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Leitsatz:
Zur Auslegung einer Klausel, welche Schäden von der Versicherung ausschließt, „die entstehen, während das Fahrzeug nicht zu sportlichen oder Vergnügungszwecken verwendet, z. B. gegen Entgelt an Dritte überlassen wird".
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 30. November 1981
II ZR 17/81
(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Die bei den beklagten Gesellschaften kaskoversicherte Segelyacht „W" des Klägers ging vor der algerischen Küste im Sturm unter.
Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme von 405000,--DM halten die Beklagten die hier anzuwendenden „P.-Yacht-Kasko-Bedingungen (PYKB) entgegen, wonach u. a. Schäden von der Versicherung ausgeschlossen sind, „die entstehen, während das Fahrzeug nicht zu sportlichen oder Vergnügungszwecken verwendet, z. B. gegen Entgelt an Dritte überlassen wird". Im vorliegenden Fall habe die Yacht aus dem Mittelmeer zu den Kanarischen Inseln überführt und zu Segeltörns mit zahlenden Gästen eingesetzt werden sollen. Zwei bereits während der Reise an Bord befindliche zahlende Gäste hätten die Fahrt bei einem Touristikunternehmen, „S.-H.", dessen Präsident der Kläger gewesen sei und der die Yacht an das Unternehmen für eine Pauschalreise verchartert habe, zu üblichen Bedingungen gebucht gehabt.
Der Kläger bestreitet die Vercharterung. Auch habe es sich nicht um ein Touristikunternehmen, sondern um einen genossenschaftlichen Zusammenschluss von einigen Segelfreunden gehandelt, um das kostenträchtige Hochseesegeln preisgünstig zu ermöglichen. „S.-H." habe einen Teil der Betriebskosten der „W" getragen, so dass Mitglieder der Yacht geringere Unkostenbeiträge als andere über „S.-H." zu gewinnende, am Segelsport interessierte Teilnehmer hätten tragen müssen. Gewinnabsichten hätten nicht bestanden. Er (der Kläger) habe die Yacht stets als Skipper geführt. Alle Reisen hätten sportlichen Charakter gehabt.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Kläger die Yacht „W" an „S.-H." gegen Entgelt „überlassen" gehabt und dadurch den in § 7 Nr. 2a) PYKB beispielsweise erwähnten Ausschlusstatbestand erfüllt hat.
§ 7 Nr. 2a) PYKB erläutert nicht, wann im Sinne dieser Bestimmung das versicherte Fahrzeug einem Dritten „überlassen" worden ist. Insoweit bedarf die Bestimmung der Auslegung. Dazu ist auf den natürlichen Sprachgebrauch sowie auf Sinn und Zweck der Bestimmung zurückzugreifen. Letztere gehen offensichtlich dahin, solche Verwendungen des versicherten Fahrzeugs vom Versicherungsschutz auszunehmen, die gegenüber dem an sich vorgesehenen privaten Gebrauch durch den Versicherungsnehmer typischerweise zu einer nicht unerheblichen Risikoerhöhung führen können (vgl. auch die sonstigen in § 7 Nr. 2 unter b und c beschriebenen Ausschlusstatbestände: Führen des Fahrzeugs ohne Besitz eines amtlich vorgeschriebenen Führerscheins; unbemanntes Stilliegen vor der offenen Küste ohne sicherzustellen, dass das Fahrzeug bei drohender Gefahr sofort verholt werden kann). Eine derartige Erhöhung wird in der Regel anzunehmen sein, wenn der Versicherungsnehmer einem Dritten die tatsächliche Verfügungsmacht über das Fahrzeug für einzelne Fahrten oder für einen bestimmten Zeitraum einräumt, so dass praktisch an seiner Stelle ein dem Versicherer unbekannter Dritter das Bestimmungsrecht über das Fahrzeug ausübt. Anders ist es hingegen, wenn - wie hier - der Versicherungsnehmer Schiffer des Fahrzeugs verbleibt, weiterhin über die Durchführung im Einzelnen der Reisen eigenverantwortlich bestimmt und sich die Tätigkeit des Dritten darin erschöpft, für Mitfahrer zu sorgen. Dafür, dass die Tätigkeit von „S.-H." weiter gegangen, dieses Unternehmen insbesondere die Stellung eines Charterers gehabt haben soll, besteht kein hinreichender Anhalt. ...
Dem Berufungsgericht ist ferner nicht zu folgen, soweit es meint, dem Klageanspruch stehe § 7 Nr. 2a) PYKB jedenfalls deshalb entgegen, weil die Yacht während der Unfallreise „nicht mehr ausschließlich" sportlichen oder Vergnügungszwecken gedient habe. ...
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besagt § 7 Nr. 2a) PYKB nicht, dass der Versicherungsschutz eine „ausschließliche" Verwendung des Fahrzeugs zu sportlichen oder Vergnügungszwecken erfordert. Es wäre auch kaum verständlich, wieso jeder zusätzliche Zweck einer Reise, jedenfalls solange er zu keiner Risikoerhöhung führt, den Versicherungsschutz beseitigen soll. Nutzt beispielsweise der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu sportlichen Zwecken, wenn er es in ein neues Fahrgebiet verbringt, so entfällt der Versicherungsschutz für die Fahrt auch dann nicht, wenn das Fahrzeug dort nicht mehr privat verwendet werden soll. Anders ist es zu beurteilen, wenn bei einer Fahrt für den Versicherungsnehmer sportliche oder Vergnügungszwecke nicht mehr bedeutsam sind, sondern die Reise praktisch gewerblichen oder beruflichen Charakter hat. Das wird man allerdings nicht ohne weiteres sagen können, wenn der Versicherungsnehmer, um sein Fahrzeug selbst sportlich oder zum Vergnügen gebrauchen zu können, Dritte als zeitweilige Mitglieder der Besatzung an Bord nimmt und diese sich ihrerseits dafür an den Unkosten einer Reise finanziell beteiligen. Hier greift § 7 Nr. 2a) PYKB erst dann zu Gunsten des Versicherers ein, wenn eine solche Art der Mitnahme Dritter in eine gewerbliche oder berufliche Betätigung des Versicherungsnehmers umschlägt.
Wendet man die vorstehend dargelegten Grundsätze auf den Streitfall an, so bietet schon der Sachvortrag der Beklagten keine ausreichende Grundlage dafür, dass es sich bei dem Überführungstörn um eine Reise gehandelt haben soll, bei der für den Kläger die gewerbliche Nutzung der Yacht „W" im Vordergrund gestanden und der sportliche Charakter der Reise keine wesentliche Rolle gespielt habe. Zwar hatte der Kläger während des Törns zwei Personen an Bord, die den Pauschalpreis gezahlt hatten, den „S.-H." in dem Prospekt Anlage R verlangt hatte. Dieser Umstand hat aber nach der Auffassung des Berufungsgerichts für den Kläger keinen oder jedenfalls keinen überwiegenden gewerblichen Charakter der Reise begründet. Vielmehr hat für ihn nach den Ausführungen des Berufungsgerichts bei der Mitnahme der beiden Personen im Vordergrund gestanden, die für die Fahrt notwendige Besatzungsstärke zu erreichen und einen Beitrag zur Unkostendeckung zu bekommen. ...
Die Beklagten haben vorsorglich vorgetragen, dass der Kläger den Verlust der „W" grob fahrlässig verursacht habe und dass außerdem die zugleich als Taxwert geltende Versicherungssumme erheblich über dem Wert der Yacht zum Unfallzeitpunkt liege. Da das Berufungsgericht die Klage bereits aus den oben wiedergegebenen Gründen für abweisungsreif angesehen hat, hat es diesen Vortrag der Beklagten nicht weiter geprüft. Hierauf kommt es aber an. Denn die Klage lässt sich, wie ausgeführt, weder aus § 7 Nr. 2a) PYKB noch aus § 38 Abs. 1 Satz 2 WG abweisen. Die Sache war deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
...“