Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur vorschriftsmäßigen Einfahrt eines Talschleppzuges in das Neue Fahrwasser. Richtiges Nachsteuern von Kähnen im Schleppzug.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 27. Juni 1968
(Rheinschifffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Der der Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu 2 geführte Schlepper „S" schleppte auf der Talfahrt von Bingen mit 50-60 m langem Strang auf 1. Länge die beladenen Kähne „K" (backbords) und „A" (steuerbords) und auf 2. Länge den leeren Kahn „GK". Der Schlepper und die beiden Kähne auf 1. Länge waren mit Lotsen besetzt. Als der Schleppzug am Mäuseturm auf das Neue Fahrwasser zuhielt, geriet „K" auf die „Ko" vor der
Mäuseturminsel und erlitt erhebliche Schäden.
Die Klägerin als Versicherin von "K" verlangt aus übergangenem und übertragenem Recht Erstattung des Schadensbetrages von ca. 65 000 DM und behauptet, das Schleppboot habe den Kurs des Schleppzuges zu weit nach Backbord verlegt. Ein Versuch von „K", den falschen Kurs durch Legen des Ruders hart nach Steuerbord zu korrigieren, sei misslungen.
Die Beklagten bestreiten ein Verschulden. Die Kähne der 1. Länge hätten nicht ordnungsgemäß nachgesteuert. Zum Unfall könne auch die falsche Lage der Fahrwasserbegrenzungstonne vor der Mäuseturminsel beigetragen haben, die zu weit linksrheinisch gelegen habe. Diesem Vorbringen hat sich der Eigner von „A" als Streithelfer der Beklagten angeschlossen.
Die Vorinstanzen haben die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten und des Streithelfers blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Berufungsgericht stellt fest, SB "S" habe vor der Einfahrt in das Neue Fahrwasser seinen Kurs zu weit nach linksrheinisch verlegt und dadurch den Kahn "K" über die Ko vor der Mäuseturminsel gezogen. Das Boot habe so stark Kurs auf die linksrheinische Fahrwassergrenze genommen, dass es gerade noch an der Fahrwasserbegrenzungstonne vorbeigekommen sei. Entgegen der Meinung der Revision hat das Gericht seine Feststellung ohne Rechtsverstoß getroffen.
Das Berufungsgericht hält die Behauptung der Beklagten, die die Fahrrinne markierende Tonne am Mäuseturmriff sei am Unfalltage nicht ordnungsgemäß ausgelegt gewesen, für nicht bewiesen, sogar für widerlegt und stützt sich dabei auf die Auskünfte des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingerbrück vom 12. Februar 1965 und vom 10. März 1965.
Die Revision rügt die Übergehung des Antrags der Beklagten, eine erneute Auskunft des Amtes darüber einzuholen, ob die Tonne vor oder nach dem Unfalltage verlegt worden Ist und ob dabei ihre Lage verändert wurde, weil verschiedene Zeugen hierüber abweichende Angaben gemacht hätten. Auch diese Rüge greift nicht durch. Es kommt nicht auf die Lage der Tonne vor oder nach dem Unfall, sondern zur Zeit des Unfalls an. Für diesen Zeitpunkt gehen aber die Auskünfte des Wasser- und Schifffahrtsamtes ganz eindeutig dahin, dass die im Felsen verankerte Markierungstonne an der angegebenen Stelle gelegen hat und nicht nur dort liegen sollte. Die Beklagten haben behauptet, die Markierungstonne müsse üblicherweise scharf angefahren werden, um ins neue Fahrwasser zu gelangen. Die Revision rügt das Obergehen der Behauptung. Es kann dahinstehen, ob diese Behauptung richtig ist. Keinesfalls darf ein Boot seine Anhänge so stark oder so frühzeitig oder plötzlich nach linksrheinisch abziehen, dass ein Anhang die Klippen nicht frei fahren kann oder zum mindesten die Gefahr des Rakens entsteht. Ein solches fehlsames Abziehen ist im angefochtenen Urteil festgestellt. Durch den von der Revision hervorgehobenen Umstand, dass unmittelbar vor der Mäuseturminsel der Wasserschwall nach linksrheinisch gehe, wird die durch falsches Abziehen hervorgerufene Gefahr erhöht. Damit muss der Bootsführer rechnen. Dahinstehen kann, ob nicht die kurze Fahrtverminderung des Bootes zum Unfall beigetragen hat.
Da nach der Aussage B. das Boot „auf einmal" „auffällig" nach Backbord gezogen hat, hätten die Beklagten den Beweis führen müssen, dass die Kahnbesatzung auf diese fehlsame Fahrweise nicht rechtzeitig durch Legen des Ruders nach Steuerbord reagiert hätten. Nach der übereinstimmenden Annahme der vorinstanzlichen Richter ist ein solcher Beweis nicht geführt. Da im vorliegenden Fall ein Verschulden des Schleppzugführers feststeht, also die in BGHZ 27, 236 aufgestellten Grundsätze über den bei der vertraglichen Haftung vom Schleppzugunternehmer zu führenden Entlastungsbeweis keine Rolle spielen, braucht sich der Kahneigner für seinen Verantwortungsbereich nicht zu entlasten. Vielmehr verbleibt es bei der nach § 254 BGB geltenden Regelung, dass der Schädiger das Mitverschulden des Geschädigten zu beweisen hat.
Da ein nautischer Fehler der Kahnbesatzung nicht bewiesen ist, braucht die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass die Aussicht vom Steuerstuhl des Kahnes durch die Decklast beeinträchtigt worden sei, nicht erörtert zu werden."