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Leitsatz:
Der durch den Verlust eines von einem anderen Schiff über See achteraus zu schleppenden Motorseglers eingetretene Schaden ist von der Versicherung ausgeschlossen, wenn das Boot von Anfang an für eine solche Schleppfahrt fahruntüchtig war, weil die Festigkeit des einzigen dafür am Bug vorhandenen Pollers nicht genügte, so daß er auf See gebrochen ist, und nunmehr das Boot längsseits geschleppt werden mußte, wobei es, ohne daß außergewöhnliche Umstände hinzugetreten sind, leck geworden und gesunken ist.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 21. Februar 1974
II ZR 169/72
Zum Tatbestand:
Wegen unklarer Maschine wurde der der Klägerin gehörende Motorsegler A von dem Motorschiff D ins Schlepptau genommen. Bei Windstärke 4 brach der auf dem Vorschiff des Motorseglers befindliche hölzerne Poller, an dem die Schlepptrosse befestigt war. Darauf wurde der Motorsegler längsseits des Motorschiffs genommen, neigte sich aber nach kurzer Zeit so stark nach Backbord, daß die Verbindungsleinen brachen und der Motorsegler schließlich sank.
Die beklagten Kaskoversicherer lehnen die Deckung des Schadens ab, weil der Motorsegler den bei einer Schleppfahrt entstehenden Belastungen nicht gewachsen gewesen und der Schaden daher von der Versicherung wegen des nicht fahrtüchtigen Zustandes des Fahrzeuges ausgenommen sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht ist zutreffend von einem Erfahrungssatz ausgegangen, daß ein achteraus zu schleppendes Schiff bei Antritt der Reise fahruntüchtig gewesen ist, wenn es auf See zur vorgesehenen Schleppen untauglich wird und verloren geht, ohne daß ein äußeres Ereignis mitgewirkt hat, das den Verlust auch bei einem fahrtüchtigen Schiff erklärlich machen könnte. Nach den getroffenen Feststellungen ist auf A nach einer Fahrt über See von etwa 15 Stunden, die bei normalen Wetterbedingungen und mit mäßiger Geschwindigkeit bei ordnungsmäßiger Schleppverbindung durchgeführt wurde, der hölzerne Poller gebrochen an dem die Schlepptrosse befestigt war.
Zu Unrecht vermißt die Revision bei diesem Sachverhalt eine typischen Geschehensablauf. Daraus, daß der Poller bei in keim Weise ungewöhnlichen Bedingungen brach, ist nach der Lebenserfahrung zu schließen, daß das Schiff für das Schleppen achte aus über See selbst bei normalen Wetterverhältnissen nic geeignet war. Für diese Beurteilung war kein Sachverständig nötig.
Das Brechen des Pollers ist entgegen der Annahme der Revision kein äußeres Ereignis, das den späteren Untergang des Schiffs auch bei einem fahrtüchtigen Schiff erklärlich macht. Vielmehr hat gerade eine Einrichtung des Schiffs versagt, die für das geplante Schleppen achteraus von entscheidender Bedeutung war und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ungewöhnlich beansprucht worden ist.
Das Berufungsgericht brauchte entgegen der Ansicht der Revision nicht die Zeugenaussagen zu erörtern, die in den zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Akten des Seeamts enthalt sind. Nach diesen Aussagen sah zwar das Holz des Pollers, der beim Bruch bis zum Deck gespalten wurde, nicht morsch aus. Der Anscheinsbeweis der mangelnden Tauglichkeit des Schiffs für die Reise im Schlepp achteraus von MS D war aber damit nicht zu entkräften. Der Poller des etwa 70 Jahre alten Holzbootes war jedenfalls - aus welchen Gründen auch immer - den normalen Anforderungen einer solchen Reise nicht gewachsen.
A ist allerdings erst gesunken, nachdem sie längsseits genommen war. Es mag sein, daß sie diese nicht geplante Schleppweise nicht ausgehalten hat, weil die Verbände des Schiffs hierdurch besonders stark beansprucht wurden. A brauchte auch für ein solches nicht vorgesehenes Schleppen bei Antritt der Reise nicht geeignet zu sein. Sie mußte aber nur deshalb in dieser Weise geschleppt werden, weil der Poller der normalen Schleppfahrt über See ohne äußere Ereignisse nicht standgehalten hatte.
Die Gefahren beim Schleppen längsseits fielen nicht mehr unter die Versicherung, weil ihnen A nur infolge der Fahruntüchtigkeit für das Schleppen achteraus unterworfen wurde.
Da es sich um einen objektiven Risikoausschluß handelt, hat es das Berufungsgericht zutreffend für unerheblich gehalten, ob der Kläger die Fahruntüchtigkeit erkennen und den Bruch des Pollers voraussehen konnte.