, der die klagegegenständliche Forderung begründen könnte, nicht zustande. Der Kläger hat für seine, vom Beklagten bestrittene Behauptung, dieser habe ihm beim Abholen des Schiffes zugesichert, er werde sein Geld bekommen, keinen Beweis angetreten.
b) Eine Nutzungsentschädigung gemäß § 557 BGB kann der Kläger nicht verlangen, da diese Vorschrift einen Anspruch nur dann eröffnet, wenn zuvor ein Mietvertrag bestanden hatte, dieser beendet wurde und der Mieter seine Rückgabepflicht nicht rechtzeitig erfüllt.
c) Der Kläger war zwar berechtigt, vom Beklagten zu verlangen, daß dieser sein Schiff entfernte. Der Kläger vermochte jedoch bis zu dem dem Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht entsprechenden Ende der Schriftsatzfrist nach § 128 Absatz 2 ZPO nicht darzulegen, daß ihm ein ersatzfähiger Schaden oder Aufwendungen dadurch entstanden sind, daß er den Liegeplatz infolge der Belegung durch MS „S" nicht nutzen konnte. Daher ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB wegen einer schuldhaften Besitzverletzung (vgl. dazu Palandt BGB 55. Aufl. § 861 Rdnr. 13) jedenfalls mangels Schadensdarlegung nicht begründet. Gleiches gilt für einen Verzugsschadensersatzanspruch.
Für einen - bei Besitzstörungen ohnehin nur eingeschränkt möglichen (vgl. Palandt a.a.O. § 861 Rdnr. 12) - Bereicherungsanspruch hat der Kläger nichts dargetan.
Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis, §§ 986 ff, BGB, bestehen nicht, weil der Kläger nicht Eigentümer des Liegeplatzes ist, sondern selbst nur Nutzungsberechtigter aufgrund des mit der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes abgeschlossenen Nutzungsvertrages.
Schließlich wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich, daß es einen Schiffahrtsbrauch geben würde, wonach derjenige, der am Liegeplatz eines nutzungsberechtigten anderen festmacht, verpflichtet wäre, diesem dafür ein Entgelt zu zahlen. Soweit in Hafenordnungen für das Stilliegen von Schiffen Gebühren oder Mieten gefordert werden und derjenige, der mit dem Festmachen seines Schiffes sein Einverständnis mit der Verpflichtung erklärt, diese Gebühren zu bezahlen, kann dies nicht auf jeden beliebigen Schiffsanlegeplatz übertragen werden ......"
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr.10 (Sammlung Seite 1639); ZfB 1997, 1639