Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur Frage, ob der Eigentümer eines Schiffes, das sowohl für den Einsatz auf Binnengewässern als auch auf hoher See bestimmt ist und regelmäßig verwendet wird, haftungsrechtlich nach den seerechtlichen Vorschriften oder nach den Bestimmungen des Binnenschiffahrtsgesetzes zu behandeln ist.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 17. April 1978
II ZR 6/76
(Landgericht Hamburg, Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Beim Ablegen eines der Beklagten gehörenden Schwimmkrans aus dem Bereich von 2 Containerbrücken der Klägerin im Hamburger Hafen wurde eine Containerbrücke beschädigt und die Beklagte im Instanzenzuge schließlich zum Ersatz des gesamten Schadens von ca. 235000,-- DM verurteilt. Es war im Prozeß u. a. zweifelhaft geworden, ob der Schwimmkran als See- oder als Binnenschiff anzusehen sei. Das Berufungsgericht hatte einen „Dauercharakter" als See- oder Binnenschiff nicht feststellen können und auch die Eintragung im Seeschiffsregister nicht als maßgebend angesehen, diese Entscheidung vielmehr auf den örtlichen Bereich des Einsatzes des Schwimmkranes z. Z. der Schadensverursachung abgestellt. Da dies der Hamburger Hafen als Binnengewässer gewesen sei, müsse das Binnenschiffahrtsgesetz Anwendung finden.
Der Bundesgerichtshof hat dieser Auffassung zugestimmt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Ob ein Schiff haftungsrechtlich als ein See- oder als ein Binnenschiff zu betrachten ist, richtet sich weder nach seiner Bauweise noch nach seiner Eintragung im Seeschiffs- oder im Binnenschiffsregister. Entscheidend hierfür ist seine regelmäßige Verwendung (BGHZ 25, 244, 246, 247; RG Gruch-Beitr. 38 S. 1143; Schaps/Abraham, Seerecht 4. Aufl. Vor § 476 HGB Rnr. 12; Vortisch/Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht 3. Aufl. BSchG § 1 Anm. 7 b). Das folgt aus dem Inhalt der §§ 484 HGB, 1 BinnSchG und des Art. 7 Abs. 1 EDHGB. Diese Vorschriften machen deutlich, daß der Verwendungszweck eines Schiffes dafür bestimmend ist, ob es als See- oder als Binnenschiff anzusehen ist. Demgemäß ändert sich die Haftungslage für ein Schiff, das seinem Eigentümer zum Erwerb durch die Seefahrt dient (§ 484 HGB) oder von ihm auch ohne Erwerbszweck zur Seefahrt verwendet wird (Art. 7 Abs. 1 EGHGB), nicht, wenn es eine sogenannte gemischte Reise durchführt, d. h. während der Reise sowohl die offene See als auch ein oder mehrere Binnengewässer befährt (vgl. BGHZ 8, 147, 154). Umgekehrt dürften die haftungsrechtlichen Bestimmungen des Binnenschiffahrtsgesetzes auf die gemischte Reise eines Schiffes anzuwenden sein, das von seinem Eigentümer zur Schiffahrt auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern verwendet wird (§ 1 BinnSchG), was allerdings nicht unbestritten ist (vgl. Mittelstein, Das Recht der Binnenschiffahrt S. 19/20; Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht 2. Aufl. S. 46; Prüssmann, Seehandelsrecht Einf. z. 4. Buch Anm. C 2 b aa). Ferner besteht im Schrifttum keine einhellige Meinung, welche Vorschriften heranzuziehen sind, wenn ein Seeschiff gelegentlich eine reine Binnenreise oder ein Binnenschiff vereinzelt eine ausschließliche Seereise durchführt (vgl. hierzu Schaps/Abraham aaO Rnr. 14 m. w. N.).
Indes bedarf das alles keiner weiteren Erörterung, weil es im Streitfall um ein Fahrzeug geht, das nach dem angefochtenen Urteil sowohl für den Einsatz auf Binnengewässern als auch auf offener See bestimmt war und regelmäßig verwendet wurde. Einem solchen Fahrzeug fehlt der Grundcharakter als See- oder als Binnenschiff. Für die Beurteilung der Frage, ob ein derartiges Fahrzeug haftungsrechtlich nach den seerechtlichen Vorschriften oder nach denen des Binnenschiffahrtsgesetzes zu behandeln ist, kann dieser daher nichts hergeben. Hingegen bietet sich insoweit als Anknüpfungspunkt der Charakter der einzelnen Reise an oder, wo eine solche noch nicht angetreten oder schon beendet ist, der Einsatz- oder der Liegeort des Fahrzeugs. Hierfür spricht insbesondere, daß nach dem Grundgedanken der §§ 484 HGB, 1 BinnSchG sowie des Art. 7 Abs. 1 EGHGB die von dem Eigentümer bestimmte Verwendung des Schiffes auch für die
Haftungsfrage entscheidend sein soll. Hier lag es nun so, daß der Schwimmkran M, als er gegen den Ausleger der Containerbrücke geriet, sich auf der Fahrt zu einem Einsatz im Hamburger Hafen befunden hatte. Seine Fahrt hatte demnach den Charakter einer Binnenreise.
...“