Jurisprudentiedatabank
Leitsätze:
1) Mit der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers ist es nicht zu vereinbaren, wenn er nässeempfindliche Chemikalien (hier; Kalkammonsalpeter) in einem Raum befördert, dessen Querwände (Schotten) nicht völlig wasserdicht sind.
2) Die Regelung, dass die Verjährung von Ansprüchen gegen den Frachtführer wegen Verlustes des Frachtgutes mit dem Ablauf des Tages beginnt, an weichem er das Gut hätte abliefern müssen, ist nicht anzuwenden, soweit er in seiner Eigenschaft als Schiffseigner oder als Schiffsführer in Anspruch genommen wird.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 26. Mai 1975
II ZR 21/74
(Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schifffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Der Beklagte als Eigner und Schiffer hatte am 21. Mai 1970 mit seinem MS „FH" 700 t Kalkammonsalpeter übernommen, die er im Auftrag der Klägerin von Ludwigshafen nach Brake befördern sollte. Als sein Schiff bei Rhein-km 803 von MS „K" gerammt und beschädigt wurde, lief Raum IV mit Wasser voll. Infolge undichter Laderaumschotten drang das Wasser auch in die Räume III und V. Die Ladung in diesen Räumen geriet daher ebenfalls in Verlust.
Mit der Klage wurde vom Beklagten Zahlung eines Betrages von ca. 63 500,- DM für den Ladungsverlust in den beiden leztgenannten Räumen verlangt, weil er ein fahruntüchtiges Schiff vorgelegt habe und die Laderaumschotten zwischen Raum IV und den Räumen lil und V nicht dicht gewesen seien.
Der Beklagte beruft sich darauf, dass sich in den Schotten nur jeweils unmittelbar unter dem Gangbord kleine, durch die Bauweise des Schiffes bedingte Öffnungen befunden und die selbst bei voller Abladung noch oberhalb der Wasserlinie gelegen hätten, wie sich auch aus dem Tauglichkeitsattest ergebe. Außerdem hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Schifffahrts- und Schifffahrtsobergericht haben die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
... hat der Beklagte gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers (§ 7 Abs. 1 BinnSchG) schon dadurch verstoßen, dass er die nässeempfindliche Ladung in Räumen untergebracht hat, deren Schotten nicht vollständig wasserdicht waren. Damit bestand die Gefahr (die sich alsdann auch verwirklicht hat), dass beim Leckwerden eines Laderaumes (durch Raken, infolge einer Kollision oder aus anderen Gründen) des mit mehreren Laderäumen ausgestatteten MS „FH" das Wasser von dort in die angrenzenden Räume eindringen und zum Verlust der darin gestauten Teile der Ladung führen werde. Dabei wäre es, wie auch von der Revision nicht bezweifelt werden kann, ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, die durch die Bauweise des MS „FH" bedingten - dem Beklagten bekannten - Öffnungen an den Stoßstellen Gangbord/Außenhaut/Schott nachträglich zu verschließen und so die Laderaumschotten dicht zu machen.
Dass das unterblieben und deshalb ein Teil der in die Obhut des Beklagten gegebenen Ladung in Verlust geraten ist, gereicht diesem auch zum Verschulden. Daran ändert entgegen der Ansicht der Revision nichts, dass nach den Vorschriften des Germanischen Lloyd für Klassifikation und Bau von stählernen Binnenschiffen „Laderaumschotte nur im unteren Drittel der Seitenhöhe wasserdicht sein sollen" und dass nach Art. 21. Nr. 2 RheinSchUO nicht ausdrücklich festgelegt ist, bis zu welcher Höhe diese hinaufgeführt sein müssen (anders Art. 28 a RheinSchUO für die Schotten der Fahrgastschiffe). Ferner kann es den Beklagten in diesem Zusammenhang nicht entlasten, dass bei den periodischen Untersuchungen des MS „FH" die Öffnungen am oberen Ende der Laderaumschotten nicht beanstandet worden sind und ihm am 20. Januar 1970 erneut ein bis zum 1. Dezember 1972 laufendes Tauglichkeitsattest für das Fahrzeug erteilt worden ist. Denn für die Frage, wie die einzelnen Räume beschaffen sein mussten, in denen er die ihm zum Transport mit MS „Frisches Haff anvertraute nässeempfindliche Ladung unterzubringen hatte, besagen die erwähnten Vorschriften und der Inhalt des Tauglichkeitsattestes nichts. Danach ist aber ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten als Schiffer (§ 7 Abs. 1 und 2 BinnSchG) als Eigner (§§ 3, 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 BinnSchG) des MS „FH" wegen des Verlustes der Ladung in den Räumen 111 und V dieses Fahrzeuges gegeben.
Dieser Anspruch ist nicht verjährt. Allerdings ist es richtig, dass die Verjährungseinrede des Beklagten durchgreifen würde, wenn die für das Frachtgeschäft geltenden §§ 26 BinnSchG, 439, 414 HGB anzuwenden wären. Das ist jedoch mit den Vorinstanzen zu verneinen, weil sich die Verjährung von Forderungen gegen den Schiffseigner oder gegen den Schiffsführer, auch wenn sie zugleich Frachtführer gewesen sind, nach § 117 Nr. 7, § 118 BinnSchG a. F. (ab 6. September 1972 nach § 117 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2, § 118 BinnSchG n. F.) und nicht nach den genannten frachtrechtlichen Bestimmungen richtet. Grundsätzlich gilt für die Verjährung eines aus einer bestimmten Norm hergeleiteten Anspruchs die dieser Norm zugeordnete Verjährungsvorschrift. Hiervon kann allerdings eine Ausnahme in Betracht kommen, wenn sich der Anspruch auch auf eine weitere Norm stützen lässt, für die eine andere Verjährungsregelung eingreift und sich aus dem gesetzgeberischen Zweck dieser Regelung ergibt, dass sie den Anspruch unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage ergreifen soll. So liegt es hier jedoch nicht. In beiden Fällen beträgt die Verjährungsfrist im Interesse einer alsbaldigen Schadensregelung nur ein Jahr. Unterschiedlich ist lediglich der Zeitpunkt, von dem ab die Verjährungsfrist jeweils zu laufen beginnt. Während dies bei der frachtrechtlichen Haftung der Zeitpunkt ist, an welchem die Ablieferung (des beschädigten oder geminderten Gutes) stattgefunden hat oder (bei Verlust oder verspäteter Ablieferung) hätte bewirkt sein müssen, läuft die Verjährungsfrist bei der schifffahrtsrechtlichen Haftung ab dem Schlusse des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Binnenschifffahrtsgesetzes in Kauf genommen. Das zeigt sein Hinweis darauf, dass § 58 BinnSchG („Der Frachtführer haftet für den Schaden, welcher seit der Empfangnahme bis zur Ablieferung durch Verlust oder Beschädigung des Frachtgutes entstanden ist, sofern er nicht beweist, ... ") in die Regelung der §§ 117, 118 BinnSchG nicht mit einbezogen werde (vgl. den Entwurf eines Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt, Reichstagsdrucksache Nr. 81 9. Legislatur-Periode III. Session 1894/95, Achter Abschnitt der Begründung). Offenbar wollte er damit die Ansprüche gegen den Frachtführer in der Binnenschifffahrt mit denen gegen den Landfrachtführer verjährungsrechtlich gleichbehandeln (vgl. auch Art. 408 Abs. 3, Art. 386 Abs. 2 ADHGB), wogegen er den Lauf der Verjährungsfrist für die sich aus dem Betrieb eines Schiffes gegen den Eigner und den Schiffer ergebenden Forderungen zu einem Zeitpunkt beginnen lassen wollte, welcher bereits der schon damals in Aussicht genommenen Regelung des späteren § 201 BGB entsprach. Mit Rücksicht darauf verbietet es sich, die Vorschriften der §§ 26 BinnSchG, 439, 414 Abs. 2 HGB auf einen Fall der vorliegenden Art anzuwenden.