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Leitsatz:
Zum Verhalten eines Bergfahrers, der zwischen zwei Talfahrern hindurchfahren will.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 25. Januar 1971
II ZR 16/69
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das beim Kläger versicherte leere TMS B war auf der Talfahrt etwa bei Rhein-km 820 dabei, die seitlich etwas nach rechtsrheinisch versetzte Schubeinheit M (118 m lang) an deren Backbordseite zu überholen, stieß dabei jedoch mit dem Backbordvorschiff gegen das Backbordvorschiff des zu Berg fahrenden, der Beklagten zu 1 gehörenden, vom Beklagten zu 2 geführten MS E. Hierdurch geriet das TMS gegen das Achterschiff des Schubbootes.
Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz des erstatteten Schadens an TMS B in Höhe von etwa 35000,- DM mit der Begründung, daß der Bergfahrer erst in einer Entfernung von weniger als 200 m das Blinklicht für eine Steuerbordbegegnung gezeigt und den Kurs von der Strommitte in die rechte Fahrwasserhälfte gerichtet habe, wo sich die Schubeinheit und etwa 20 m backbords daneben TMS B befunden hätten.
Die Beklagten behaupten, daß das TMS zunächst linksrheinisch mit Blinklicht gefahren sei. MS E habe 400 m entfernt geblinkt und zwischen der Schubeinheit und dem TMS hindurchfahren wollen. Das sei mißlungen, weil das TMS den Kurs plötzlich nach Steuerbord geändert habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 38 Nr. 1 Satz 1 RheinSchPVO (1954) weisen beim Begegnen die Bergfahrer den Talfahrern den Weg. Lassen sie die Talfahrer beim Begegnen an Backbord vorbeifahren, so geben sie keine Zeichen (§ 38 Nr. 2). Weisen sie den Talfahrern den Weg für eine Steuerbordbegegnung, so müssen sie rechtzeitig die in § 38 Nr. 3 vorgeschriebenen Zeichen zeigen. Rechtzeitig geben sie die Zeichen aber nur dann, wenn sie diese so frühzeitig zeigen, daß sich die Talfahrer ohne Gefahr, insbesondere ohne unvermittelte Kursänderung, auf den ihnen gewiesenen Begegnungskurs einstellen können (vgl. Kählitz, Verkehrsrecht auf
Binnenwasserstraßen Bd. II § 38 RheinSchPVO Anm. 8). Für die Frage der Rechtzeitigkeit eines Zeichens nach § 38 Nr. 3 kommt es daher auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an. Zu Recht hat deshalb das Berufungsgericht im Streitfall diese Frage auch unter Berücksichtigung der Kurse und der Geschwindigkeiten der sich begegnenden Fahrzeuge im Zeitpunkt des Einschaltens des Blinklichts auf MS E geprüft. Wenn es sodann in eingehender Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände zu der Auffassung gelangt ist, MS E habe das Blinklicht verspätet gezeigt, so lassen seine Ausführungen keinen Rechtsfehler erkennen (wird weiter ausgeführt).
Nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil ist es zwischen den Partein unstreitig, daß TMS Bi und die Schubeinheit zunächst im linksrheinischen Fahrwasser zu Tal kamen, wobei die Schubeinheit seitlich etwas mehr nach rechtsrheinisch hin versetzt war. Den Feststellungen des Berufungsgerichts über die Geschwindigkeiten der beiden Talfahrer und ihre Lage im Zeitpunkt des Zusammenstoßes zwischen dem Bergfahrer und TMS B ist außerdem zu entnehmen, daß dieses Schiff allenfalls mit einem geringen Abstand hinter der Schubeinheit herfuhr. Bei einer solchen Fahrweise der beiden Talfahrer hatte die Führung des TMS B zunächst aber keinen Anlaß zu der Annahme, das in Strommitte zu Berg kommende MS E wolle eine Zwischendurchfahrt vornehmen. An dieser Beurteilung der Verkehrslage konnte sich für die Führung des TMS B dadurch nichts ändern, daß die Schubeinheit im Hinblick auf die Kursweisung des - zunächst keine Zeichen gebenden - Bergfahrers, an seiner Backbordseite vorbeizufahren, den Kurs nach Steuerbord in den rechten Teil des Fahrwassers richtete und sich dadurch der seitliche Abstand zwischen den beiden Talfahrern vergrößerte. Dies wäre erst dann der Fall gewesen, wenn nunmehr der Bergfahrer durch eine leichte, die Ausweichbewegung der Schubeinheit unterstützende Kursänderung nach Steuerbord in die linke Fahrwasserhälfte und durch Zeigen des Blinklichts beiden Talfahrer deutlich gemacht hätte, daß er mit der Schubeinheit die dieser gewiesene Backbordbegegnung, mit TMS Bi hingegen eine Steuerbordbegegnung durchführen wolle. Wenn der Bergfahrer statt dessen zunächst seinen bisherigen Kurs beibehielt und kein Blinklicht zeigte, so mußte die Führung des TMS B dieses Verhalten dahin verstehen, daß er auch ihr den Weg für eine Backbordbegegnung wies. Die gegenteilige Auffassung der Revision läßt sich nicht auf die Aussage des Zeugen B. (Schiffsführer der Schubeinheit) vor der Wasserschutzpolizei stützen.
Sie läßt sich ferner nicht mit dem von der Revision angeführten Satz begründen, die Kursweisung des MS E nach § 38 Nr. 2 habe sich nach ständiger Schiffahrtspraxis lediglich auf den ersten Gegenfahrer, die Schubeinheit, bezogen. Ein solcher Satz kann jedenfalls dann nicht zur Anwendung kommen, wenn, wie hier, bei zwei zumindest nahe aufeinander folgenden Talfahrern die Sicherheit des Verkehrs es gebietet, den Begegnungskurs für den zweiten Talfahrer bereits vor der Vorbeifahrt des ersten Talfahrers festzulegen.
Mußte die Führung des TMS Bi aus dem Verhalten des Bergfahrers aber entnehmen, daß er auch ihr die Weisung erteilte, an seiner Backbordseite vorbeizufahren, so war das nachfolgende Einschalten des Blinklichts auf MS E nicht nur verspätet, sondern, wie sich aus § 37 Nr. 3 RheinSchPVO (1954) ergibt, auch unzulässig. Letzteres trifft weiter für die Kursänderung des MS E nach Backbord zu. Aus dieser Sicht gehen außerdem alle Angriffe der Revision gegen die Verneinung einer schuldhaften Handlungsweise der Führung des TMS B durch das Berufungsgericht ins Leere. Nicht ersichtlich ist schließlich, inwiefern dem Kläger die Beweislast dafür obliegen soll, daß das Blinklicht auf TMS Bi nicht eingeschaltet gewesen ist. Die gegenteilige Behauptung der Beklagten betrifft die Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Führung dieses Schiffes. Dafür sind diese aber beweispflichtig."