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Leitsatz:
Die Berücksichtigung eines Schrottwerts bei der Bemessung der Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH Gr. S. 167 vom 7. Dezember 1967, BFH 91, 93, BStBi 11 1968, 268) kommt jedenfalls auch dann nicht in Betracht, wenn bei Anlegung eines absoluten Maßstabes der Schrottwert nicht erheblich ins Gewicht fällt. Ein Schrottwert von 3600 DM ist kein in diesem Sinne bedeutender Restwert.
Urteil
des Bundesfinanzhofes
vom 22. Juli 1971
Zur Einführung:
Der Große Senat des BFH hatte in seinem Beschluss vom 7. Dezember 1967 (BSt. BI. 1968 Teil II S. 268 ff; s. auch ZfB 1968, S. 247 - Sammlung S. 25 -) entschieden, dass bei der Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ein Schrottwert dann berücksichtigt werden müsse, wenn, wie im allgemeinen bei Gegenständen von großem Gewicht oder aus wertvollem Material - "z. B. bei Schiffen" -, mit einem im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erheblich ins Gewicht fallenden Schrottwert zu rechnen sei.
In einem schon vor diesem Beschluss anhängig gewordenen finanzgerichtlichen Verfahren war streitig geworden, ob das Finanzamt (Beklagter und Revisionskläger) die AfA mit Recht nur bis zur Höhe des jeweiligen Schrottwertes zugelassen hatte. Bei den zum Schiffspark der klägerischen OHG gehörenden älteren und auf 1,- DM abgeschriebenen Schiffen handelte es sich u. a. um Motorschlepper, Barkassen, Leichter und Schuten. Für diese Schiffe wurden Schrottwerte von 400,- DM bis 3600,- DM angesetzt. Das Finanzgericht hob die Gewinnfeststellungsbescheide auf die Sprungberufung (jetzt Klage) der OHG auf, da weder bei Anlegung eines absoluten noch eines relativen, auf die Anschaffungskosten bezogenen Maßstabes den Schrottwerten ein erhebliches Gewicht zukomme. Die Revision des Finanzamtes blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Beschluss des Großen Senats ist im Schrifttum teilweise auf Kritik gestoßen (vgl. z. B. Littmarn, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl. § 7 Rdnr. 15; Hermann Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, § 7 EStG Anm. 26; zustimmend dagegen z.B. v. Wallis, DStZ, A 1968, 185). Der Senat braucht auf diese Kritik nicht näher einzugehen, da selbst bei Anwendung der Grundsätze des Großen Senats im Streitfall die AfA bis auf einen Erinnerungswert zulässig sind, die Vorentscheidung also im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die Vorinstanz hat nämlich nicht nur ein Anhalten der AfA beim Schrottwert aus systematischen Gründen überhaupt verneint, sondern sie hat darüber hinaus, und zwar in erster Linie, eine AfA bis zum Erinnerungswert hier auch deshalb für zulässig gehalten, weil den hier in Frage kommenden Schrottwerten kein erhebliches Gewicht zukomme.
Dem stimmt der Senat zu.
a). Der Große Senat hat zu der Frage, wann ein Schrottwert erheblich ins Gewicht fällt und deshalb bei der Bemessung der AfA zu berücksichtigen ist, im Einzelnen nicht Stellung genommen. Er hat allerdings zu erkennen gegeben, dass es hier in erster Linie auf eine relative Gewichtigkeit, nämlich auf das Verhältnis zwischen Schrottwert und Anschaffungs- oder Herstellungskosten ankomme. Der Senat ist der Auffassung, dass dieser relative Maßstab nicht das einzige Kriterium für die Gewichtigkeit eines Schrotwertes sein kann. Einen in diesem Sinne relativ hohen Schrottwert gibt es bei zahllosen Wirtschaftsgütern. Mit Sicherheit hat der Große Senat nicht alle diese Fälle miterfassen wollen. Das ergibt sich deutlich aus dem Hinweis auf die schematische Regelung der AfA in § 7 ESTG, die in der Regel auch zu einer vollen AfA führe, und aus dem Hinweis auf (besonders) schwere Gegenstände oder solche aus wertvollem Material. Der Senat ist deshalb der Meinung, dass von einem beträchtlichen Restwert nur gesprochen werden kann, wenn dieser auch absolut gesehen ins Gewicht fällt. Hiervon geht zum Teil auch die Finanzverwaltung selbst aus (vgl. ESt-Kartei der OFD München-Nürnberg, § 7 Karte 19, wonach ein erheblich ins Gewicht fallender Schrottwert bei Schiffen nicht anzunehmen ist, wenn er voraussichtlich weder mehr als 10 v. H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes noch mehr als 20000 DM betragen wird).
b) Das FG hat ausgeführt, dass die vom FA angesetzten und nicht als zu niedrig bemessen anzusehenden Schrottwerte sowohl im Verhältnis zu den Anschaffungskosten als auch absolut gesehen nicht erheblich ins Gewicht fielen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das FA mit Recht hiergegen vorbringt, bei Anlegung eines relativen Maßstabes müsse z. B. ein Schrottwert von 19 v. H. der Anschaffungskosten (wie bei einem der streitigen Leichter) als erheblich ins Gewicht fallend angesehen werden (bei mehreren der streitigen Fahrzeuge erscheint der Schrottwert auch im Vergleich zum Anschaffungswert gering). Die Auffassung des FG jedenfalls, dass die angesetzten Schrottwerte ihrer absoluten Höhe nach nicht Gewicht fallen, ist nicht zu beanstanden. Bei den 44 Schuten, auf die der Hauptanteil der Aktivierungen entfällt, liegen über 1500 DM. Aber auch die höchsten Schrottwerte aller in Betracht kommenden Fahrzeuge, nämlich 3600 DM beim Motorschlepper und 3250 DM bei einem der Leichter, bewegen sich noch nicht in einer Größenordnung, die bei einer sinnvollen, eine übermäßige Ausweitung vermeidenden Anwendung der vom Großen Senat entwickelten Grundsätze es verbieten würde, die für den Regelfall nach § 7 EStG geltende Aufteilung des Gesamtaufwandes auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer auch hier vorzunehmen. Nur ein bedeutender Restwert soll ausnahmsweise nicht in die Aufwandsverteilung eingeschlossen werden (v. Wallis, a.a.O.). Von einem bedeutenden Restwert kann aber schon der absoluten Höhe nach bei einem Schrottwert von 3600 DM nicht gesprochen werden.