Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur Rechtswirksamkeit des Haftungsausschlusses in Geschäftsbedingungen der Werften.
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5. Juli 1965
II ZR 35/63
(Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin gehörende Kühlschiff geriet bei Aussenhaut-Reparaturen auf der Werft der Beklagten in Brand. Gegenüber der Klage auf Schadensersatz berief sich die Beklagte u. a. auf die Freizeichnung von jeder Haftung in ihren Dock- und Reparaturbedingungen, in denen es heißt:
„Die Werft haftet für keinerlei Schaden, den das Schiff nebst Ladung aus Anlaß der beabsichtigten Dockung beim Docken, während der Dockliegezeit oder durch die am Schiff auszuführenden Arbeiten bis zur Ablieferung erleidet oder anrichtet. Für Bewachung und Versicherung hat das Schiff selbst zu sorgen."
Die Klage blieb in allen 3 Instanzen erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat die Vereinbarung über den Haftungsausschluß in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 38, 183; ferner zu den Werftbedingungen BGH Hansa 1954, 553; BGH NJW 1962, 1195 = MDR 1962, 544) dahin ausgelegt, daß sie keine Freizeichnung vom eigenen groben Verschulden der Organe der Werft und ihrer leitenden Angestellten bewirken könne. Dagegen ist der Haftungsausschluß für Verschulden von Arbeitern oder nicht leitenden Angestellten ohne Rücksicht auf eine Monopolstellung des Unternehmens für wirksam angesehen worden (BGHZ 33, 216). Der Senat hat für die Zulässigkeit dieser Freizeichnung für entscheidend erachtet, ob die sich den Bedingungen Unterwerfenden sich gegen Schäden versicherungsmäßig abdecken können und dies normalerweise auch tun. Nach diesen Grundsätzen, an denen festzuhalten ist, hat das Berufungsgericht die Freizeichnung vom Verschulden der nicht leitenden Werftangestellten und Arbeiter für wirksam erachtet ohne Rücksicht darauf, daß die Versicherung des Schiffs nur den Kaskoschaden, nicht aber auch Nutzungsverluste umfaßt. Die begrenzte Freizeichnung widerspricht, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, trotz des eingeschränkten Versicherungsschutzes nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben.
Nachlässigkeiten und Versehen von Angestellten und Arbeitern, die auch in einem ordnungsmäßigen Betrieb nicht völlig zu unterbinden sind, bringen hier wegen der Feuergefährlichkeit der Arbeiten besonders große Risiken mit sich. Diese werden nicht in unbilliger Weise verteilt, wenn der Unternehmer nur für die Bereitstellung eines ordnungsgemäß geleiteten und überwachten Betriebes einsteht, der Auftraggeber sich im übrigen durch eine Kaskoversicherung schützt und es ihm überlassen bleibt, regelmäßig nicht versicherbare Schäden, wie z. B. den Nutzungsverlust, durch bordeigene Löscheinrichtungen und Überwachung der Arbeiten zu vermeiden.
Das Berufungsgericht verneint ein grobes Verschulden der Organe der Beklagten und ihrer leitenden Angestellten.
Die Aufstellung einer ausreichend besetzten Werksfeuerwehr allein genügte allerdings nicht, um der Pflicht zur Sicherung der in Obhut genommenen Schiffe vor Brandschäden Genüge zu leisten. Vielmehr muhte auch der richtige Einsatz der Werksfeuerwehr gewährleistet sein. Die Werftleitung muhte daher sicherstellen, daß die Werksfeuerwehr durch Meldung der Betriebsangehörigen und eigene Kontrollen Kenntnis von der Ausführung feuergefährlicher Arbeiten erlangte, damit sie die nötigen Verhütungsmaßnahmen treffen konnte. Das Berufungsgericht hat nicht festzustellen vermocht, daß in dieser Hinsicht Mängel bei der Beklagten bestanden haben, die für den Schaden ursächlich gewesen sein könnten. Die Brennarbeiten waren auch dem Leiter der Werksfeuerwehr gemeldet worden. Während der Nachtschicht waren auch ausreichende Wachen (2 Mann bei jedem Brenner) gestellt und außerdem ein Schlauch unter Wasserdruck bereitgestellt sowie der Kontrollgang unter Wasser gesetzt worden. Wenn am folgenden Morgen nur ein Beobachtungsposten der Werksfeuerwehr abgestellt wurde, so beruht dies darauf, daß ihrem Leiter irrtümlich die Beendigung der Brennarbeiten gemeldet worden war. Eine Anordnung der Werftleitung, feuergefährliche Arbeiten an Schiffen dürften nur mit schriftlicher, etwa nur für eine Schicht wirksamer Genehmigung des Werkschutzleiters durchgeführt werden, ist nicht zu fordern. Die Unfallverhütungsvorschriften, die für die Übertragung der Pflichten des Unternehmers auf andere Betriebsangehörige schriftliche Erklärungen vorsehen, können nicht für die Beurteilung eines Organisationsverschuldens herangezogen werden, weil sie die Festlegung der Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Pflichten aus der Unfallversicherung betreffen. Bei Tankschiffen, auf die die Revision verweist, mögen wegen der nicht ohne weiteres erkennbaren Gasrückstände besondere Vorsichtsmaßnahmen von der Werftleitung vorzuschreiben sein. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Werftleitung es unterlassen hat, die Einhaltung der von den Unfallverhütungsvorschriften vorgeschriebenen Brandverhütungsmaßnahmen allgemein sicherzustellen und zu überwachen.
Wenn diese Malinahmen hier nicht ausgereicht haben, um den Brand zu verhüten, so beruht dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf dem Verhalten nicht leitender Angestellter und Arbeiter der Beklagten.
Die Zuziehung der Werftfeuerwehr und die Überwachung der nötigen Verhütungsmaßnahmen bei Schweißarbeiten war Sache desjenigen, der die Arbeiten anordnete. Das war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Schiffsbaumeister H. Er kann ebensowenig wie die weiteren für die Ausführung der Arbeiten eingesetzten Personen zu den leitenden Angestellten gerechnet werden (vgl. BGH LM HGB § 559 Nr. 2; RG HansRGZ 1931, B 4515 für einen Betriebsingenieur). Soweit sein Verhalfen oder etwaige Versehen der weiteren mit den Arbeiten und ihrer Überwachung befaßten Personen in Betracht kommen (wie z. B. die irrtümliche Meldung der Beendigung der Brennarbeiten, der fehlende Hinweis auf die gleichzeitige Abnahme der Korkisolierung mit Staubentwicklung auf der anderen Seite des Schiffs, die Unterlassung der Abdeckung der nicht dicht schließenden Trennwand zum Laderaum, oder der nicht ordnungsgemäße Schlauchanschluß ist die Beklagte wirksam freigezeichnet."