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II ZR 127/59 - Bundesgerichtshof (-)
Datum uitspraak: 27.10.1960
Kenmerk: II ZR 127/59
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Afdeling: -

Leitsatz:

§ 662 HGB schließt die Freizeichnung des Verfrachters von der Haftung wegen schuldhafter Unrichtigkeit des Konnossements nicht aus. Zur Freizeichnung des Verfrachters von der Haftung für schuldhaft unrichtige Gewichtsangaben im Konnossement durch den Zusatz: „Gewicht unbekannt, da nicht zugewogen" oder einen gleichbedeutenden Vermerk.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 27. Oktober 1960

II ZR 127/59


Zum Tatbestand:

Die Klägerin kaufte von einer Firma in Zypern cif Rotterdam etwa 1000 t Chromerz. Die Verkäuferin verschiffte das Chromerz auf einem Motorschiff der Beklagten. Eine Verwiegung des auf offener Reede aus Leichtern in das Schiff übernommenen Chromerzes fand nicht statt. Nach Angabe der Verkäuferin sollte das Erz einige Zeit vorher an Land auf einer Stadtwaage verwogen und das Gewicht mit 1050 t festgestellt worden sein. In dem vom Agenten der Beklagten ausgestellten Konnossement wurde der Empfang von 1050 t Chromerz mit folgender auf das Konnossement gesetzten Klausel bescheinigt:
„Particulars as declared by shippers owners not to be responsible for quality same not having been examined nor for weight cargo having been received unweighed."
Die Bank zahlte auf das von der Klägerin gestellte Akkreditiv den auf die Menge von 1050 t entfallenden Betrag gegen Aushändigung des von der Verkäuferin in blanco indossierten Konnossements aus, das die Klägerin darauf erhielt. Bei Ankunft des Schiffes in Rotterdam stellte sich heraus, dass nur 605 t Erz verladen waren.
Die Klage auf Schadensersatz wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision hält die Klausel des Konnossements für nicht geeignet, den Verfrachter von der Haftung wegen unrichtiger Ausstellung des Konnossements zu befreien. Der Verfrachter sei gehalten, wenn er erkenne oder erkennen müsse, dass die Angaben des Abladers nicht stimmten, die Gewichtsangabe wegzulassen oder auf ihre Fehlerhaftigkeit im Konnossement hinzuweisen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es fehle an einem Verschulden des Kapitäns und des Linienagenten, verstoße gegen § 286 ZPO.
Die Rügen können keinen Erfolg haben. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegt zwar Bedenken, doch stellt sich die getroffene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend dar.
Der Verfrachter haftet nach den Regeln des bürgerlichen Rechts dem Empfänge (Konnossementsinhaber) wegen schuldhaft unrichtiger Ausstellung des Konnossements. Der Befrachter, den das Berufungsgericht auch als anspruchsberechtigt erwähnt, könnte sich allerdings selbst dann, wenn er zugleich Empfänger ist, nicht auf die Haftung für unrichtige Ausstellung des Konnossements, sondern nur auf ein Verschulden des Verfrachters bei der Erfüllung des Frachtvertrages berufen (vgl. Gramm, Das neue deutsche Seefrachtrecht, § 656 III). Befrachterin ist aber hier die Abladerin gewesen. Das ergibt sich bereits daraus, dass sie einen Kaufvertrag „cif Rotterdam" zu erfüllen und daher den Vertrag über die Beförderung der Ware bis zum vereinbarten Bestimmungshafen abzuschließen und die Fracht zu tragen hatte (vgl. Incoterms Nr. 6 A 2). Die Haftung wegen unrichtiger Ausstellung des Konnossements gegenüber dem Empfänger, die früher weitgehend von der durch das Gesetz vom 10. August 1937 beseitigten sogenannten schriftrechtlichen Haftung aus dem Konnossement verdeckt war, ist als eine solche aus dem Verschulden des Verfrachters bei dem Abschluss des Konnossementsvertrages mit dem Ablader, der sich als ein Vertrag zugunsten des Empfängers im Sinne des § 328 BGB darstellt, seit jeher allgemein anerkannt (Pappenheim, Handbuch des Seerechts, Band III, S. 289; Deloukas, Die Haftung des Verfrachters aus schuldhafter Unrichtigkeit des Konnossements nach deutschem, englischem und amerikanischem Recht, Überseestudien, Heft 16, 1940). Aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt könnte auch grundsätzlich Ersatz des von der Klägerin geltend gemachten Schadens verlangt werden.
Die Haftung wegen schuldhaft unrichtiger Ausstellung des Konnossements kann durch Rechtsgeschäft im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Zwar würde auf die hier erörterte Verschiffung § 662 HGB nach Art. 2 der Durchführungs-Verordnung vom 5. Dezember 1939 (RGBI 1 2501) zum Gesetz vom 10. August 1937 anwendbar sein, weil das Konnossement in Zypern, einem Vertragsstaat des Brüsseler Abkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnossemente vom 25. August 1924 (RGBI 1939 II 1049), ausgestellt worden ist und deutsches Recht gilt (XXIV des Konnossements). Ob Ober § 662 HGB auch die Haftung wegen schuldhaft unrichtiger Ausstellung des Konnossements betrifft, ist streitig. Während Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Aufl. S. 321, das Verschulden bei der Konnossementsausstellung als ein solches „bei der Beförderung der Ladung" (§§ 606, 607 HGB) ansieht und deshalb § 662 HGB anwendet, verneinen Gramm a.a.O. S. 172, Deloukas a.a.O. S. 21, Capelle, Hans RGZ 1943 A Sp. 38, Abraham, Das Seerecht, 2. Aufl. S. 147 und Schlegelberger/ Liesecke § 656 Anm. 18 den zwingenden Charakter. Dieser Auffassung tritt der Senat grundsätzlich bei. Die Haftung für schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung ist ebenso wie die durch das Gesetz vom 10. August 1937 beseitigte schriftrechtliche Haftung (vgl. Schaps, Das deutsche Seerecht, § 651 Anm. 4, 6) stets als eine von der Haftung für den Verlust oder die Beschädigung der Güter gemäß §§ 606 ff. HGB verschiedene behandelt worden. Wenn das Gesetz vom 10. August 1937 die aus allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (§ 276 BGB) über ein Verschulden beim Vertragsabschluß abgeleitete Haftung für unrichtige Angaben im Konnossement entgegen der bisherigen Rechtslage zu einer zwingenden hätte machen wollen, so war hierfür die bloße Anführung der Vorschriften über die spezielle Ladungsbehandlung (§§ 606 bis 608 HGB) im § 662 HGB nicht geeignet.
Der Befreiung des Verfrachters von der Haftung für die Richtigkeit der in das Konnossement aufgenommenen Angaben über Zahl, Maß und Gewicht der Güter sowie über den Inhalt von Verpackungen dienen seit jeher die sogenannten Unbekanntklauseln („Inhalt, Zahl, Maß, Gewicht und Merkzeichen unbekannt") oder ein gleichbedeutender Zusatz (wie hier: „particulars as declared by shippers" und „not to be responsible for weight"). Nach früherem Recht beseitigten diese Klauseln nie sogenannte schriftrechtliche Haftung (§§ 652, 654, 655 HGB aF) und zugleich die Haftung aus einem Verschulden hinsichtlich der Unrichtigkeit der Angaben (Schaps, § 655 Anm. 4; Deloukas a.a.O. S. 49). Nachdem die schriftrechtliche Haftung durch das Gesetz vom 10. August 1937 abgeschafft worden ist, haben die Klauseln neben ihrer Wirkung für die Beweisvermutung des Konnossements nach Maßgabe der §§ 645, 646 HGB ihre Bedeutung als Freizeichnung von der Haftung für schuldhaft unrichtige Angaben über Zahl, Maß, Gewicht usw. im Konnossement beibehalten (vgl. Capelle a.a.O. Sp. 38).
Das Berufungsgericht hat nach dem Verlauf der Beladung angenommen, dass der Verfrachter keine genügende Gelegenheit gehabt habe, das Gewicht der Ladung zu kontrollieren. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision, die § 286 ZPO für verletzt hält, sind nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht hält für erwiesen, dass dem Kapitän und dem Ersten Offizier, die als Zeugen vernommen worden sind, eine Tiefgangskontrolle nach Beendigung der Ladungsarbeiten wegen des Seeganges nicht möglich gewesen ist.
Das Berufungsgericht hielt sich auch im Rahmen der ihm zustehenden Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse, wenn es die Schätzung der verladenen Menge durch Besichtigung im Schiffsraum und die Zählung der Gefäße und ihres Durchschnittsgewichts als keine ausreichende Gelegenheit zur Gewichtskontrolle bezeichnet hat.
Für die Zulässigkeit des Vermerkes nach § 646 HGB im Konnossement ist entscheidend, ob der Verfrachter keine verständigerweise zu benutzende Gelegenheit zur Nachprüfung des Gewichts hatte. Der Verfrachter kann vom Ablader nicht den Nachweis des Gewichts verlangen, sondern ist verpflichtet, die einseitigen Angaben des Abladers zu übernehmen, die er nur bei dem Verdacht der Unzuverlässigkeit oder der mangelnden Gelegenheit zur Nachprüfung weglassen oder mit dem Vermerk nach § 646 HGB versehen kann. Da Unterlagen für die Verwiegung der zum Schiff gebrachten Menge nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dem Agenten nicht zur Verfügung standen, fehlte auch ihm die ausreichende Gelegenheit zur Gewichtskontrolle.
Die Beklagte ist daher auch dann wirksam von der Haftung für ein Verschulden durch unrichtige Angabe des Gewichts im Konnossement frei gezeichnet, wenn an diese Freizeichnung dieselben Anforderungen gestellt werden wie an die Beseitigung der Beweisvermutung des Konnossements (§ 656 Abs. 2 Nr. 1 HGB).
Die dem Konnossement deutlich aufgestempelte Klausel „owners not to be responsible for weight" bringt eine allgemeine Freizeichnung von jedem Verschulden des Verfrachters, soweit es sich nicht um seinen eigenen Vorsatz handelt (§ 276 Abs. 2 BGB), hinsichtlich der Gewichtsangabe zum Ausdruck. Der Verfrachter erklärt mit dieser Klausel, für die Gewichtsangabe nicht verantwortlich zu sein. Da er nach der Aufhebung des § 652 HGB aF überhaupt nur für Schäden durch schuldhaft unrichtige Gewichtsangaben haftet, ergibt die Erklärung, dass er für keinen Schaden, der durch Fehler der Gewichtsangabe schuldhaft hervorgerufen wird, einstehen wolle. Der Zusatz „cargo having been received unweighed" enthält keine Einschränkung der Freizeichnung etwa dahin, dass nur für solche Fehler oder Ungenauigkeiten nicht gehaftet werden solle, die damit zusammenhängen, dass keine Zuwiegung der Güter stattgefunden hat. Der Verfrachter macht mit dem Zusatz nur den Grund erkennbar, der zu der Aufnahme der Unbekanntklausel in das Konnossement geführt hat. Diese Angabe ist für die wirksame Beseitigung der Beweisvermutung nach § 656 Abs. 2 HGB Nr. 1 unentbehrlich. Sie begrenzt aber nicht den Umfang der Freizeichnung. Die Beklagte hat daneben noch ausdrücklich die Gewichtsangabe als solche des Abladers und von ihr nicht kontrolliert bezeichnet („particulars as declared by shippers") und auch dadurch allgemein erkennbar gemacht, dass sie für die Richtigkeit des Gewichtes keine Verantwortung übernehmen wolle.
Von der Haftung für ein etwaiges Verschulden gegenüber dem Konnossementsinhaber, das daraus entnommen werden könnte, dass die Schiffsleitung vor der Ausstellung des Schiffszettels über 1050 t, der dem Konnossement zugrunde gelegt worden ist, nicht wenigstens die Möglichkeit einer rohen Schätzung der ungefähren an Bord genommenen Menge geschaffen hat, ist die Beklagte daher durch die Klausel befreit. Eine solche umfassende Freizeichnung kann auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen als ein gegen Treu und Glauben verstoßender Missbrauch der Vertragsfreiheit (vgl. BGHZ 22, 90, 97, 98) aufgefasst werden.
Ob die Freizeichnung im Hinblick auf § 242 BGB nicht anzuerkennen wäre, wenn für den Kapitän oder den Agenten des Verfrachters ohne weiteres zutage gelegen hätte, dass die Gewichtsangabe des Abladers grob unrichtig war, insbesondere Vorsatz oder Arglist der Hilfspersonen bei der Konnossementsausstellung in Betracht zu ziehen wären, bedarf keiner Erörterung. Der Agent hat allerdings gegenüber der Schiffsführung die unrichtige Behauptung aufgestellt, er habe Wiegezettel über 1050 t in Händen und werde sie vor Abgang des Schiffes vorlegen, während er nur Zahlungs-Quittungen über Transporte bestimmter Erzmengen zum Hafen besaß. Von der Haftung für einen in diesem Verhalten liegenden Verstoß gegen seine Sorgfaltspflicht bei der Ausstellung des Konnossements und die etwa dadurch verursachte Verladung einer zu geringen Erzmenge ist die Beklagte jedoch wirksam frei gezeichnet. Es mag sein, dass er der Schiffsführung hätte sagen müssen, er habe keine Wiegezettel, sie solle selbst dafür sorgen, dass die richtige Menge an Bord komme, aber auch für solche Fehler seiner Agenten bei der Gewichtsfeststellung will der Verfrachter nach seiner Erklärung, nicht für das Gewicht verantwortlich zu sein, nicht haften. Besondere Umstände, die die Berufung auf die Freizeichnung als unzulässig erscheinen lassen könnten (z. B. Kenntnis des Verfrachters von der Unzuverlässigkeit des Agenten in anderen Fällen), sind nicht behauptet.