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Leitsatz:
Zur Drittschadensliquidation bei einem Versendungskauf, wenn die Sache während eines Binnenschiffstransports beschädigt worden ist und der Käufer jedenfalls als Ladungsempfänger seinen Schaden gegen den Schiffsführer (§ 7 Abs. 2 BinnSchG) und den Schiffseigner (§§ 3, 4 BinnSchG) selbst geltend machen kann.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 9. Juli 1979
II ZR 202/77
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin verkaufte von Rotterdam 600 to Gelbmais an die B-Werke und übertrug den Transport nach Wiesbaden der Fa. C. Diese schaltete die Fa. D. als Unterfrachtführer, letztere die Fa. E. als weiteren Unterfrachtführer und diese weiterhin die Beklagte zu 1 ein, mit deren MS M der Beklagte zu 2 als Schiffsführer die Beförderung durchführte.
Wegen der bei Ankunft des Schiffes am Löschort festgestellten Nässeschäden verlangt die Klägerin - aus eigenem und abgetretenem Recht der B-Werke und der Fa. C. - rd. 44 0000,- DM Schadensersatz, weil die Laderäume des MS M seit Beginn der Reise undicht gewesen seien. Sie führe den Rechtsstreit auch mit Zustimmung der Fa. G., die - unstreitig - den Transport der Partie versichert und den Schadensbetrag bereits an die B-Werke gezahlt hatte.
Nach Ansicht der Beklagten hat die Klägerin keine unmittelbaren Rechtsansprüche, weil diese den vollen Kaufpreis von den B-Werken erhalten habe, deren etwaige Schadensersatzansprüche gemäß § 67 VVG auf die Fa. G. übergegangen seien. Diese Ansprüche könne die Klägerin nicht geltend machen, weil ihr insoweit ein eigenes Interesse fehle. Mangels vertraglicher Beziehungen habe auch die Fa. C. als Hauptfrachtführerin gegen die Beklagte zu 1 keinen Schadensersatzanspruch. Für den Nässeschaden, der durch Grundberührung kurz vor Ende der Reise entstanden sei, hafteten die Beklagten wegen Freizeichnung nicht. Der Klageanspruch sei auch verjährt.
Das Schiffahrtsgericht hat den Anspruch dem Grunde nach anerkannt. Das Schiffahrtsobergericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision wurde zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
1. Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 aus Vertrag (vgl. § 58 Abs. 1 BinnSchG) kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil ein solcher zwischen ihnen nicht bestanden hat. Insoweit hat das Berufungsgericht rechtlich fehlerfrei ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, daß die Beklagte zu 1 in den Frachtvertrag zwischen der Klägerin und der Fa. C. eingetreten sei (vgl. § 26 BinnSchG, § 432 Abs. 2 HGB).
2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es auch zu keinen frachtvertraglichen Beziehungen zwischen der Fa. C. und der Beklagten zu 1 gekommen. Demnach läßt sich der Klageanspruch auch nicht auf die Abtretung vertraglicher Schadensersatzansprüche der Erstgenannten gegen die Beklagte zu 1 stützen.
3. Aus dem Fehlen eines Frachtvertrages zwischen der Klägerin bzw. der Fa. C und der Beklagten zu 1 folgt außerdem, daß jene nicht nach § 7 Abs. 2 BinnSchG von dem Beklagten zu 2 Schadensersatz verlangen können (wofür die Beklagte zu 1 als Eigner des MS M gemäß §§ 3, 4 BinnSch,G einzustehen hätte).
Zwar haftet nach dieser Vorschrift der Schiffer den Ladungsbeteiligten (Absender und Empfänger) für jeden Schaden, den er ihnen durch Vernachlässigung seiner Dienstobliegenheiten zufügt. Jedoch sind die Klägerin bzw. die Fa. C mangels frachtvertraglicher Beziehungen zu der Beklagten zu 1 auch im Verhältnis zu dem Beklagten zu 2 keine Ladungsbeteiligten gewesen.
4. Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 wegen Verletzung des Eigentums der Klägerin an der Partie Gelbmais (§ 823 Abs. 1 BGB; auch hierfür hätte die Beklagte zu 1 nach §§ 3, 4 BinnSchG zu haften) scheitern jedenfalls daran, daß die B-Werke-GmbH, die als Käuferin der Partie (fob Rotterdam) die Gefahren des Transports von Rotterdam nach Wiesbaden zu tragen hatte (§ 447 Abs. 1 BGB), Ende Oktober 1974 den vollen Kaufpreis an die Klägerin gezahlt hat, somit dieser durch die Beschädigung der Güter im Ergebnis kein Schaden entstanden ist.
5. Richtig ist, daß beim Versendungskauf (§ 447 BGB) dem Verkäufer die Befugnis zugebilligt wird, den Schaden des Käufers aus einer Beschädigung oder Zerstörung der Sache während des Transports gegen den Schädiger im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen (BGHZ 40, 91, 100/101; 51, 91, 93; von Caemmerer, Das Problem des Drittschadensersatzes in Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins 1964, 341, 362). Dem liegt der Gedanke zugrunde, es würde zu einem untragbaren Ergebnis führen, „daß der Verkäufer keinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger hat, weil er wegen des ihm gegen den Käufer zustehenden Kaufpreisanspruchs keinen Schaden erleidet, dem Käufer aber auch kein Schadensersatzanspruch zusteht, weil er nicht Träger der Rechtsposition des § 823 Abs. 1 BGB ist" (BGHZ 49, 356, 361). Indes ist der Streitfall durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß die B-Werke-GmbH. zwar als Käuferin der während des Transportes von Rotterdam nach Wiesbaden beschädigten Partie Gelbmais keinen Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB von dem Beklagten zu 2 - sofern ihn an dem Schaden ein Verschuld trifft - verlangen kann, ein solcher Anspruch ihr jedoch als Empfängerin der Güter nach § 7 Abs. 2 BinnSchG gegen ihn zusteht. Im Ergebnis führt demnach hier das Auseinanderfallen von Rechtsposition (Eigentum) und Risiko (Beförderungsgefahr) beim Versendungskauf nicht zu einer untragbaren Bevorzugung des Schädigers zu Lasten des geschädigten Käufers. Dann ist es aber nicht gerechtfertigt, der Klägerin als Verkäuferin der Partie Gelbmais die Befugnis einzuräumen, den Schaden der Käuferin im Wege der Drittschadensliquidation gegen den Beklagten zu 2 zu verfolgen (vgl. auch Hagen, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik S. 117).
6. Nach den rechtlich einwandfreien Ausführungen des Berufungsgerichts hat die B-Werke-GmbH. ihren Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten (§ 7 Abs. 2, §§ 3, 4 BinnSchG) an die Klägerin erst abgetreten, als der Anspruch bereits nach § 67 VVG auf die Fa. G. übergegangen war. Dieser Übergang war wirksam, selbst wenn er durch § 27 der Konnossements- und Übernahmebedingungen der Fa. E. ausgeschlossen gewesen sein sollte (BGHZ 65, 364 f.). Demnach kann die Klägerin den Klageanspruch auch nicht auf einen - etwaigen - Schadensersatzanspruch der B-Werke-GmbH. stützen.
7. Es kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, daß die Fa. G. sie ermächtigt hat, den Rechtsstreit für diese im eigenen Namen zu führen (was nicht unzweifelhaft ist). Trotzdem liegen insoweit nicht die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozeßstandschaft seitens der Klägerin vor. Denn es ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht ersichtlich, welches eigene Interesse die Klägerin daran haben soll, einen - etwaigen - nach § 67 VVG auf die Fa. G. übergegangenen Schadensersatzanspruch für diese gegen die Beklagten gerichtlich zu verfolgen. Mit ihrer gegenteiligen Ansicht beachtet die Revision nicht, daß es insoweit um die Führung eines Prozesses für den Versicherer eines Dritten geht. Daß es sich bei dem Dritten um einen Kunden der Klägerin handelt, vermag allein jedenfalls kein schutzwürdiges Interesse derselben an der Führung eines derartigen Rechtsstreits zu begründen. Sollte aber die Fa. G: wegen der bereits oben erwähnten Bestimmung der Konnossements- und Übernahmebedingungen der Fa. E. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Forderungsübergangs nach § 67 VVG gehabt haben, so hätte sie ohne weiteres die bei ihr versicherte B-Werke-GmbH. mit der Führung des Schadensersatzprozesses gegen die Beklagte betrauen können. Mit der Klägerin hat das alles hingegen nichts zu tun.
...“