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U 4/82 RhSch - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Datum uitspraak: 08.05.1984
Kenmerk: U 4/82 RhSch
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Oberlandesgericht Karlsruhe
Afdeling: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Zur Verkehrssicherungspflicht der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen.

2) Um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen, ist das Maß der Sorgfalt verschieden für die Fahrrinne einerseits und den sonstigen Teil des Stromes andererseits. Die Verwaltung ist bei besonderen Anlässen, z. B. nach Schiffsunfällen, zu außerordentlichen Prüfungen der Fahrrinne, u. U. zur Beseitigung von Hindernissen oder zur Warnung der Schiffahrt verpflichtet, nicht aber zur Verbreiterung oder Vertiefung der Fahrrinne.

Urteil des Rheinschiffahrtsobergerichts Karlsruhe

vom 8. Mai 1984

U 4/82 RhSch

(Rheinschifffahrtsgericht Mannheim)

Bestätigt durch Nichtannahme der Revision gemäß Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 11. März 1985 - II ZR 138/84 -

Zum Tatbestand:

Die Klägerin ist Eignerin des Schubbootes M und der von ihm geschobenen 3 Schubleichter, nämlich vor ihm N, davor F2 und auf dessen Backbordseite F1, sämtlich beladen. Der Schubverband begann am 6. Dezember 1979 mit Vorspannhilfe des Motorschleppers G auf der Bergfahrt zwischen Rhein-km 351,6 und 352,1 die durch das Wrack des gesunkenen MS M bedingte Engstelle bei km 351,9 zu passieren. Die beklagte Wasserstraßenverwaltung hatte die Regelbreite der Fahrrinne für den Streckenabschnitt Rhein-km 344,5 bis 424,4 früher mit 92 m angegeben, aber mit Bekanntmachung vom 22. November 1979 u. a. mitgeteilt, daß oberhalb Rhein-km 409 Fehltiefen und Fehlbreiten auftreten könnten, und mit Anordnung vom 23. November 1979 für den Bereich Rhein-km 350,4 bis 353,0 bekanntgegeben, daß stellenweise mit Fehltiefen von 0,60 m bis 0,70 m auf Maxauer Pegel zu rechnen sei. Außerdem bestand für diese Strecke, die als Enge im Sinne des § 6.07 RhSchPVO gekennzeichnet war, Überholverbot. Der Verband der Klägerin fuhr mit blauer Seitenflagge ab Rhein-km 353,0 langsam von der linken zur rechten Stromseite, um unterhalb der Kribben auf badischer Seite die sich nähernde Talfahrt passieren zu lassen. Es kamen zu Tal nacheinander mit entsprechendem Abstand die beladenen Motorschiffe H, C und He. Sämtliche Schiffe kamen bei dem Versuch, den Schubverband steuerbords zu passieren, auf Grund, fielen jeweils mit dem Achterschiff über Steuerbord herum, gerieten gegen die Steuerbordseite des SL F2, kamen dann wieder frei und konnten die Talfahrt fortsetzen. Infolge des Zusammenstoßes brachen die Verbindungen der vorderen Schubleichter zu SL N.
Die Klägerin beziffert ihren eigenen Schaden mit ca. 124000,- DM und den ihr abgetretenen Fremdschaden der 3 Talfahrer mit insgesamt etwa 128000,- DM. Von der Gesamtsumme (ca. 252400,- DM) sind ein Fünftel, also ca. 50500,- DM eingeklagt worden. Die Klägerin macht geltend, daß die nicht zu tief abgeladenen 3 Talfahrer sich nur deshalb festgefahren hätten, weil die Beklagte ihrer gesteigerten Verkehrssicherungspflicht für die Engstelle und den talwärts davon gelegenen Strombereich nicht ausreichend nachgekommen sei. Querpeilungen im Abstand von 25 m seien unzureichend gewesen. Es hätten Peilrahmen eingesetzt werden müssen. Statt der Regelbreite von 92 m habe im Unfallbereich eine Verengung der Fahrrinne auf 70 m bestanden, was für den Bereich der Sinkstelle M nicht bekanntgemacht worden sei.
Die Beklagte bestreitet das Vorbringen. Die Echolot-Querpeilungen seien in Verbindung mit den Sohlenplänen, die keine Fehltiefen im Unfallbereich aufwiesen, viel aussagekräftiger als der Einsatz eines Peilrahmens. Die Fahrrinne sei frei von Hindernissen gewesen. Die 3 Talfahrer könnten nur außerhalb der Fahrrinne auf Grund gelaufen sein.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde vom Rheinschiffahrtsobergericht zurückgewiesen. Die Revision hat der Bundesgerichtshof nicht angenommen (Begründung s. nach den Entscheidungsgründen des Rheinschiffahrtsobergerichts).

Aus den Entscheidungsgründen:

„...

1. Nach § 7 Abs. 1 BWStrG gehört die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen und der Betrieb der bundeseigenen Schifffahrtsanlagen zu den Hoheitsaufgaben der Bundesrepublik Deutschland. Zur Unterhaltung der Binnenwasserstraßen gehört nach § 8 Abs. 1 BWStrG das Erhalten eines ordnungsgemäßen Wasserablaufs und der Schiffbarkeit.
Die Beklagte braucht dabei die ihr obliegenden Hoheitsaufgaben nicht ohne weiteres mit den Mitteln der sog. Obrigkeitsverwaltung (durch Anwenden von Befehlen, Zwangs- und Machtmitteln) zu erfüllen, sie kann sie auch im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung (durch Ausübung von Schutz und Fürsorge) bewältigen (OLG - Rheinschiffahrtsobergericht - Köln, ZfB 1982, 439, 440; BGH NJW 1962, 796). Dazu wird nach der genannten Rechtsprechung auch die Verkehrssicherungspflicht gerechnet. Im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung kann die öffentliche Hand aber wählen, ob sie die ihr obliegende Aufgabe nur fiskalisch oder als Träger öffentlicher Gewalt, dann also hoheitsrechtlich, erfüllen will. Für eine solche hoheitsrechtliche Aufgabenerfüllung wäre aber ein Organisationsakt (OLG Köln aaO.) notwendig, aus dem sich ergibt, daß die betreffende Verwaltungstätigkeit hoheitlich ausgestaltet ist (BGHZ 9, 373, 387,388; BGH VersR 1961, 653, 654; BGH VersR 1980, 1025, 1026). Da ein solcher Organisationsakt hinsichtlich der Verkehrssicherung nach dem BWStrG nach wie vor fehlt, kommt als Rechtgrundlage für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht lediglich die Bestimmung des § 823 BGB - und nicht § 839 BGB in Betracht, so daß zur Entscheidung über eine solche Klage die Rheinschiffahrtsgerichte zuständig sind (OLG Köln aaO.).

2. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte den der Schiffahrt zur Verfügung gestellten Verkehrsweg im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu sichern, insbesondere dafür zu sorgen, daß dieser für die zugelassene Schiffahrt die erforderliche Tiefe und Breite besitzt, frei von Hindernissen und, soweit erforderlich, genügend gekennzeichnet ist. Da aber die Kraft des strömenden Wassers das Strombett ständigen Veränderungen unterwirft, ein ordnungsgemäßer Schiffsverkehr aber möglichst stabile und sichere Verhältnisse voraussetzt, muß durch Stromregulierung und Baggerung eine Fahrrinne von bestimmter Breite und Tiefe geschaffen und erhalten werden, die das Rückgrat des durchgehenden Schiffsverkehrs bildet (BGHZ 37, 69 NJW 1962, 1051, 1052). Bei höherem Wasserstand kann der von der durchgehenden Schiffahrt nach nautischen Grundsätzen je nach Tiefgang des Fahrzeugs benutzte und benutzbare Teil des Stromes breiter sein als die von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vorgehaltene Fahrrinne. Hieraus ergibt sich der Begriff des Fahrwassers der durchgehenden Schiffahrt als der nach dem Wasserstand für diese Schiffahrt bestimmte Teil des Stromes (BGH aaO; BGH VersR 1969, 662). Dieses Fahrwasser - und nicht nur die Fahrrinne - ist Gegenstand der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten.

a) Als Eigentümerin der Wasserstraße bestimmt sie im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen (Art. 28 der rev. MA), in welchem Umfange der Schiffsverkehr auf dem Rhein eröffnet ist. Den natürlichen Veränderungen, denen das Strombett insbesondere die Stromsohle ständig unterworfen ist, muß die Beklagte nur für den Bereich der Fahrrinne, dagegen grundsätzlich nicht für den übrigen Teil des Fahrwassers entgegentreten. Daher ist das Maß der Sorgfalt, welche die Beklagte aufzuwenden hat, um ihrer Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der durchgehenden Schiffahrt zu genügen, verschieden für die Fahrrinne einerseits und den sonstigen Teil des Stromes andererseits.

Während sie zu regelmäßigen und bei besonderen Anlässen - z. B. nach Schiffsunfällen u. a. - auch zu außerordentlichen Prüfungen der Fahrrinne und gegebenenfalls alsbaldiger Beseitigung von Hindernissen bzw. dann, wenn das nicht sofort möglich ist, zur Warnung der Schiffahrt verpflichtet ist, gilt das nicht für das übrige Fahrwasser außerhalb der ausgebauten Fahrrinne. Ihre Pflicht beschränkt sich regel mäßig darauf, dort neu auftretende Hindernisse nach Bekanntwerden zu kennzeichnen. Sie ist aber nicht gezwungen, z. B. entsprechend einem Verhalten der Schiffahrt, die Fahrrinne zu verbreitern oder noch mehr zu vertiefen (BGH aaO.).
Außerhalb der Fahrrinne bilden Geröllfelder und ihre Umgebung eine besondere Gefahr schon für flachgehende Fahrzeuge. Ein sorgfältiger Schiffer wird deshalb in der Regel solche Stromstellen meiden.
In diesem Rahmen hat die Beklagte für den Bereich der Unfallstelle eine Fahrrinne von mindestens 70 m Breite vorgehalten, die frei von Hindernissen war, wie die Beweisaufnahme überzeugend ergeben hat.

b) Die Klägerin hat nicht behaupten können, der verantwortliche Schiffsführer ihres bergfahrenden Verbandes und die Schiffsführer der drei kollidierenden Talfahrer hätten nicht gewußt, daß im Bereich der Unfallstelle - unterhalb der durch das Sinken des MS M bedingten und von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung ausdrücklich ausgewiesenen Engstelle - die Fahrrinne durch das natürliche Hindernis des Lauterburger Grundes verengt werde. Immerhin hat die Beklagte in der maßgeblichen Bekanntmachung für die Rheinschiffahrt eine „garantierte Fahrrinne" von wenigstens 90 m Breite nur bis zur Höhe von Mannheim zugesichert bzw. Engstellen unterhalb der Strecke von Mannheim bekanntgegeben. Für den Bereich weiter stromaufwärts wurde eine solche Fahrrinnenbreite gerade nicht zugesichert. Im übrigen sind für diesen Stromabschnitt solche Verengungen des Fahrwassers, wie sie durch den Lauterburger Grund bedingt sind, in den einschlägigen Stromkarten vermerkt und allen streckenkundigen Schiffern bekannt. Weniger streckenkundige Schiffsführer pflegen sich für den Strombereich oberhalb von Mannheim bis zum kanalisierten Teil des Rheins der Hilfe von Oberrheinlotsen zu bedienen, die allerdings nicht vorgeschrieben ist. Zur Kennzeichnung des Fahrwassers im Bereich des Lauterburger Grundes, den unbestritten trotz der Erschwernis durch die M-Engstelle viele hundert Schiffe in kurzer Zeit ohne Unfall passieren konnten, bestand bei dieser Situation für die Beklagte keine Verpflichtung (BGH NJW 1962, 1051, 1053). Der Führung des Schubverbandes war die gerade für diesen Verband kritische Situation in diesem Bereich bekannt, denn dafür wurde Vorspannhilfe in Anspruch genommen. Der Schubverband mußte als Bergfahrer unterhalb der gekennzeichneten Engstelle anhalten und die Talfahrt passieren lassen. Ob er das getan hat oder ob er doch sich schon anschickte, in die Engstelle einzufahren, oder ob er erst noch dabei war, von der links- zur rechts-rheinischen Stromseite zu fahren und so - vielleicht nur scheinbar für die Talfahrt - den unteren Teil der Engstelle zu blockieren schien, bedarf keiner weiteren Aufklärung. Maßgeblich für die hier zu treffende Entscheidung ist allein, daß aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats feststeht, daß der Schiffahrt in) Unfallbereich eine Fahrrinne mit 70 m Mindestbreite in noch ausreichendem Umfange auch für eine Begegnung mit einem Schubverband zur Verfügung stand und daß diese Fahrrinne frei von Hindernissen war.
Das Fehlen von Hindernissen, hier Kiesanhäufungen, innerhalb des Fahrwassers ergibt sich zum einen aus den vorliegenden Ergebnissen der im Abstand von 25 m gerade am Unfalltag, aber auch an den Tagen zuvor, erfolgten Querpeilungen, sowie aus dem Gutachten des Sachverständigen M. Er hat überzeugend dargelegt, daß am Unfalltag die ursprünglich nach dem Sinken des MS „METEOR II" auch im Bereich der vorliegenden Kollisionen vorhandenen Beeinträchtigungen der Fahrrinne wieder beseitigt waren, und daß die 25-mPeilungen für diesen Streckenbereich ein ausreichendes Maß an Genauigkeit gewährleisten, zumal für diesen Strombereich wegen der Erfahrungen mit der Geschiebe-Zugabe eine besonders gute Auswertungs- und Beurteilungsmöglichkeit gewonnen worden sei. In diesem Zusammenhang erscheint auch die Aussage des Sachverständigen besonders überzeugend, daß - wie sich aus den unterschiedlichen Querprofilen für die Zeit vor und nach dem Unfall ergibt - das Festfahren der Talfahrer nicht in der Fahrrinne, sondern im Bereich des Lautergrundes erfolgt ist. Anhand der 1,7-mTiefenlinie hat er dabei im einzelnen dargelegt, wie sich der Schraubenstrahl des MS H auf die Sohle des Stroms ausgewirkt und wo dieses Schiff - und die beiden nachfolgenden - sich festgefahren haben.

Da keine Verpflichtung der Beklagten bestand, neben der Kennzeichnung der M-Engstelle auch noch auf die durch den bekannten Lautergrund bedingte Einengung des Fahrwassers auf immer noch ausreichende mind. 70 m Breite hinzuweisen, kann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht festgestellt werden.

Der II. Zivilsenat des BGH hat mit Beschl. vom 11. März 1985 - II ZR 138/84 die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsobergerichts nicht angenommen und dazu kurz ausgeführt:
Die Feststellung des sachverständig beratenen Berufungsgerichts, daß die Fahrrinne im Unfallbereich keine Fehltiefen aufgewiesen hat und die Talfahrer sich jeweils auf dem Lautergrund festgefahren haben, ist verfahrensrechtlich fehlerfrei getroffen. Auch brauchte das in nautischen Fragen erfahrene Berufungsgericht nicht näher zu begründen, daß die von der Beklagten im Unfallbereich vorgehaltene Breite der Fahrrinne von 70 m ausreichend gewesen ist, nachdem zu diesem Punkt zwischen den Parteien in den Vorinstanzen kein Streit bestanden hat. Da die Klägerin nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht hat behaupten können, daß die Verengung des Fahrwassers im Bereich des Lautergrundes den Schiffsführern der unfallbeteiligten Fahrzeuge unbekannt gewesen sei, kommt es auf eine etwaige Hinweispflicht der Beklagten hierzu nicht an. Nachdem die Beklagte - unwidersprochen - die Länge des Begegnungsverbots erst nach Beratung und Absprache mit dem nautisch-technischen Ausschuß des Bundesverbands der Binnenschiffahrt festgelegt hat, ist - jedenfalls ohne näheren Vortrag der Klägerin - nicht ersichtlich, daß sie die Strecke des Begegnungsverbots schuldhaft zu kurz bemessen haben soll....“