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Leitsatz:
Der Unterfrachtführer und dessen Schiffer können sich gegenüber dem Absender in der Regel auf haftungsbeschränkende oder bestimmte Fristen (z. B. Rügefrist, Verjährungsfrist) verkürzende Klauseln in den Geschäftsbedingungen des Hauptfrachtführers berufen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 28. April 1977
(Schifffahrtsgericht Mannheim; Schifffahrtsobergericht Karlsruhe)
Zum Tatbestand:
Die Sache war bereits einmal Gegenstand der Revision - s. Urteil des BGH vom 21. 10. 1971, II ZR 157/69 (ZfB 1972 S. 19) -. Es geht in erster Linie noch um die Entscheidung der Frage, ob sich Unterfrachtführer und Schiffer (Beklagte zu 2 und 3) auf die Haftungserleichterungen hier eine verkürzte Verjährung von 3 Monaten - mit Erfolg berufen können, die in den Übernahmebedingungen des Hauptfrachtführers (frühere Beklagte zu 1) bei ihrem Abschluss eines Transportvertrages mit der Klägerin enthalten waren. Weil der Ladungsschaden - durch Chemikaliengeruch verdorbener Rohtabak - erst nach 5 Monaten gerichtlich geltend gemacht worden war, wurde die Klage gegen die Beklagte zu 1 rechtskräftig abgewiesen. Die Revision gegen das gleichfalls klageabweisende Berufungsurteil bezüglich der Ansprüche gegen die Beklagten zu 2 und 3 führte zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht, weil gemäß dem Sachvortrag nach den Übernahmebedingungen der Beklagten zu 1 für Transporte, welche die Beklagte zu 1 durch dritte ausführen lasse, deren angebliche Bedingungen (also der Beklagten zu 2 mit sechsmonatiger Verjährung) Anwendung fänden.
Im neuen Berufungsverfahren wurde festgestellt, dass die Beklagte zu 2 bei Abschluss des Transportvertrages keine eigenen Geschäftsbedingungen hatte. Das Berufungsgericht war ferner nach eingehender Beweiserhebung zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Beklagten zu 2 und 3 kraft Handelsbrauchs auf die in den Übernahmebedingungen der Beklagten zu 1 enthaltenen Haftungserleichterungen berufen können.
Die Berufung der Klägerin wurde daher erneut zurückgewiesen. Die Revision blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat hat unter Ziffer 4 der Entscheidungsgründe des ersten Revisionsurteils ausgeführt, es könne nicht angenommen werden, dass die Klägerin und die frühere Beklagte zu 1 stillschweigend zu Gunsten der Beklagten zu 2 und 3 vereinbart hätten, auch diese könnten sich auf die Verjährungsregelung in den Übernahmebedingungen der Hauptfrachtführerin berufen; dem stehe entgegen, dass es in Absatz 2 der genannten Bedingungen heiße, „soweit wir Transporte ... durch dritte Unternehmungen ... ausführen lassen, gelten deren Bedingungen ...". Dabei ist der Senat, wie die Erörterungen in Ziffer 5 der damaligen Entscheidungsgründe zeigen, davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 2 - zum Zeitpunkt der Durchführung des ihr von der früheren Beklagten zu 1 übertragenen Transports - ebenfalls allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet hat. Das war jedoch, wie sich bei der anderweiten Verhandlung der Sache durch das Berufungsgericht ergeben hat, nicht der Fall. Damit geht es insoweit um einen gegenüber dem ersten Revisionsurteil geänderten Sachverhalt. In diesem Punkt kommt daher eine Bindungswirkung dieses Urteils (vgl. § 565 Abs. 2 ZPO) nicht in Betracht (BGHZ 22, 370, 374). Demnach ist der Senat befugt, erneut zu prüfen, ob sich die Beklagten zu 2 und 3 gemäß § 328 ZPO auf die in den Übernahmebedingungen der früheren Beklagten zu 1 vorgesehene dreimonatige Verjährungsfrist berufen können. Das ist nunmehr zu bejahen, so dass die Klage wegen Verjährung des Klageanspruchs auch gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 abzuweisen ist. Im Einzelnen:
Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 7. Juli 1960 - (II ZR 209/58*), LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 11 = VersR 1960, 727 ff. näher ausgeführt hat, kann durch Vertrag zu Gunsten eines Dritten auch abgesprochen werden, dass dieser gegenüber einem der Vertragschließenden bestimmte Einreden geltend machen kann. Die Abrede kann ausdrücklich oder stillschweigend getroffen werden und nach dem Willen der Vertragschließenden beispielsweise dahin gehen, dass sich der Dritte auf haftungsbeschränkende oder bestimmte Fristen verkürzende Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des einen Vertragschließenden gegenüber der anderen Vertragspartei berufen kann. Das wird in der Regel dann anzunehmen sein, wenn der Vertragszweck (vgl. § 328 Abs. 2 BGB) oder die Interessenlage es naheliegend, vernünftig und sachgerecht erscheinen lassen, dass diese Klauseln auch dem Dritten zugute kommen sollen.
So ist es hier. Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Frachtführer, die deren Haftung beschränken oder den Lauf bestimmter Fristen (Rügen, Verjährung) verkürzen, sollen dem Interesse der Frachtführer Rechnung tragen, ihre Haftung innerhalb bestimmter sachlicher und zeitlicher Grenzen zu halten und es ihnen dadurch ermöglichen, der Verladerseite niedrige Frachtraten anzubieten. Diese hin wiederum ist an derartigen Raten besonders interessiert und zieht es vor, sich durch den Abschluss einer Transportversicherung gegen das jeweilige Transportrisiko abzusichern. Das verschafft ihr vielfach einen schneller und sicherer zu verwirklichenden Ersatzanspruch, als wenn sie sich bei einer Beschädigung oder einem Verlust des Frachtgutes an den Frachtführer oder seine Leute halten müsste. Sie nimmt daher in aller Regel die Haftungslage hin, wie sie sich aus den Geschäftsbedingungen der Frachtführer ergibt. Nun führt aber in der Binnenschifffahrt der (Haupt-)Frachtführer den ihm übertragenen Transport oftmals nicht selbst durch, sondern überläßt das einem anderen (Unter-) Frachtführer, wobei es sich, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, größtenteils um Partikulierschiffer handelt. Das Entgelt des Unterfrachtführers besteht dann regelmäßig aus der zwischen dem Hauptfrachtführer und dem Verlader vereinbarten Fracht abzüglich einer Provision für den Hauptfrachtführer. Da aber diese Fracht auch an der Haftungslage zwischen Hauptfrachtführer und Verlader ausgerichtet ist, erscheint es billig und sachgerecht, hierin den Unterfrachtführer (sowie dessen Schiffer) einzubeziehen, sofern dieser sich nicht (und damit auch sein Schiffer) auf eigene haftungsbeschränkende oder fristverkürzende Klauseln berufen kann. Nach vernünftiger Betrachtungsweise muss deshalb angenommen werden, dass der Wille der Parteien eines (Hauet-) Frachtvertrages über einen Binnenschiffstansport regelmäßig dahin geht, Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Frachtführers, die dessen Haftung sachlich oder zeitlich einschränken, auch dem Unterfrachtführer und dessen Schiffer zugute kommen zu lassen (vgl. auch BGH a.a.G.). Dass im Streitfall wegen der Verweisung in Absatz 2 der Übernahmebedingungen der früheren Beklagten zu 1 etwas anderes gelten soll, ist mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte zu 2 keine eigenen Geschäftsbedingungen hat, zu verneinen.
Danach kommt es auf die vom Berufungsgericht bejahte Frage, ob die sich aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Hauptfrachtführers ergebende Haftungslage kraft Handelsbrauchs auch
für den Unterfrachtführer und dessen Schiffer gilt, und die berechtigten Bedenken der Revision hiergegen nicht mehr an."