Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur Ablehnung eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs - auch hinsichtlich der Abwehr von Schadensersatzansprüchen -, wenn bei einer Schiffskollision am eigenen Schiff (des Versicherungsnehmers) keine (nennenswerten) Schäden entstanden sind und der Gegner seine Ansprüche gerichtlich geltend macht.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Karlsruhe
vom 21.12.1999
- U 1/99 BSch -
(rechtskräftig)
(Schiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Die klagende Versicherungsgesellschaft macht einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend. Bei ihr ist das MS „A" der Schiffseignerin G, versichert. Zwischen dem vom Ehemann der Schiffseignerin geführten MS „A" und dem vom Beklagten Ziffer 2 geführten Schubverband der Beklagten Ziffer 1- bestehend aus MB „W" und der Schute „...", die an Backbord längsseits gekoppelt war - kam es am 25.11.1997 zu einer Kollision, bei der der Verband erheblich beschädigt wurde, während an MS „A" keine erwähnenswerten Schäden entstanden.
Auf Antrag des Beklagten Ziffer 2 wurde vor dem Schiffahrtsgericht Mannheim ein Verklarungsverfahren durchgeführt, bei dem sich die Klägerin und die Eheleute G. durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vertreten ließen. Dabei fiel für die Vernehmung eines von ihnen benannten Zeugen eine Entschädigung in Höhe von DM 250,00 an, die unmittelbar von der Klägerin an den Zeugen gezahlt wurde.
Von den Interessenten des MS „A" wurde der Sachverständige L zum Zweck der Besichtigung und Taxierung der umfangreichen Schäden bei MB „W" beauftragt und bei Reparaturvergabe durch die Beklagte Ziffer 1 eingeschaltet. Diese hatte die Schiffseignerin von MS „A" (und die dahinterstehende Klägerin) für die Schäden verantwortlich gestellt. Mit ihrer am 17.08.1998 eingereichten Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Ersatz folgender Aufwendungen, für die sie aufgrund des Versicherungsvertrages aufgekommen ist:
Rechtsanwaltsgebühren für die Durchführung des Verklarungsverfahrens, Sachverständigenkosten, verauslagte Zeugenentschädigung im Verklarungsverfahren, Gebühren für Akteneinsicht und Besprechungsgebühr.
Die Klägerin behauptet, die Besprechungsgebühr sei ausgelöst worden durch mehrere Besprechungen mit der Gegenseite über den eingetretenen Gesamtschaden. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Beklagte bereits in Verzug befunden. Die Beklagte schulde den Klagebetrag, da der Schiffsunfall auf das alleinige Verschulden des Beklagten Ziffer 2 zurückzuführen sei.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Die Geltendmachung eines materiell- rechtlichen Kostenerstattungsanspruches scheitert bereits daran, dass die Folgen der Schiffskollision vom 25.11.1997 ... Gegenstand des Rechtsstreits - 30 C 15/98 Schiffahrtsgericht Mannheim / U 2/99 BSch Schifffahrtsobergericht Karlsruhe - sind. Kosten einer kontradiktorischen Schadenstaxe sind ebenso wie solche eines Verklarungsverfahrens regelmäßig im Kostenfestsetzungsverfahren eines späteren Rechtsstreits als Kosten der Rechtsverfolgung abzurechnen (Senat Urteil vom 02.03.1993 - U 11/92 BSch - = NZV 1993, 441 m.w.N.).
Als die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 14.08.1998 Klage erheben ließ, konnte sie nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihrerseits keine Klage erheben werde, mit der sie ihre Schadensersatzansprüche aus der Schiffskollision geltend macht. Die Bewertung des Ergebnisses des durchgeführten Verklarungsverfahrens war unter den Parteien unterschiedlich. Die Klägerseite hielt sich nicht für ersatzverpflichtet, während die Beklagte sich Schadensersatzansprüche gegen Eigner und Schiffsführer von MS „A" berühmte. 2. Im übrigen kann ein auf Ersatz der Kosten eines Verklarungsverfahrens gerichteter materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch weder auf eine analoge Anwendung des § 91 ZPO oder des § 13 a FGG noch auf eine solche der §§ 485 ff, 494 a ZPO gestützt werden (vgl. Senat a.a.O.).
Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung scheitert daran, dass durch die Schiffskollision an MS „A" keine (nennenswerten) Schäden entstanden sind. Dies hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als Vertreter der Beteiligten Ziffer 2 - 4 im Verklarungsverfahren am 02.04.1998 ausdrücklich erklärt. Ferner ergibt sich dies aus den Ermittlungen der Wasserschutzpolizei....
Auch eine Haftung aus einem sonstigen Rechtsgrund ist nicht gegeben.
Da dem Versicherungsnehmer der klagenden Versicherung kein eigener unmittelbarer Schaden durch die Schiffskollision entstanden ist, er jedenfalls von dem gegnerischen Schiffsführer und Schiffseigner keinen Sachschadensersatz forderte, geht es bei den Aufwendungen der Klägerin bzw. ihres Versicherungsnehmers nicht um Rechtsverfolgungs-, sondern um Rechtsverteidigungskosten. Wenn in solcher Fällen - außerhalb eines Prozesses - eine Erstattungsfähigkeit von Kosten, die dem in Anspruch Genommenen entstehen - nicht gegeben ist, so ist dies hinzunehmen.
Das materielle Haftungsrecht weist insoweit keine „planwidrige Lücke" auf, die etwa durch eine entsprechende Anwendung der Kostenvorschriften der ZPO auszufüllen wäre; das materielle Recht strebt nämlich in keiner seiner Gestaltungsformen den lückenlosen Ausgleich der einem anderen zugefügten Vermögensnachteile an, sondern enthält auch sonst zahlreiche Fälle, in denen die Verursachung eines Schadens nicht zu einer Ersatzpflicht führt (BGH NJW 1988, 2032, 2034 m.w.N.).
Der Streit der Parteien im Berufungsverfahren, ob eine Besprechungsgebühr des Klägervertreters durch Besprechungen vor oder nach dem 30.07.1998 ausgelöst wurde, ist nicht entscheidungserheblich.
Die Behauptung, die Beklagte sei durch Schreiben vom 23.07.1998 unter Fristsetzung zum 30.07.1998 in Verzug gesetzt worden, übersieht, dass die Klägerin gerade keinen zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Sachschadensersatzanspruch gegen die Beklagten erhoben hatte, wegen dessen nicht rechtzeitiger Erfüllung die Beklagten hätten in Verzug geraten können. 3. Nach allem hat das Schifffahrtsgericht zu Recht die Klage abgewiesen, wobei im vorliegenden Rechtsstreit (anders als in dem Parallelrechtsstreit U 2/99 B Sch, in dem zugleich Urteil ergeht) offen bleiben kann, in welchem Verhältnis die jeweils Verantwortlichen für den allein bei dem Schubverband - bestehend aus MB „W" und der Schute „..." - entstandenen Schäden einzustehen haben.
Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens, das zu gegebener Zeit im Parallelrechtsstreit 30 C 15/98 / U 2/98 BSch durchzuführen sein wird, wenn eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung vorliegt, wird zu prüfen und zu entscheiden sein, inwieweit eine Erstattung der den Parteien im Rahmen des Verklarungsverfahrens entstandenen Kosten als „notwendigen Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung" im Sinne des § 91 ZPO erfolgen kann (vgl. Senat a.a.O.)… "
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr.6 (Sammlung Seite 1789 f.); ZfB 2000, 1789 f.