Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Die Verbrennung von ausgemusterten Fahrzeugen, wobei verwertbare Teile ausgeschlachtet und an den Fahrzeugeigentümer zurückgegeben werden, ist nicht als Abfallbeseitigung im Sinne des Gesetzes über die Beseitigung von Abfällen vom 7. 6. 1972 in der Neufassung vom 5. 1. 1977 (Abf.G.) anzusehen.
Oberverwaltungsgericht Münster
Urteil
vom 22. März 1977
Zum Tatbestand:
Die Klägerin, der wegen Rauchbelästigung durch Ordnungsverfügung des Beklagten die Verbrennung von ausgemusterten Waggons der Deutschen Bundesbahn unter freiem Himmel verboten worden war, hat Anfechtungsklage erhoben, der auch stattgegeben worden ist. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
Da es sich um eine Anfechtungsklage handelt, ist auf die Rechtslage bei Erl. der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen, mithin das AbfG in seiner bisherigen Fassung anzuwenden; jedoch würde die Berücksichtigung der Neufassung des AbfG
Die Behandlung der ausgemusterten Eisenbahnwaggons durch die KI. stellt nicht die Beseitigung von Abfällen i. S. von § 1 Abs. 1 AbfG dar. Hiernach sind Abfälle i. S. d. AbfG bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will (subjektiver Abfallbegriff) oder deren geordnete Beseitigung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit geboten ist (objektiver Abfallbegriff).
Zweck und Ziel der Zerstörung der Waggons ist es nicht, sich von Abfällen zu entledigen, sondern wesentliche Wagenteile im Wert von - wie die Beigel. angegeben hat - etwa 60 000,- DM zurückzugewinnen. Dementsprechend wird in den dem Senat vorliegenden Verträgen zwischen der KI. und den Beigel. als Vertragsgegenstand die Zerlegung von Schienenfahrzeugen zur Gewinnung der noch „brauchbaren Teile", von „Ersatzteilen" bzw. von „Ersatzteilen, Werkstoffen und Schrott" angegeben.
Im vorliegenden Fall hat die Rückgewinnung der Radsätze usw. für die DB selbständige Bedeutung, da diese Teile einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen; sie können auch ohne größere Bearbeitung für andere Eisenbahnwaggons weiterverwandt werden. Auch in der übrigen Rechtsprechung wird ein Entledigungswille verneint, sobald der Gegenstand noch einer wirtschaftlich vernünftigen Verwendung zugeführt werden soll.
Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 7. 6. 1975 - VIII B 33/75 -, GewArch 1975, 277 für noch zu selektierende Gegenstände; OLG Koblenz, Beschluss v. 28. 7. 1975, aaO, für Schrott; BayObLG, Beschluss v. 9. 7. 1974, aaO, betr. Holzreste, die als Brennmaterial verwandt werden sollten: BayObLG, Beschluss v. B. 10. 1973, aaO, betr. Autowracks, die ausgeschlachtet werden sollten; BayObLG, Beschluss v. 5. 10. 1973 - 4 St 542/73 OWi -, NJW 1974, 156 hinsichtlich eines Autowracks, das zum Aufbewahren von Gegenständen benutzt wurde.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick darauf möglich, dass die Wagenoberteile weitgehend vernichtet werden. Ein Wille der DB, diese als Abfall zu beseitigen, kann nicht festgestellt werden. Einmal könnte es der DB auch hier um Schrottgewinnung gehen. Zum anderen ist aber bei der Beurteilung des Entledigungswillens von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen. Die DB übergibt die Wagen als ganze an die KI. Diese behandelt sie insgesamt. Der Senat verkennt nicht, dass Anlass für die Abgabe der Wagen durch die DB an die KI. der Umstand ist, dass es sich um ausgemusterte Wagen handelt, auf deren (Holz-)Aufbauten die DB - wie die KI. - keinen Wert legt, so dass sie verbrannt werden können. Gleichwohl kann auch hinsichtlich der zu verbrennenden Teile kein Wille zur Beseitigung als AbfaII festgestellt werden. Eine solche - nur auf die zu verbrennenden Teile abstellende - Betrachtungsweise würde der Tatsache nicht gerecht, dass das mit der angefochtenen Ordnungsverfügung beanstandete Abbrennen unter freiem Himmel gerade deshalb erfolgt, weil anderenfalls die zurückzugewinnenden Radsätze Schaden nehmen würden.
Auch bei der Prüfung, ob die geordnete Beseitigung einer Sache zur Wahrung des Wohles der Allgemeinheit geboten ist, muss es nach der Auffassung des Senats um die Beseitigung a1s Abf a ll gehen.
Ebenso OLG Koblenz, Beschluss v. 28. 7. 1975, aaO, Beschluss vom 27. B. 1975, aaO.
Ansonsten müssen die Belange der Allgemeinheit, insbesondere des Umweltschutzes, durch das Immissionsschutzrecht gewahrt werden. Eine Luftverunreinigung anlässlich eines Verbrennungsvorgangs besagt nichts darüber, ob Abfall beseitigt wird.
Die Rechtsprechung hat den objektiven Abfallbegriff noch nicht eindeutig geklärt. Überwiegend wird verlangt, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der kein Wertobjekt mehr darstellt - vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 28. 7. 1975, aaO; OVG Lüneburg, Beschluss v. 7. 6. 1975, aaO -, der keinem vernünftigen Zweck mehr dient und dem aus diesem Grunde - objektiv gesehen - kein Gebrauchswert mehr zukommt, wobei als Maßstab der bisherige Besitzer so BayObLG, Beschluss v. 9. 7. 1974, aaO; BayObLG. Beschluss v. B. 10. 1973, aaO; BayVGH, Urt. v. 3. 4. 1974 - Nr. 19 V 74 - S. 8 -
oder die Gesamtwirtschaft angesehen wird so für Schrott OLG Koblenz, Beschluss v. 28. 7. 1975, aaO; a. A. BayObLG, Beschluss v. 9. 7. 1974, aaO -.
Soweit auf den Wert für den Besitzer abgestellt wird, wird es als unerheblich angesehen, wenn gewisse Teile durch Einschmelzen oder - Ausschlachten Wiederverwendung finden können.
Vgl. BayObLG, Beschluss v. B. 10. 1973, aaO; OVG Lüneburg, Beschluss v. 7. 6. 1975; BayVGH, Urt. v. 14. 11. 1975.
Der vorliegende Fall verlangt keine allgemeine Klärung dieser Abgrenzungsfragen. Denn es bedarf keiner Darlegung und wird vom Bekl. auch nicht in Zweifel gezogen, dass die Radsätze usw. für die DB einen erheblichen Wert darstellen. Ob sie für die KI. den gleichen Wert verkörpern, ist unerheblich. Die DB bleibt auch während der Bearbeitung der Wagen durch die KI. mittelbarer Besitzer, wenn nicht sogar - im Hinblick darauf, dass die Anlage sich auf dem Gelände der DB befindet und diese einen Überwachungsbeamten entsendet - unmittelbarer Besitzer. Ferner ist festzustellen, dass die Radsätze auch wieder als solche für Eisenbahnwagen Verwendung finden, so dass es nicht darauf ankommt, ob auch dann der objektive Abfallbegriff unerfüllt bleibt, wenn die wirtschaftliche Wiederverwendung nicht beim Besitzer, sondern durch eine weitere Einbringung in den Wirtschaftskreislauf erfolgt, wie z. B. bei der Verwertung der sonstigen Eisenteile der Wagen als Schrott.